Nicht in Hollywood, sondern im Schweizer Fussball finden die ganz grossen Geschichten statt. Wir küren die besten Exponenten aus der laufenden Saison.
Beste Nebenrolle – Chilla in «Hundstage»
Es ist DAS Highlight der Saison. Unmittelbar nach dem Zürcher Ausgleich gegen Sion stürmte Chilla – eine der beiden Hündinnen von FCZ-Präsident Ancillo Canepa – den Letzigrund-Rasen. In ihrem blütenweissen Kleid stahl sie allen anderen Akteuren die Show und liess damit auch Konkurrentin Kookie (der andere Wauwau der Canepas) hinter sich. Erwähnenswert ist auch Herrchen Canepa selbst, der im Vollspurt von der Tribüne auf den Rasen hetzte, um Chilla von der Bühne zu führen. Keiner seiner Spieler soll gemäss Geschwindigkeitsmessung diese Saison seine Sprintwerte erreicht haben.
Bester fremdsprachiger Film: «Happ Tschi Sii» mit Sky Sun
Lange hatte man bei den Grasshoppers auf ihn gewartet, dann strahlte Sky Sun endlich über die sozialen Kanäle in die Kamera. Der chinesische Heilsbringer begrüsste seine Angestellten freundlich wie eine Glückskatze: «Guten Tag, this is Sky, President of Grasshopper Club Zürich.» Am Schluss implementierte der 33-Jährige beim Schweizer Rekordmeister gleich eine neue Aussprache des Klubs. So wurde aus «GC» plötzlich «Tschi Sii», was bei den verdutzten Zuschauern Assoziationen zu Toiletten hervorrief. Eine solche Parforceleistung muss belohnt werden.
Bestes Kostümdesign: «Unsichtbar» mit Sion
Im November stellte der FC Sion sein neues Trikot im Militärlook vor. «Le FC Sion se met au militaire», schrieben die Walliser dazu. Die Tarnfarben sollten sie für ihre Gegner auf dem Fussballplatz unsichtbar machen. Dummerweise erkannten sich offenbar auch die Mitspieler nicht mehr. Das aktuelle Resultat: Die Camouflage-Krieger sind am Tabellenende.
Bester Synchronsprecher und Hauptdarsteller: Ciriaco Sforza in «Scream»
Als Ciri Sforza sein Amt bei Basel antrat, nahm das (hörbar) jeder wahr. Der neue Coach schrie beziehungsweise trieb an der Seitenlinie seine Spieler lautstark an. Von der Devise seines Trainerkollegen Murat Yakin – «du kannst so laut schreien, wie du willst – die hören gar nichts» – schien er nichts zu halten.
Eine Auswertung einer Partie ergab, dass der ehemalige Internationale 136-mal gut hörbare direkte Anweisungen an einen seiner Spieler aufs Feld gab – das sind 1,5 pro Minute.
Der 51-Jährige beeindruckte auch mit seiner sprachlichen Vielfältigkeit. Leider fand Sforza trotz seines leidenschaftlichen Auftretens kein Gehör bei seinem Zielpublikum. Einer seiner Stars, Valentin Stocker, musste er gar vom Set werfen, damit dieser mal «seinen Kopf lüften» kann. Pikant: Bei der Auswertung im Schrei-Ranking gab Sforza seinem Captain nur drei Anweisungen – so wenige wie bei keinem anderen Spieler. Das Resultat am Ende ist bekannt, Sforza war am Rheinknie eine Fehlbesetzung. Einen grossen Unterhaltungswert genoss er dafür in der Presse, welche ihn deshalb nach seinem FCB-Abenteuer zum unbestrittenen Hauptdarsteller der Saison wählte.
Bestes Drehbuch, Drama und bester Horrorfilm: «Rheinknie-Showdown im Gerichtssaal»
Die Handlung – ein überlegener Serienmeister mutiert aufgrund skurriler Ereignisse innert kürzester Zeit zum Chaos-Klub – fesselte die Zuschauer von der ersten Sekunde an. Nicht mal in lateinamerikanischen Telenovelas finden so viel Drama, Liebesbezeugnisse und Intrigen statt. Beim Staffelfinal duellieren sich ausgerechnet El Presidente Bernhard Burgener und sein einstiger Ziehsohn David Degen. Aus der juristischen Schlammschlacht kann nur einer als Sieger hervorgehen. Spannung pur, welche die ganze Schweiz in Atem hält. Für die mit Abstand beste Serie seit langer Zeit gibt es als Lohn gleich drei Oscars.
Beste Regie und Kamera: «VAR-Zone in Volketswil»
In der Saison 2019/20 führte man in der Super League den Video Assistant Referee (VAR) ein. Die SFL wollte damit «offensichtliche Fehlentscheide» in spielentscheidenden Szenen verhindern und dadurch das Spiel nachweislich gerechter machen. Während sich die Initiatoren dafür rühmen, dieses Ziel geschafft zu haben, findet sich an den Spieltagen fast immer ein Team, welches sich benachteiligt fühlt. Darum sind die Regelhüter wohl insgeheim froh, ist ihr (Film-)Budget zu wenig gross, um sich wie in den grossen Ligen eine Torlinientechnologie und eine kalibrierte Abseitslinie zu leisten. Für das Independent-Studio aus dem 2. Stock eines Bürogebäudes in Volketswil in der Agglomeration von Zürich gibt's dafür gleich zwei Auszeichnungen.
Bester Kurzfilm: «Ein Mann sieht (Gelb-)Rot – 123 Sekunden mit Imeri»
Servettes Kastriot Imeri bringt es gegen den FC Luzern fertig, 123 Sekunden nach der Einwechslung gleich mit Gelb-Rot vom Platz zu fliegen. Den Platzverweis des ungestümen und jungen Rohdiamanten leitet er mit Applaus beim Unparteiischen selbst ein. Mit diesem Mini-Auftritt trägt sich Imeri denn auch in die Geschichtsbücher ein. Seit 2007 – der Startpunkt der Datenerhebung in der Super League – ist noch kein Spieler so schnell vom Platz geflogen.
Spezialeffekt: «Der Mann mit den verschiedenen Gesichtern – Ludovic Magnin»
Kein Protagonist hat ein solch vielfältiges Repertoire an Emotionen auf Lager wie Ludovic Magnin. Beim FCZ lobte, schimpfte, litt und ärgerte der Romand sich im Minutentakt über seine Darsteller. Seine emotionalen Ausbrüche machten ihn zum «Alpen-Vulkan», der alles unter sich begraben konnte. Leider dürfen wir seine Wutausbrüche seit Oktober nicht mehr live mitverfolgen. Die Rolle des 42-Jährigen wurde bei den Zürchern im Oktober neu an Massimo Rizzo vergeben. Von der emotionalen Schauspielkunst haben sie quasi Magnins Antipoden engagiert.