Mit seinem 51. Länderspieltreffer zieht Olivier Giroud mit Frankreichs Rekordtorschütze Thierry Henry gleich. Es ist die verdiente Belohnung für das Stehaufmännchen.
Olivier Giroud rückte mit einem beeindruckendem Leistungsausweis ins WM-Camp ein. Für Milan erzielte der Modellathlet (1,92 Meter, 91 Kilogramm) seit Sommer in 19 Pflichtspielen neun Tore sowie fünf Vorlagen. Im Nationalteam musste sich der 36-Jährige aber in der jüngeren Vergangenheit zeitweise trotzdem hinten anstellen. Bei der letzten EM etwa durfte Giroud nur 40 Minuten spielen.
Ballon-d'Or-Gewinner Karim Benzema wäre eigentlich in Katar im Sturmzentrum gesetzt gewesen, doch der Real-Star musste mit einer Muskelverletzung Forfait geben. So durfte der Spätzünder – Giroud gab erst mit 25 Jahren sein Debüt in Frankreichs A-Nationalmannschaft – im Startspiel von Beginn weg stürmen. Wie wertvoll Giroud für sein Team sein kann, bewies er gegen die Australier eindrücklich.
Der Altmeister erzielte beim 4:1-Sieg einen Doppelpack und wurde damit zum zweitältesten Spieler (hinter Kameruns Roger Milla, der 1990 38-jährig war) in der WM-Geschichte, dem dieses Kunststück gelang. Gleichzeitig waren es seine Tore 50 und 51 für die Équipe Tricolore, womit Giroud den Rekord von Thierry Henry einstellte.
Deschamps als Wegbegleiter
Als Giroud vor gut zwei Jahren Nationalheld Michel Platini einholte, unterstrich Nationalcoach Didier Deschamps seinen Wert. «Er hat nicht in jedem Spiel getroffen, aber er ist sehr wichtig für diese Mannschaft».
Der Angreifer hat trotz seiner eindrücklichen Quote schon harzige Zeiten im Nationalteam erlebt. Vor dem Australien-Spiel traf Giroud bei einer WM letztmals 2014 – beim 5:2-Erfolg in Bahia über die Schweiz. Bei der letzten WM 2018 in Russland war Giroud – auch aufgrund der langjährigen Verbannung von Benzema – ganz vorne gesetzt, doch er wurde verspottet als «Stürmer, der nie aufs Tor schoss». Tatsächlich gab Giroud während des ganzen Turniers keinen einzigen Torschuss ab. Der für seine Sturheit bekannte Deschamps hielt aber zu ihm, obwohl er in 546 Einsatzminuten nicht traf. Am Ende wurde man Weltmeister.
Giroud hatte schon bei Deschamps' Amtsantritt im Juli 2012 zum Kader gehört. «Er hat immer noch seine Effizienz, seinen Charakter, seine mentale Stärke. Er macht seine Sache gut», lobte ihn Deschamps nach seinem 100. Länderspiel.
Bei den Fans und Mitspielern beliebt
Inzwischen geniesst der 115-fache Internationale auch bei den Anhängern des Nationalteams Kultstatus. Die Fans huldigten Giroud nach dem Australien-Spiel, indem sie seinen Namen auf die Melodie des Beatles-Klassiker «Hey Jude» in Dauerschleife sangen.
Es ist die Belohnung für den pflegeleichten Muster-Profi, der sich immer in den Dienst der Mannschaft stellte. Während der kopfballstarke Stürmer dank seiner Physis die gegnerische Abwehr permanent beschäftigt, können seine Mitspieler die freien Räume bespielen. Und wenn Giroud dann noch seine Torjäger-Qualitäten zeigt, wird es für die Kontrahenten doppelt gefährlich.
Giroud erläuterte kürzlich gegenüber der Presse die Gründe für sein Formhoch: «Ich weiss nicht, ob es der beste Moment meiner Karriere ist, aber es gibt Momente, in denen man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Und dann versuche ich das zu tun, was ich kann, denn mein Leben ist der Strafraum.»
In Katar will der Routinier Henry noch überholen. Realistischerweise wird Giroud aber nur Platzhalter werden bei den les Bleus. Denn mit Teamkollege Kylian Mbappé – der PSG-Star traf gegen die Aussies einmal und hat nun 29 Treffer auf dem Konto – nähert sich ihm der 23-Jährige mit grossen Schritten. Doch Giroud wird es bestimmt egal sein, wenn er am Turnierende seinen zweiten Weltmeistertitel feiern kann.
«Für mich ist es ein Segen, für mein Land eine dritte Weltmeisterschaft zu spielen.»