Nati-Trainerin Pia Sundhage «Als Kind musste ich als Bub Fussball spielen und hiess Pelle»

Patrick Lämmle

13.2.2025

Pia Sundhage: «Ich musste meinen Namen ändern, um Fussball zu spielen»

Pia Sundhage: «Ich musste meinen Namen ändern, um Fussball zu spielen»

Pia Sundhage spielt Fussball, seit sie 5 Jahre alt ist. Damit das überhaupt möglich war, war eine kleine Schummelei nötig.

13.02.2025

Nati-Trainerin Pia Sundhage feiert heute ihren 65. Geburtstag. Mit blue Sport sprach die Schwedin über ihre Pläne als Rentnerin, ihre Kindheit als Pia und Pelle, Musik und ihre grösste Leidenschaft, den Fussball. 

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Patrick Lämmle, Jüri Christen

Eckpunkte von Pia Sundhages Karriere

  • Nati-Coach Pia Sundhage ist eine Legende des Sports. Am 13. Februar 2025 feiert sie ihren 65. Geburtstag.
  • Zwischen 1975 und 1996 bestritt Sundhage 146 Länderspiele für Schweden und erzielte dabei 71 Tore. 
  • 1984 schoss sie Schweden bei der ersten Frauen-EM überhaupt zum Titelgewinn. Auf Vereinsebene gewann sie je vier Mal die schwedische Meisterschaft sowie den Cup.
  • Als Trainerin führte Sundhage die USA 2008 und 2012 zu Olympia-Gold und wurde 2011 Vize-Weltmeisterin. Nach dem zweiten Olympia-Triumph wurde sie zur besten Trainerin der Welt gekürt.
  • Auch als Nationaltrainerin Schwedens feierte sie Erfolge und führte das Team bei der Heim-EM 2013 bis in den Halbfinal und bei den Olympischen Spielen 2016 zu Olympia-Silber.
  • Von Juli 2019 bis Sommer 2023 war sie Nationaltrainerin Brasiliens. 2022 wurde ihr Team überlegen Südamerika-Meister. An der WM 2023 bedeutete die Gruppenphase Endstation.
  • Seit Januar 2024 ist Sundhage Nationaltrainerin der Schweiz. Mit der Heim-EM im Sommer steht das grosse Highlight noch bevor.

Am 13. Februar werden sie 65 Jahre alt. Wie hört sich das an?

Es ist jedes Jahr toll. Man wird ein bisschen älter und weiser, aber ich fühle mich wirklich jung. Und solange ich von Fussballspielerinnen umgeben bin und Matches habe, ist alles gut.

Wo feiern Sie? Und mit wem?

«Pia Sundhage, was machen Sie an ihrem Geburtstag?»

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Die Schweizer Nationaltrainerin wird 65 Jahre alt. Mit blue Sport spricht sie über ihren Jahrestag und ihr schönstes Geschenk.

13.02.2025

Ich werde im Büro sein und arbeiten. Und ich glaube, ich habe ein Interview. Das ist eine tolle Feier (schmunzelt).

Was war das schönste Geburtstagsgeschenk, das Sie je erhalten haben?

Ich glaube nicht, dass ich DAS Geschenk bekommen habe. Denn in unserer Familie feiern wir die Geburtstage nicht so gross. Wichtiger als Geschenke zu bekommen, ist es für mich, dass ich mit Menschen zusammen bin, die ich mag. Mit meiner Familie zusammen zu sein, war ein gutes Geschenk.

Gibts wenigstens eine Schweden-Torte?

(Lacht) Ich denke nicht. Ich werde jedenfalls nichts backen.

In der Schweiz gilt 65 als Pensionsalter. Zurücklehnen wollen Sie sich ja definitiv noch nicht. Wenn es dann mal soweit ist, was haben Sie für Pläne? Eine Band gründen? Gärtnern?...

