Am 7. Juli 2001 bestritten YB und Lugano das letzte Spiel im alten Wankdorf-Stadion. Die Partie endete 1:1; Reto Burri erzielte das letzte Goal. Einen Monat später wurde der Mythos Wankdorf gesprengt.
Das letzte Spiel! 22'200 Zuschauer kamen zur Dernière, unter ihnen der deutsche Ehrenspielführer Uwe Seeler und Ottmar Walter, ein Weltmeister von 1954. Gerhard Schröder, der Kanzler, entsandte eine Trauerbotschaft.
Reto Burri, der letzte Torschütze, erzählt, dass er «heute noch auf dieses letzte Tor im Wankdorf angesprochen wird». Die YB-Fans hätten sich womöglich einen anderen letzten Torschützen gewünscht. Burri war bei den Fans nicht beliebt. Manchmal hätte er sogar Angst gehabt, von den eigenen Fans zusammengeschlagen zu werden, so Burri im Rückblick.
Denn die Zeiten damals meinten es mit YB nicht gut. In der Saison zuvor kamen teils weniger als 2000 Zuschauer ins Wankdorf, «deshalb genossen wir es, ein letztes Mal in einem vollen Wankdorf spielen zu können».
Burri erlebte mit YB vom tristen Tabellenende in der Nationalliga B bis zur Rückkehr ins Oberhaus im Frühling 2001 alles mit – inklusive monatelang ausbleibender Lohnzahlungen. Im persönlichen Rückblick überwiegt dennoch das Positive: «In dieser Zeit zeichnete sich ab, dass YB wieder auf den richtigen Weg kommt.»
Letztes Spiel als Nebensache
YB – Lugano erwies sich an diesem letzten grossen Abend des in die Jahre gekommenen Stadions nur als Nebensache. Das Wankdorf-Stadion war zu dieser Zeit von den Jahrzehnten gezeichnet: Rohre waren zu sehen, der Verputz bröckelte, die Farbe blätterte ab. Die besten Zeiten hatte diese Arena längst hinter sich.
Das Wankdorf-Stadion ist für die Fussball-WM 1954 gebaut worden. Aus dem WM-Final Deutschland – Ungarn (3:2) wurde das «Wunder von Bern». Fünf Jahre später gewann YB im Wankdorf vor 60'000 Zuschauern im Europacup der Meister das Halbfinal-Hinspiel gegen Stade Reims 1:0. Das waren die grössten Zeiten.
Ende der Neunzigerjahre wurde das Wankdorf aber auch zum Sinnbild für den Niedergang der Young Boys. Das Stadion starb zusammen mit YB ganz langsam vor sich hin. Kein Mensch kümmerte sich darum. Als Beispiel dafür die Episode des Eidgenössischen Schwingfests von 1998, als ein im Anspielkreis aufgestelltes Holz-Brünneli den Rasen auf Monate hinaus ruinierte. Der Fussballverband nahm dem Wankdorf die Cupfinals und die Länderspiele weg.
Die Räumung
Aber dennoch liebten die Berner ihr Stadion. Und deshalb bleibt der 7. Juli 2001 unvergessen. Nach dem Schlusspfiff folgte die Abschiedsgala – eine Licht- und Laser-Show, die ganz und gar nicht zum alten Stadion passte. Auf einer immensen Leinwand wurden die grössten und wichtigsten Ereignisse nochmals visualisiert. Kugelstosser Werner Günthör vollführte einen symbolischen Spatenstich für den Bau der neuen Arena, die vier Jahre später eingeweiht wurde. Doch so richtig los ging die Party erst, als die letzten Töne von «Time to Say Goodbye» von Andrea Bocelli verklungen waren.
Die Fans nahmen den Abriss des Stadions in die Hand. Sobald der Weg aufs Spielfeld frei stand, galt die Jagd nach Trophäen und Erinnerungsstücken als lanciert. Der gesamte «heilige Wankdorfrasen» fand stückchenweise den Weg in private Gärten oder Blumentöpfe. Alles, was man irgendwie transportieren konnte, wurde eingepackt. Zuerst gingen die Trainerbänke weg. Aber auch Corner-Flaggen, die Tore, Bänke, Schilder, Stühle, ja sogar der Präservativ-Automat – alles wurde mitgenommen. Die letzten «Sammler» verliessen das Stadion erst nach der Geisterstunde. Die 40 angestellten Securitas und ein paar Polizisten in Zivil vermochten die Räumung nicht zu verhindern.
Die YB-Bahre
Die legendäre YB-Bahre mit den gelb-schwarzen Rädern, mit der verletzte und simulierende Spieler zügig vom Rasen abtransportiert werden konnten, schnappten sich Fussball-Junioren aus dem Emmental. Aber gerade dieses YB-Kultgut wollte der BSC Young Boys unbedingt ins neue Stade de Suisse (das seit dem 1. Juli 2020 jetzt offiziell wieder Wankdorf heisst) zügeln – als Erinnerung ans alte Stadion. Über die TV-Sendung «Schweiz aktuell» begann die Suche nach dem Unikat. Und tatsächlich fand das Stück innerhalb von weniger als einer Woche unbeschädigt den Weg zurück nach Bern – und wird im Wankdorf heute noch benützt.
SDA