Sensationeller Finaleinzug Herz und Leidenschaft, alles am rechten Fleck bei den Straubing Tigers

ck, sda

31.12.2024 - 05:00

Die Straubing Tigers stehen sensationell im Final des Spengler Cups. Im beschaulichen Städtchen in Niederbayern werden das Familiäre und die Leidenschaft gross geschrieben.

Keystone-SDA, ck, sda

Charakter – das Wort fällt immer wieder: Vom Trainer, vom Spieler, von den Verantwortlichen des Vereins. Die Straubing Tigers sind kein Verein wie jeder andere. «Es ist hundertprozentig das Zeichen der Mentalität dieser Mannschaft», betont Tom Pokel, der deutsch-amerikanische Cheftrainer nach dem sensationellen Finaleinzug. «Wir nehmen die Underdog-Rolle gerne an. Das passt zu uns. Und wenn wir Kopf hoch und Brust raus spielen, mit nichts zu verlieren, können wir nur gewinnen.»

Zu Beginn sah das ganz anders aus. Der Auftakt bei der Premiere am Spengler Cup war für die Deutschen brutal: Obwohl zwei Drittel lang keineswegs die schlechtere Mannschaft, gingen die Straubing Tigers am Freitag gegen den HC Davos 0:5 unter. Willkommen in der Davoser Höhenluft, die kräftezehrende Spielweise forderte ihren Tribut.

Steile Lernkurve

Auch beim zweiten Auftritt gegen des Team Canada schien Straubing beim 3:6 noch immer etwas überfordert vom internationalen Tempo. Ein Tiger lässt sich aber nicht so einfach einschüchtern, und wenn sie in Straubing etwas gewöhnt sind und geradezu zelebrieren, dann eben die Rolle des unterschätzten Underdogs, der nichts zu verlieren hat.

«Wir brauchten in dieser für uns neuen Eishockey-Szene die ersten zwei Spiele um zu lernen», sagt Tom Pokel. «Es waren zwei hervorragende Lernerlebnisse gegen zwei Topteams.» Der spezielle Modus des Spengler Cup bringt es mit sich, dass jedes Team auch nach zwei Niederlagen in der Vorrunde im Rennen bleibt. So bootete Straubing im Viertelfinal trotz Rückstand nach zwei Dritteln völlig überraschend den letztjährigen Finalisten Dynamo Pardubice aus. Im Halbfinal nahm es dann eindrücklich Revanche an einem diesmal enttäuschenden Team Canada.

Die explosive Mischung aus dem Pulverturm

Straubing, ein regionales Zentrum mit knapp 50'000 Einwohnern, ist klar der kleinste Standort in der deutschen DEL. Trotz relativ bescheidenem Budget hat man sich aber in der Spitzengruppe der DEL festgesetzt. Seit 2019 ist man das einzige Team, das in der Qualifikation jedes Mal in den Top 4 war. Das hat eine gewaltige Euphorie entfacht. Dabei hilft, dass Straubing im Fussball keine Rolle spielt. Die Tigers, die vom Stadion am Pulverturm aus Eishockey-Deutschland und nun auch Davos erobert haben, sind der Stolz der Stadt.

Stolz ist auch Pokel auf seine Spieler. Diese spielten am Montag ihr viertes Spiel in vier Tagen, im Final werden sie ihre fünfte Partie innert 88 Stunden in Angriff nehmen. «Inklusive Champions League (wo Straubing im Achtelfinal an den ZSC Lions scheiterte) ist das heute unser 42. Pflichtspiel der Saison. Diese Opferbereitschaft und Führungsqualität zu spüren, macht mich einfach stolz», betont der Coach, der seit 2017 bei Straubing an der Bande steht. Ob sie in den kommenden Meisterschaftsspielen für den Sondereffort büssen werden, wisse er nicht. Aber er ist sich sicher: «Wo immer wir dann stehen, in den Playoffs werden wir bereit sein.»

Wie eine Familie

Der Verteidiger Marcel Brandt, einer der Leistungsträger der Tigers, spricht von einer «Sensation.» Sie könnten es kaum fassen. Der 32-jährige Bayer war zwischenzeitlich auch bei der grossen Düsseldorfer EG engagiert, ehe er nach Straubing zurückkehrte. Der Unterschied? «Die Leidenschaft, das Herz», streicht er heraus. «Hier ist einfach alles am rechten Fleck. Wir sind eine Familie.»

Dass sie am Silvestermittag das fünfte Spiel in fünf Tagen spielen, müsse kein Nachteil sein, findet Cheftrainer Pokel. «Der Gegner hat dafür erst am Abend gespielt und eine kurze Nacht.» Der Amerikaner stammt übrigens aus Green Bay, einer Arbeiterstadt, die kleinste mit einem Team in der National Football League (NFL). Die Parallelen zu Straubing sind offensichtlich.

Green Bay nennt sich wegen der Erfolge der Packers «Titletown». Einen solchen wollen nun auch die Tigers gewinnen.