Die Schweiz wurde für die Vorrunde der EM-Endrunde 2020 in eine sportlich machbare und logistisch anspruchsvolle Gruppe gelost. Sie trifft in der Gruppe A auf Italien, die Türkei und Wales.
Vladimir Petkovic setzte im Pavillon des Romexpo-Messegeländes in Bukarest das Pokerface auf, als der frühere Milan-Superstar Ruud Gullit den Zettel mit der Schweiz aus der Kugel klaubte. Die Schweiz wurde in die Gruppe A gelost, und es erfüllte sich damit einer der wenigen Wünsche von Vladimir Petkovic. Es kommt zum Duell gegen den vierfachen Weltmeister Italien, erstmals überhaupt an einer EM-Endrunde und zudem im Römer Stadio Olimpico, wo Petkovic als Trainer von Lazio Rom vor seinem Engagement als Schweizer Nationaltrainer während 17 Monaten gewirkt hatte.
Doch Petkovic setzte das Pokerface auf, weil er sich zwar Italien als Gegner durchaus gewünscht hatte, weil er sich aber eben auch gewünscht hatte, dass die Schweiz nicht das erste und das letzte Gruppenspiel in Baku austragen muss. Doch genau so ist es gekommen. In der Hauptstadt von Aserbaidschan am kaspischen Meer trifft die Schweiz in ihrem Eröffnungsspiel am 13. Juni auf Wales und zum Abschluss der Vorrunde am 21. Juni auf die Türkei. Dazwischen steht am 17. Juni das Duell mit Italien in Rom an.
Basis-Quartier höchstwahrscheinlich in Aserbaidschan
Baku, Rom, Baku. Das bedeutet für die Schweizer Delegation Flüge über rund 3'000 Kilometer und drei Zeitzonen – sofern sich die Schweizer dann tatsächlich entscheiden, ihr Camp in der Region von Baku aufzuschlagen. Zumindest vor der Auslosung ist durchgedrungen, dass der SFV seine EM-Basis dort haben möchte, wo zwei von drei Gruppenspielen ausgetragen werden. Aserbaidschan liegt fünf Flugstunden weg von der Schweiz.
Logistisch hat es die Schweiz also eher schlecht getroffen. Zumal die Reisestrapazen auch im Erfolgsfall nicht weniger werden. Wenn die Schweiz beispielsweise Gruppen-Zweiter wird, spielt man das Achtelfinale in Amsterdam. Bei einem Sieg findet das Viertelfinal wieder ... in Baku statt. Der Halbfinal und Final wären dann in London. Gut für die Flug-Meilen, ein Horror für Fans von Klimaktivistin Greta Thurnberg.
Die Gruppengegner
Sportlich ist die Gruppe nicht einfach, aber machbar. Doch unterschätzen wird die Aufgabe in der Gruppe A beim SFV keiner. Italien, der Gruppenkopf mit Heimrecht in allen drei Spielen der Vorrunde, hat sich nach der Schmach der verpassten WM 2018 unter Nationaltrainer Roberto Mancini erstaunlich schnell erholt und in der EM-Qualifikation alle zehn Spiele gewonnen. Die Squadra Azzurra hat sich vom berechnenden Resultatfussball gelöst und in der Qualifikation 37 Tore erzielt. Zum Abschluss wurde Armenien 9:1 deklassiert. Das junge Ensemble der Italiener um die Mittelfeld-Regisseure Marco Verratti und Jorginho gehört an der EM durchaus zum erweiterten Favoritenkreis.
Die Türkei hatte die WM in Russland ebenfalls nicht erreicht, sich aber in den letzten Monaten auch enorm gesteigert. Wie Italien, dank einer Reihe von vielversprechenden jungen Spielern, die – wie etwa der Flügel Cengiz Ünder bei der AS Roma – in grossen Ligen Fuss gefasst haben. In der EM-Ausscheidung schlugen die Türken Weltmeister Frankreich, holten gegen den Favoriten vier von sechs Punkten und hielten Island problemlos auf Distanz. Trainer Senol Günes weiss, wie man bei einem Turnier als Aussenseiter startet und als Held zurückkommt: 2002 führte er die Türkei an der WM in Japan und Südkorea bis in die Halbfinals.
Beim ersten Schweizer EM-Gegner Wales liegt ein solcher Coup erst etwas mehr als drei Jahre zurück. An der EM in Frankreich stürmten die Briten unter die letzten vier. Doch danach konnte das Team um Real Madrids Superstar Gareth Bale den Erfolg von 2016 nicht bestätigen. Die WM-Endrunde wurde verpasst und auch die Ausscheidung zur EM 2020 lief mit zwei Niederlagen aus den ersten drei Spielen schlecht an. Lange kämpfte Wales mit den Formschwankungen und Verletzungen von Bale, in den letzten drei Spielen holten sich die Waliser dank einem Unentschieden gegen den WM-Zweiten Kroatien sowie Siegen gegen Aserbaidschan und Ungarn aber doch noch den zweiten Platz in ihrer Qualifikationsgruppe.