Als die Nations League eingeführt wurde, da haben viele die Nase gerümpft. Zu Unrecht.
Der klassische Fussball-Fan ist ein Gewohnheitstier, neue Ideen und Wettbewerbe haben es schwer. Auch die Nations League stiess auf breiten Widerstand. Noch ein Wettbewerb, noch mehr Pflichtspiele, das braucht kein Mensch. Liverpool-Coach Jürgen Klopp nannte das neue Format den «sinnlosesten Wettbewerb des Fussballs».
Zumindest die Fans liessen sich dann aber doch für die Nations League begeistern. Schnell merkten sie, dass die Spiele ihren Reiz haben. Anstelle der gänzlich bedeutungslosen Testspiele kamen sie in den Genuss diverser Klassiker, bei denen bis zur letzten Sekunde gekämpft wurde. Ja, auch die Spieler haben offensichtlich ihren Gefallen am neuen Wettbewerb gefunden.
Als Beispiel kann die Schweiz herhalten. Am 14. November blamierte sich unsere Nati, verlor zuhause ein Testspiel gegen Katar 0:1. Die Mannschaft wirkte komplett lustlos. Vier Tage später zeigte sie ein ganz anderes Gesicht, spielte sich in der Nations League in einen Rausch und bezwang den WM-Dritten Belgien trotz 0:2-Rückstand mit 5:2. Eine solche Reaktion hätte man in einem Freundschaftsspiel in hundert Jahren nicht gesehen. Am Ende lagen sich unsere Nati-Spieler in den Armen, feierten den Gruppensieg und die damit verbundene Qualifikation für das Finalturnier.
Die Nations League bot grösste Unterhaltung
Wir blickten auch mit grossem Interesse über die Landesgrenzen, verfolgten mit Spannung, wie Vize-Weltmeister Kroatien am letzten Spieltag nach 57 Minuten als Gruppensieger dastand, eine gute halbe Stunde und zwei Treffer der Engländer später aber als Gruppenletzter abstieg. Kurz: Viele Spiele waren ungemein spannend und boten grosse Unterhaltung.
Und nun beginnt am Donnerstag die EM-Quali. Wirkliche Kracher-Spiele wird es nur wenige geben. England spielt zum Auftakt nicht gegen Kroatien und Spanien, sondern gegen Tschechien und Montenegro, Kroatien gegen Aserbaidschan und Ungarn, Spanien gegen Norwegen und Malta. Naja ...
Immerhin ein EM-Quali-Spiel findet auch über die Landesgrenzen hinaus Beachtung. Die Partie Niederlande gegen Deutschland am zweiten Spieltag ist ein Klassiker. Dennoch birgt das Spiel weniger Zündstoff als das Direktduell in der Nations League, da sich ohnehin der Gruppenerste und -zweite für die EM qualifizieren werden. Da die weiteren Gegner Weissrussland, Nordirland und Estland heissen, sollte selbst der Verlierer aus diesem Duell noch nicht in Panik verfallen. In der Nations League war das ganz anders. Viel spannender!
Man kann nur zum Schluss kommen, dass der neue Wettbewerb definitiv seine Daseinsberechtigung hat. Die Nations-League-Spiele sind nicht nur spannender als die oft trostlosen Testspiele, sie stellen sogar die klassische EM-Qualifikation in den Schatten.