Kommentar Ablösesummen für Trainer und Sportchefs – warum diese Entwicklung längst überfällig ist

Von Syl Battistuzzi

15.4.2021

Gehen ihren Weg, wie das Spieler auch tun: Adi Hütter (links) und Fredi Bobic.
Gehen ihren Weg, wie das Spieler auch tun: Adi Hütter (links) und Fredi Bobic.
Bild: Keystone

Für die Verpflichtung von Frankfurt-Coach Adi Hütter muss Gladbach viel Geld in die Hand nehmen. Diese Entwicklung im Fussball-Business ist nur logisch und konsequent. Ein Kommentar.

Von Syl Battistuzzi

15.4.2021

Die Trainer-Rochade in der Bundesliga sorgt für viel Verwunderung. Der BVB schnappt sich für die neue Saison dank einer Ausstiegsklause in Höhe von fünf Millionen Euro Marco Rose von Borussia Mönchengladbach. Die Fohlen ihrerseits füllen ihre Vakanz im Sommer mit Adi Hütter, für den man sogar 7,5 Millionen Euro hinblättern muss.

In der Frankfurter Vereinshistorie der ertragreichsten Transfererlöse ist der frühere YB-Coach auf Platz 6. Damit liegt der Österreicher zwar hinter seinen derzeitigen Angestellten Luka Jovic (einst für 63 Millionen Euro zu Real) und Kevin Trapp (für 9,5 Millionen Euro zu PSG), aber etwa vor Ante Rebic, für den Milan «nur» fünf Millionen Euro berappen musste. 

Die Wechsel-Orgie wird von vielen Fans kritisch gesehen, wie etwa die Reaktionen auf Twitter unterstreichen. Nichtsdestotrotz darf Hütter stolz sein auf das Preisschild, das ihn als neuen Rekordhalter in der Bundesliga ausweist. Den Weltrekord hält übrigens André Villas-Boas. Für den damaligen Porto-Coach bezahlte Chelsea – beziehungsweise Besitzer Roman Abramowitsch – 2011 die festgeschriebene Summe von 15 Millionen Euro.

Hütters beeindruckender Leistungsausweis

Es ist eine schöne Bestätigung für Hütter, der einst für 800'000 Euro von YB verpflichtet wurde. Gemeinsam mit dem ebenfalls scheidenden Fredi Bobic lieferte er bei Frankfurt Tob-Arbeit ab. Das erfolgreiche Duo erreichte den Europa-League-Halbfinal und nimmt aktuell Kurs, erstmals die Qualifikation für die Champions League zu packen.

Bobic einigte sich am Mittwoch mit dem Klub auf eine frühzeitige Vertragsauflösung. Zuletzt forderten die Frankfurter Bosse eine Ablösesumme in ähnlicher Höhe wie bei Hütter. Bobic, der höchstwahrscheinlich mit Hertha Berlin ein neues Abenteuer eingeht, distanzierte sich öffentlich von den Vorstellungen und wollte maximal über eine Summe in der Höhe einer Million nachdenken. Am Ende wird sich Bobic wohl durchgesetzt haben, schliesslich sitzt er als Arbeitnehmer am längeren Hebel.



Trainer wollen sich weniger abhängig machen

Solche Geschichten zeigen: Heutzutage wird nicht nur eifrig um Spieler gefeilscht, auch bei Trainern und Sportchefs buhlen nun die grossen Vereine um deren Gunst. Endlich, könnte man fast sagen. Über Jahrzehnte weg blieben solche Deals eine Rarität. Die Trainer hatten als Vorbilder zu dienen, ihre Arbeitsverträge waren sakrosankt und aus ihrer Sicht quasi unkündbar, während die Spieler bei einem stimmigen Angebot fast jederzeit einen Abflug machen konnten.

Wenn es dann aber mal irgendwo kriselte, waren die Klubpräsidenten nicht nur in Sion schnell bereit, den Trainer zu opfern. Auch in der Presse findet man danach über die gefeuerten Exponenten selten nette Worte, das scheint beim Trainerlohn als Schmerzensgeld inkludiert zu sein. Natürlich sehnt man sich nach den Zeiten zurück, wo ein Vertrag ein Vertrag war, den man einfach einhalten musste.

Doch spätestens mit dem Bosman-Urteil Mitte der 90er-Jahre wird die Arbeitsfreiheit stärker gewichtet, was sich nun mit Verzögerung auch bei der Trainer-Gilde bemerkbar zu machen scheint. Die neue Generation will die Karriereplanung selbst gestalten und verfolgt ihre Ziele ohne Rücksicht auf Verluste. Die romantischen Fans schmerzt eine solche Haltung, doch für selbstbewusste Trainer zählt nur der grösstmögliche Erfolg – beziehungsweise die Möglichkeit, in einer Umgebung zu arbeiten, wo man dies erreichen kann. Sie selbst müssen wissen, ob ihre Planung am Ende aufgeht.

Ein Schritt hin zur verdienten Wertschätzung

Während früher einige Trainer etwas eindimensional ihr Handwerk ausübten, muss ein moderner Coach viele Rollen in Eigenregie ausfüllen. Viele Trainer könnten mit ihrem beeindruckendem Portfolio und mannigfaltigen Qualitäten auch gut in der Privatwirtschaft verdienen. Klar, es sind die Spieler, welche die Fans in Scharen in die Stadien locken.

Doch eine Spitzenkraft wie Jürgen Klopp hat im Vergleich mit einem Ergänzungsspieler wie beispielsweise Xherdan Shaqiri wohl deutlich mehr Einfluss auf die Teamleistung – der charismatische «Menschenfänger» schaffte es quasi im Alleingang, den englischen Traditionsklub Liverpool zu neuen Höhenflügen zu bringen. Während das Salär des Deutschen sogar üppiger ist als dasjenige des Schweizers, sieht die Lohnschere in den überwiegenden Fällen anders aus. Ausserhalb des Fussball-Bereichs gibt es nur wenige Branchen, in denen Führungskräfte weniger Geld bekommen als ihre Untergebenen.

Am Hungertuch muss weder Xherdan Shaqiri noch Jürgen Klopp nagen.
Am Hungertuch muss weder Xherdan Shaqiri noch Jürgen Klopp nagen.
Bild: Keystone

Auf den Trainern lastet heutzutage aber ein immenser Druck. Deshalb ist ihnen eine Stärkung ihrer Rechte zu gönnen. Schliesslich wissen die Klubs bei der Verpflichtung, auf welches Spiel sie sich damit einlassen. Dafür erhalten sie ehrgeizige, selbstbewusste und letztlich erfolgreiche Leaderfiguren, die ihren Arbeitgeber nach vorne bringen. Und dann halt womöglich weiterziehen, wie es die Spieler auch machen.

Ablösesummen bei Trainern sind also nur die Fortsetzung, was schon bei den Spielern gang und gäbe ist. Wieso also andere Massstäbe setzen? Natürlich ist es schade, dass es im Fussball-Business so weit gekommen ist. Doch aus Sicht der Trainer ist es eben auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur verdienten Wertschätzung.