... das ist interessant, kürzlich habe ich mit meiner Mentorin darüber gesprochen. Und sie hat mir gesagt, wie wichtig es ist, sich darauf vorzubereiten. Im Moment bin ich auf einer besonderen Reise mit der Europameisterschaft. Aber ab und zu denke ich daran, dass ich irgendwann nicht mehr auf dem Platz stehen werde. Ich habe begonnen, Reiten zu lernen. Meine kleine Schwester versucht, mir das beizubringen. Also wenn ich in Rente gehe, werde ich viel Zeit mit Tieren und mit Musik verbringen, denke ich.

Wann wird das etwa der Fall sein?

(Lacht) Das kann jederzeit sein.

Fussball ist Ihre grosse Leidenschaft. Was lieben Sie an diesem Spiel so sehr?

Ich habe es immer schon geliebt, an einen Ball zu treten und Sachen damit auszuprobieren. Und ich bin fasziniert davon, wie man gemeinsam so viele Dinge erreichen kann. Und ich mag den Wettbewerb. Da kann man gewinnen, aber man lernt auch mit Niederlagen umzugehen. Ich hatte einfach Glück, dass ich tun konnte, was ich liebe. Und das, obwohl ich als kleines Mädchen eigentlich nicht mit dem Ball hätte spielen dürfen.

Weil es in Schweden damals Mädchen untersagt war, Fussball zu spielen. Sie haben es aber trotzdem getan. Wie haben Sie das angestellt?

Das ist eine Geschichte, bei der ich 60 Jahre zurückgehen muss. Wir spielten oft im Garten und sehr oft war ich die Erste und die Letzte auf dem Platz. Aber bei richtigen Spielen mit Schiedsrichtern, Toren mit Netzen, Spiele, bei denen man das gleiche Trikot trägt, da durfte ich nicht mitspielen, weil ich ein Mädchen war. Aber ich hatte Glück, denn einer meiner Nachbarn trainierte eine Bubenmannschaft und fragte mich, ob ich mitspielen will.

Was Sie offensichtlich wollten?

Und wie ich das wollte. Und dann meinte er, wir müssen ein bisschen schummeln. Meine Eltern brachten mir aber bei, dass man das nicht darf. Aber er sagte, wir müssen nur ein wenig schummeln. Also haben wir meinen Vornamen geändert. Anstatt Pia nannten sie mich Pelle. Und so spielte ich dann mit den Jungs und niemand hat es bemerkt oder es war einfach allen egal. So wurde ich Teil dieser Jungenmannschaft und das war mein Glückstag.

Eine verrückte Geschichte. 

Es hat mich gelehrt, dass es immer einen Weg gibt, Hindernisse zu umgehen. Und im Frauensport gab es überall viele Hindernisse. Hier war es ein Nachbar, der mir geholfen hat. Und dafür bin ich sehr dankbar.

Wann haben Sie sich eigentlich in Pia zurückverwandelt?

(Lacht) Nun, ich glaube, es hat etwa zwei Jahre gedauert. Dann sind wir in ein etwas grösseres Dorf umgezogen und dort gab es ein Frauenteam. Ein Lehrer hatte bemerkt, dass ich in den Pausen immer leidenschaftlich mit den Jungs Fussball spiele und er fragte mich, ob ich in einem richtigen Team spielen wolle. Sie halfen mir dann, den richtigen Platz zu finden.

Wenn Sie nicht Fussballerin und Trainerin geworden wären, wären Sie Musikerin geworden?

(Lacht) Ich wäre wohl Lehrerin geworden und mein Hobby wäre die Musik gewesen. Mich fasziniert bei der Musik, diese Harmonie. Je mehr Leute mitspielen, umso besser klingt es. Wenn jemand Bass spielt, jemand am Schlagzeug ist … Ich würde auf jeden Fall in einer Band spielen.

Pia Sundhage: «Mein Hobby wäre in einer Band zu spielen»

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13.02.2025

Zusammen mit ihren Schwestern und Brüdern?

Nein, sie sind nicht gut genug. Das müssten schon andere Freunde sein. Oder meine Neffen vielleicht.

