Gladbachs Sportdirektor Max Eberl nahm sich vor seinem Einsatz als TV-Experte bei Teleclub Zeit für ein Interview mit «Bluewin». Hier lesen Sie den zweiten Teil.
Haben Sie noch Kontakt zu Lucien Favre, Granit Xhaka oder gar Jörg Stiel?
Ich war gestern (am Dienstag, Anm. d. Red.) mit Jörg Stiel an der Premiere von Zirkus Knie. Jörg ist einer meiner besten Freunde. Auch mit Granit Xhaka tausche ich mich regelmässig aus, wir gratulieren ihm, wenn er in der Liga trifft und umgekehrt meldet er sich. Und mit Lucien fast zwangsläufig, er ist mit dem BVB ja nun ein Hauptkonkurrent um die Champions-League-Plätze.
Speziell Granit Xhaka machte bei Gladbach eine erstaunliche Entwicklung durch. Was haben Sie und der Klub dazu beigetragen?
Granit Xhaka ist ein wunderbares Beispiel, wie wir alle von Transfers profitieren können. Er kam damals als 19-Jähriger, der beim FC Basel schon in der Champions League gespielt hatte, U-17-Weltmeister wurde und als eines der grössten Schweizer Talente galt, zu uns. Bei Gladbach hat er eineinhalb Jahre gebraucht, um sich an alles zu gewöhnen und anzupassen. Es ist halt schon ein Unterschied, ob man im Liga-Alltag – bei allem Respekt – gegen Thun oder gegen Hoffenheim oder Mainz antreten muss, wo man immer Top-Leistungen abrufen muss.
Seine Entwicklung ging also wie von selbst?
Es gab auch eine Phase, wo er unzufrieden war. Da haben wir ihm gesagt, er müsse auch mal über die Hürde drüberspringen. Als Persönlichkeit hat er sich vor allem entwickelt, als er Captain wurde und unser Team in die Champions League geführt hat. Dementsprechend haben wir einen kleinen Teil dazu beigetragen, dass er heute ein Topsspieler in der Premier League ist. Einen grossen Anteil an seiner Entwicklung trug auch Lucien Favre mit seinen Taktik-Ansprachen bei.
Was sind ihre Ziele und Ambitionen – persönlich und mit dem Verein?
Mit meinem Klub will ich so gut wie möglich abschneiden, jedes einzelne Jahr. Das ist das, was ich bei Gladbach schon seit zehn Jahren machen darf. Ich würde das gerne auch länger machen, weil der Klub mir ans Herz gewachsen ist. Ich bin hier seit zwanzig Jahren, war Spieler und Jugenddirektor, und jetzt bin ich Sportdirektor. Mir macht es einfach grossen Spass, für diesen Traditionsklub zu arbeiten. Als Verein erfolgreich zu sein, ist ein stetiger Kampf. Vom Budget her gehören wir zu den Top Neun der Bundesliga, da versuchen wir, immer wieder nach Europa zu kommen. Und natürlich willst du wieder die Champions-League-Hymne hören. Das kriegt man nicht mit grossen Worten hin, sondern muss es auf dem Platz zeigen. Und da sind wir dieses Jahr auf einem sehr guten Weg.
Mit Gladbach haben Sie von aussen gesehen das Maximum erreicht. Eigentlich wäre in Deutschland nur noch Bayern München eine klare Steigerung, speziell als gebürtiger Bayer …
Natürlich habe ich durch meine Zeit hier eine besondere Beziehung zu Gladbach. Aber ich habe auch immer gesagt, dass ich hier höchstwahrscheinlich nicht in Rente gehe. Dennoch bin ich kein Typ, der sich jetzt grossartig einen Karriereplan zurechtlegt. Meistens kommt es sowieso anders, als man denkt. Ich fühle mich jetzt gerade sehr wohl, gegenwärtig sind wir wieder erfolgreich unterwegs. Mein Vertrag läuft ja auch noch bis 2022, was danach kommt, werden wir dann sehen.
Welcher Spieler hat Sie in dieser Saison bei Gladbach am meisten überrascht?
Florian Neuhaus, den wir von Düsseldorf wieder zurückgeholt haben, hat bis jetzt eine tolle Saison gespielt. Und Nico Elvedi, den wir vom Rechtsverteidiger zum Innenverteidiger umgeschult haben, macht neben Matthias Ginter einen grossartigen Job. Die Entwicklung der beiden Spieler, die erst 21 bzw. 22-jährig sind, hat mich sehr gefreut. Witzigerweise haben wir damals in der Europa Legaue gegen den FC Zürich gespielt. Elvedi hatten wir schon lange verfolgt und hatten eine sehr hohe Meinung von ihm. Wir waren deshalb froh, als wir ihn zu uns holen konnten. Für einen 17-Jährigen mit 18 Ligaspielen waren vier Millionen Euro kein billiges Investment. Umso schöner, dass es danach funktionierte.
Sie sind mittlerweile seit über 20 Jahren bei Gladbach, mehr als die Hälfte davon als Sportdirektor. Was waren die schwierigsten Baustellen im Klub? Und was würden Sie als grössten Erfolg bezeichnen?
Schwierig waren die ersten drei, vier Jahre, als wir ständig um den Klassenerhalt kämpfen mussten. Die Saison 2010/11 war die allerschwerste, als wir sportlich und politisch kämpften. Es wurde eine Initiative gegründet, die uns loshaben und den Klub selber übernehmen wollte. Kompliziert war auch, als Lucien Favre plötzlich aufgehört hat. Die Highlights waren natürlich die Partien gegen Barcelona und Manchester City in der Champions League. Auch die Relegationsrettung gegen Bochum 2011 war sicher prägend für unsere jüngere Vergangenheit.
Stimmt es, dass Lucien Favre gefühlt an jedem zweiten Spieltag mit Rücktritt drohte?
Es wird viel geschrieben um diese «Drohungen» von Lucien Favre. Am Ende zählt, dass er ein hervorragender Trainer ist. Wir haben viereinhalb Jahre sehr intensiv und kritisch, aber auch sehr erfolgreich mit ihm zusammengearbeitet. Er war sehr erfolgsorientiert. Er hat mir gesagt, welche Spieler er haben möchte und wir haben versucht, diese Spieler zu verpflichten. Dass wir heute noch einen guten Kontakt haben, zeigt ja auch, dass unsere Zusammenarbeit sehr gut war. Seine viereinhalb Jahre bei Gladbach sind ja auch ein Indiz dafür, dass er sich trotz «diesen Androhungen» sehr wohl gefühlt hat.