Nachruf Cesar Luis Menotti – der Poet auf der Trainerbank

SDA

6.5.2024 - 11:01

Der Trainer-Schöngeist und der Zauberfuss: Cesar Luis Menotti 1983 an der Seite von Diego Armando Maradona
Der Trainer-Schöngeist und der Zauberfuss: Cesar Luis Menotti 1983 an der Seite von Diego Armando Maradona
Keystone

Am Sonntag ist Cesar Luis Menotti gestorben. «El Flaco» führte Argentinien 1978 während der Diktatur der rechten Militärjunta zum ersten WM-Titel. Dabei stand der Trainer für den «linken Fussball».

Er war der Schöngeist unter den Fussballlehrern, der Philosoph auf der Trainerbank. Cesar Luis Menotti ging es nie nur ums Gewinnen, sondern immer auch um den möglichst eleganten Weg zum Sieg. «Der Ball ist für den Spieler, was für den Dichter die Worte sind: Am Fuss oder am Kopf kann er sich in ein Kunstwerk verwandeln», sagte er einmal. «Der Fussball hat mir eine Möglichkeit gegeben, mich auszudrücken.»

Bereits mit seinem ersten Trainertitel 1973 mit dem Club Huracan in der argentinischen Liga definierte «El Flaco» (der Dünne) seinen Stil: «Offensiv, sauber, fröhlich» – im Gegensatz zu einem rein ergebnisorientierten Spiel. «In der Erinnerung bleiben die Teams, die mit gutem Spiel gewonnen haben», sagte er einmal der Zeitung «Clarin». Das sei ein «linker» Fussball.

Diktatur der Taktik und Terror der Systeme besiegt

Dabei fällt sein grösster Triumph ausgerechnet in die Zeit der Militärdiktatur in Argentinien. Von der Weltmeisterschaft 1978 im eigenen Land erhoffte sich die Junta um Diktator Rafael Videla Anerkennung und Prestige über Argentinien hinaus. Und Menotti – der in seiner Heimatstadt Rosario sogar Mitglied der Kommunistischen Partei geworden war – lieferte.

Im Final setzte sich die Albiceleste mit 3:1 gegen die Niederlande durch und krönte sich damit erstmals zum Weltmeister. Der Weg ins Endspiel war allerdings mit Skandalen gepflastert, immer wieder sollen die Gastgeber bevorzugt worden sein. Der 6:0-Sieg gegen Peru gilt als eines der umstrittensten Spiele der Fussballgeschichte. Es gibt zahlreiche Indizien, dass der Sieg schlicht erkauft wurde.

Menotti kritisierte die Militärs zwar nicht offen, liess seine Ablehnung der Junta aber durchscheinen. «Meine Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt», sagte er beispielsweise nach dem WM-Sieg.

Bis zum Ende ein Philosoph

Nach dem Scheitern der argentinischen Nationalmannschaft an der WM 1982 in Spanien in der Zwischenrunde, nach Niederlagen gegen den späteren Weltmeister Italien und den Erzrivalen Brasilien, musste Menotti seinen Posten räumen. Der leidenschaftliche Kettenraucher trainierte in den folgenden Jahren unter anderem den FC Barcelona und Atlético Madrid sowie die mexikanische Nationalmannschaft.

Im Alter von 80 Jahren erhielt er noch einmal einen Job beim argentinischen Fussballverband und wurde Generaldirektor für die verschiedenen Nationalmannschaften seines Landes. Doch vor allem war er bis zuletzt ein Fussball-Philosoph, der seine Gedanken in zahlreichen Kolumnen und Interviews kundtat. Er wetterte gegen die Marktlogik im Fussball, gegen die Ökonomisierung des Spiels. «Fussball ist so viel mehr als ein Geschäft», sagte Menotti dabei in einem Radio-Interview.

Am Sonntag ist der argentinische Weltmeistertrainer von 1978 im Alter von 85 Jahren gestorben. «Eine der grossen Figuren unseres Fussballs hat uns verlassen», schrieb Lionel Messi auf Instagram. Auch FIFA-Präsident Gianni Infantino würdigte Menotti: «Viele Trainer sind Menottis Vision des schönen Spiels gefolgt. Seine Spielphilosophie wird sein Vermächtnis sein.»

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