Haben Sie eine Lieblingsband oder ein Lieblingslied?

Ich bin mit Simon & Garfunkel aufgewachsen und das Lied, das ich wirklich versucht habe zu lernen, war «The Sound of Silence». Ich finde, das ist ein brillantes Lied und danach kommt «Bridge over Troubled Water». Ich könnte auch viele Lieder von Bob Dylan oder Bruce Springsteen aufzählen. Es gibt sehr viele Songs, die ich mag.

War die junge Pia in der Schule eine Streberin? Oder genau das Gegenteil?

Ich glaube, bis zur 9. Klasse dachten viele, ich sei ein bisschen seltsam, merkwürdig. Aber es war lustig, weil das war okay. Das Spiel mit dem Ball hat mir so viel Selbstvertrauen gegeben, sodass ich mich immer wohlgefühlt habe. Und ich habe viele Freunde gewonnen, indem ich einfach den Ball gespielt und ihn wieder zurückbekommen habe.

Sie haben so viel erlebt. Gibt es Dinge, auf die Sie besonders stolz sind?

Oh, es gibt so viele Dinge, auf die ich stolz bin. Ich bin stolz auf meine Mutter und meinen Vater, die mir erlaubt haben, Pia und Pelle zu sein. Und ich bin auch stolz auf alle Teams, in denen ich gespielt habe. Wir hatten gute und schlechte Trainer, aber sie waren alle mit Leidenschaft dabei. Ich bin auch stolz darauf, dass ich so viele Jahre Fussball gespielt habe, dass ich so viele Jahre trainiert habe. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich Teil dieser Entwicklung des Frauenfussballs sein durfte und viele Erfolge gefeiert habe.

Gibt es auch Dinge, die Sie bereuen?

Ich bin nicht der Typ, der etwas bereut. Natürlich habe ich ein paar Fehler gemacht, aber aus Fehlern kann man lernen.

Erinnern Sie sich an einen besonders grossen Fehler?

Ja, das tue ich. 2003 gewann ich mit den Boston Breakers die Meisterschaft und wurde als Trainerin des Jahres ausgezeichnet. Danach wechselte ich zu Kolbotn in Norwegen. Aber dort ich habe die Gruppe nicht erreicht. Nach einer halben Saison beschlossen wir, dass wir besser getrennte Wege gehen.

Und was haben Sie daraus gelernt?

Da habe ich auf die harte Tour gelernt, dass ich als Einzelcoach nutzlos bin. Aber wenn ich ein Team an meiner Seite habe, einen Mitarbeiterstab, dann lassen sie mich gut aussehen. Dann kann ich mein Bestes geben. Damals in Norwegen war es wirklich hart. Ich war wirklich traurig. Heute achte ich deshalb sehr darauf, mit wem ich zusammenarbeite, denn es geht nur gemeinsam.

In der Nations League und an der EM spielt die Schweiz gegen Norwegen, jetzt können Sie ihnen alles zurückzahlen…

(lacht) Es ist an der Zeit, ja.

Sie sind seit einem Jahr Nationaltrainerin der Schweiz. Was hatten Sie für ein Team vorgefunden?

Ich bin auf ein Team gestossen, das ziemlich technisch spielt, mit einigen sehr erfahrenen Spielerinnen und vielen jungen Talenten. Wenn ich mir die GPS-Daten ansehe, die wir beim Nationalteam gesammelt haben, sehe ich, dass die Intensität – oder besser gesagt, die Spielgeschwindigkeit – verbessert werden muss. Die Schweiz spielte bei der WM und hält sich auf einem hohen Niveau. Aber wenn man die absolute Spitze erreichen will, gibt es noch Luft nach oben.

Während eines Nati-Zusammenzugs bleibt kaum Zeit, an der Fitness zu feilen. Können Sie diesbezüglich überhaupt etwas bewirken?

