Die ZSC Lions sind der logische Schweizer Eishockeymeister. Zu gut ist das Team besetzt, um zu scheitern. In den letzten Jahren wurde im Verein fast alles richtig gemacht.
Die Szene, von der manche dachten, jetzt könnte der Meister-Express aus Zürich entgleist sein, passiert nach neun Minuten des zweiten Finalspiels in Lausanne. Die ZSC Lions hatten alle bisherigen neun Playoffpartien – darunter das erste Finalspiel – gewonnen. Lausannes österreichischer Captain Michael Raffl erobert sich mit einem beinharten Check gegen Mikko Lehtonen den Puck und schiesst Sekunden später zum 1:1 ein.
Es ist der Moment, in dem der Playoff-Final so richtig Fahrt aufnimmt, Lausanne an die Überraschung zu glauben beginnt und die Zürcher kurzzeitig um weitere Einsätze ihres ungemein wichtigen finnischen Olympiasiegers und zweifachen Weltmeisters bangen. Der Verteidiger kehrt aber zurück, und die Lions nehmen die Härte ihres Waadtländer Namensgenossen an. Der eine Löwe hat den anderen gereizt, dieser verteidigt sein Territorium energisch und am Ende in sieben Spielen erfolgreich. Der Gigant wankt, hält aber dagegen und kürt sich gegen einen starken Gegner wie erwartet zum Meister.
Der Blues nach dem letzten Meistertitel
So logisch dieser zehnte Meistertitel für den ZSC ist, so sehr musste er erdauert werden. In den sechs Jahren seit der letzten Krönung kam immer wieder etwas dazwischen. Als Titelverteidiger blamierte man sich und verpasste die Playoffs gleich komplett. Ein Jahr später rehabilitierte man sich mit dem Sieg in der Qualifikation. Dass darauf die Playoffs dem Coronavirus zum Opfer fielen, war Pech. 2021 scheiterte man nach einer gehässigen Serie gegen Lausanne im Halbfinal erschöpft und chancenlos an Servette, 2022 kam der historische Kollaps nach einer 3:0-Führung im Final gegen Zug und damit der verpatzte Abschied aus dem Hallenstadion.
Seither läuft aber vieles wie am Schnürchen. Im Gegensatz zum Fussballstadion, auf das die Zürcher Sportfans nun seit mehr als einem Jahrzehnt warten, wuchs die neue Arena im Altstetter Gewerbegebiet fast ohne Rückschläge in die Höhe. Dadurch sind die sowieso nicht darbenden ZSC Lions wirtschaftlich noch potenter geworden. Der Sportchef Sven Leuenberger konnte aus dem Vollen schöpfen – und das tat er auch sehr erfolgreich.
Königstransfers Malgin und Andrighetto
Die aktuelle Mannschaft liest sich wie ein Allstar-Team der Schweizer Liga. Mit Denis Malgin und Sven Andrighetto kehrten zwei ehemalige eigene Junioren mit viel NHL- und KHL-Erfahrung an die Limmat zurück. Sie sind offensiv das Beste, was die Schweiz ausserhalb der NHL zu bieten hat, sorgen für ein offensives Feuerwerk und verschaffen damit auch den Teamkollegen Freiräume. Aber auch in der Defensive kam mit Dean Kukan und vor allem Yannick Weber NHL-gestählte Verstärkung. Sogar die Ausländer, in der Vergangenheit oft ein Schwachpunkt, sind nun überdurchschnittlich, allen voran der tschechische Goalie Simon Hrubec, der sich selbst vor der Klublegende Ari Sulander nicht zu verstecken braucht.
Selten dürfte die Mischung derart gut gestimmt haben wie in diesem Jahr. Auf der einen Seite die Routiniers und ZSC-Urgesteine, die schon bei den Titelgewinnen 2012, 2014 und 2018 dabei waren und das Meister-Gen seit Langem in sich tragen, auf der anderen Seite die erfahrenen, aber noch titellosen und deshalb besonders hungrigen Malgin und Co. Dass am Ende von den Jungen nur der Vorarlberger Vinzenz Rohrer wirklich durchgestartet ist, lässt sich für den Moment verschmerzen.
Erfolgstrainer an der Bande
Coach Marc Crawford ist dabei ein wichtiger Faktor. Der 63-jährige Kanadier, der 1996 mit den Colorado Avalanche den Stanley Cup und 2014 mit den Zürchern schon einmal den Meistertitel gewann, liess sich im Final von seinem cleveren Landsmann Geoff Ward nicht auscoachen. Er verlor nicht die Nerven und blieb – anders als vor zwei Jahren der ebenfalls hochdekorierte Schwede Rikard Grönborg – auch nach den drei Auswärtsniederlagen im Final immer ruhig. Gerade in den Heimspielen nutzte er die Möglichkeit, die Linien nach seinem Gusto aufs Eis zu schicken, taktisch geschickt. Zuhause waren die ZSC Lions in diesen Playoffs eine Macht. Als erst zweites Team seit dem SC Bern von 2016 blieb man in den gesamten Playoffs in der heimischen Festung ungeschlagen. Die neue Halle ist damit definitiv eingeweiht.
Die Berner waren damals als Achter der Qualifikation in die Entscheidung gestiegen und verfügten nie über den Heimvorteil, mussten also auch auswärts brillieren. Den ZSC Lions waren hingegen schon in der Qualifikation das beste Team und verdienten sich damit auch den letztlich entscheidenden Heimvorteil im Final. Dass man im Final nicht einfach durchmarschierte, macht den Titel noch wertvoller. Zum einen konnte man erstmals seit 2008 den Titelgewinn zuhause feiern, zum andern demonstrierte neben der bekannten spielerischen Klasse auch Nervenstärke und Widerstandskraft.
Für die Konkurrenz sind das schlechte Nachrichten, denn sämtliche Leistungsträger des ZSC haben noch mindestens ein Jahr Vertrag. Auf einen Meisterblues wie 2019 deutet aktuell nichts hin, auch wenn Lausanne eindrücklich zeigte, dass selbst ein Gigant ins Wanken gebracht werden kann.