Die grösste Herausforderung für mich besteht darin, dass sich eine Spielerin wohlfühlt, sich unwohl zu fühlen. Dinge auszuprobieren, die sie noch nie zuvor gemacht hat. Den Mond zu erreichen, Grenzen zu sprengen, anstatt zu sagen: «Okay, ich bin froh, hier zu sein, und ich werde versuchen, mein Bestes zu geben.» Auch Fehler zu machen ist in Ordnung, solange man zurückkommt und versucht, seine Fehler zu korrigieren. Wenn man neugierig ist, steckt so viel Energie in einem und man braucht viel Mut, um neugierig zu sein. Ich finde, sie haben das grossartig gemacht.

Sie kennen das Gefühl einer Heim-EM von 2013 mit Schweden. Sie kennen auch das Gefühl, Titel zu gewinnen. Was mit der Schweiz möglich?

Wenn ich mir unsere Gruppe anschaue, denke ich, dass alle die Chance haben, ins Viertelfinale vorzustossen. Und wenn man ins Viertelfinale kommt, ist alles möglich. Natürlich sind wir alle positiv eingestellt und glauben, dass es möglich ist, sonst würden wir nicht Fussball spielen, man will Spiele gewinnen.

Stimmt es eigentlich, dass sie 2009 in Schweden als mögliche Kandidatin für den Posten als Nationaltrainerin der Männer gehandelt wurden?

Seit dem Gewinn der olympischen Goldmedaille 2008 oder sogar schon davor wurde viel darüber gesprochen, ob ich gut genug wäre, ein Männerteam zu trainieren. Nach dem Goldmedaillen-Gewinn 2012 kam die Diskussion erneut auf. Aber ich glaube nicht, dass ich nah dran war. Es gab zumindest kein Angebot.

Hätten Sie sich denn vorstellen können, ein Männerteam zu trainieren oder sind die Unterschiede zu gross?

Wenn man sich heute das Spiel und die Führung anschaut, glaube ich nicht, dass es eine Raketenwissenschaft ist, gleichgültig ob man Frauen oder Männer trainiert. Gibt es Unterschiede? Absolut. Aber ich wäre klug genug, mir die Trainer an meine Seite zu holen, die schon lange im Männerfussball involviert sind, damit ich vorbereitet bin. Fussball ist Fussball. Auf dem Platz gibt es kleine Unterschiede, in der Führung wahrscheinlich etwas grössere.

Als Fussballspielerin haben Sie nicht genug verdient, um davon zu leben. Wann haben Sie mit Fussball erstmals richtig Geld verdient?

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13.02.2025

Als ich als Trainerin in die USA ging, da war ich 48 Jahre alt. Davor hatte ich jedoch unzählige Stunden investiert, so viele grossartige Situationen erlebt und durch Erfahrungen gelernt. Die Leidenschaft war und ist mein Antrieb.

Geld scheint Ihnen nicht so wichtig zu sein …

Ja, und ich habe genug Geld auf der Bank, sodass ich nicht ständig auf den Betrag schauen muss. Das interessiert mich nicht wirklich. Es geht eher darum, etwas zu bewirken, dazuzulernen und mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten.

Mit ihrer Karriere haben Sie viele Menschen inspiriert. Gibt es auch Menschen, von denen Sie inspiriert wurden?

Ja, es begann eigentlich mit Cruyff, Pelé und Beckenbauer (lacht). Ich weiss nicht warum, aber ich war einfach fasziniert von ihnen. Und dann ist da noch eine Lehrerin, die ich am Gymnasium hatte als ich 15, 16 Jahre alt war. Sie unterrichtete Sport und hat nicht viel gesagt. Aber ihre Körpersprache und ihre Präsenz waren einfach phänomenal. Sie hatte die Klasse hervorragend im Griff, und ich war beeindruckt davon, wie sie uns erzog und trainierte. Sie ist mein Vorbild.

Werden Sie eigentlich angesprochen auf der Strasse?

Das kommt manchmal vor und das ist richtig cool. Weil das bedeutet auch, dass sich diese Leute für Frauen-Fussball interessieren.