Die Eishockey-WM in der Slowakei endete für die Schweiz brutal. Die grandiosen «Eisgenossen» führten im Viertelfinal gegen Kanada bis 0,4 Sekunden vor Schluss 2:1 – und verloren 2:3 nach Verlängerung.
Dieses Ausscheiden war noch bitterer als der im Penaltyschiessen verlorene WM-Final gegen Schweden vor einem Jahr in Kopenhagen. Raphael Diaz, der Captain, brachte es auf den Punkt: «Es kommt mir vor wie ‹Versteckte Kamera›». Noch nie fiel in einem Playoff-Spiel an einer Eishockey-Weltmeisterschaft ein derart später Ausgleich. Verteidiger Damon Severson von den New Jersey Devils gelang das späte, äusserst glückhafte 1:1. Für Severson war es der erste WM-Treffer.
Nach Seversons Goal war für die Schweiz noch nichts verloren. Noch immer bot sich die Möglichkeit, in der Overtime oder im Penaltyschiessen das Halbfinalglück zu erzwingen. Die pfeilschnellen Schweizer schienen sogar im Vorteil für die maximal zehnminütige Verlängerung mit nur drei gegen drei Feldspielern. Tatsächlich erspielten sich Lino Martschini und Andres Ambühl in der 62. Minute die erste gute Torchance. Aber den «Canadiens» blieb am Ende das Glück treu: In der 66. Minute gelang Mark Stone, Stürmer der Vegas Golden Knights, das Siegtor zum 3:2. Stone hatte in der 26. Minute schon das erste kanadischen Goal erzielt.
Genoni die tragische Figur
Den Schweizern blieben in Kosice lange Gesichter und viel, viel Frust. Sie wurden für eine grandiose kämpferische Leistung nicht belohnt. Die tragische Figur war am Ende Goalie Leonardo Genoni. Was hatte der Teufelskerl nicht alles gehalten, vor allem im Schlussdrittel (20:6 Torschüsse). Seine 39 Paraden und die Schweizer Uhr für den «Man of the Game» erwiesen sich am Ende aber als wertlos. Und Genoni wird mit sich nicht zufrieden sein. Weitschüsse wie Seversons finalen Schuss in der Schlusssekunde hält er öfter, als dass er sie passieren lässt. Und vor dem ersten kanadischen Treffer verlor Genoni mit einem Pass von hinter dem eigenen Tor zu einem Kanadier die Scheibe.
Den Schweizern klebte nicht nur im Finish das Pech an den Schlittschuhen. Schon nach 48 Sekunden und einem Solo von Nino Niederreiter hätte das Team von Nationalcoach Patrick Fischer führen können. Womöglich rutschte der Puck nach der Parade von Matt Murray sogar über die Torlinie – nur gaben die TV-Bilder darüber keinen definitiven Aufschluss. In der Einstellung von vorne machte es den Anschein, als ob der Puck für einen Augenblick hinter der Linie war. Erhärten liess sich dieser Verdacht aus allen anderen Einstellungen (von oben und von hinten) aber nicht. Und so blieben die Referees beim ursprünglichen Entscheid: kein Tor.
Zwei Powerplay-Tore
Zwischen dieser allerersten Szene im Spiel und den späten kanadischen Goals bekundeten die Schweizer aber auch Glück. Tristan Scherwey holte zwei kanadische Strafen heraus, bei denen sich die Ahornblätter über Scherweys aus ihrer Sicht übertriebene Theatralik enervierten. Beide Strafen nützten die Schweizer zu Powerplay-Toren durch Sven Andrighetto (19.) und Nico Hischier (40.). Zuvor hatten die Schweizer in Überzahl 22-mal hintereinander nicht getroffen.
Nicht nur den Kanadiern gelang ein spätes Tor. Hischiers 2:1, das bis 59:59,6 Minuten vermeintliche Siegestor, fiel 3,8 Sekunden vor der zweiten Pause. Einen Angriff vorher hatte Darnell Nurse für die Kanadier nur den Pfosten getroffen. Und in der 22. Minute flog ein Schuss von Jonathan Marchessault an die Latte.
Gute Perspektiven
«Wenn man nicht gewinnt, kann man sich immer etwas vorwerfen», sagte Simon Moser, gemeinsam mit Roman Josi und Kevin Fiala bester Schweizer Spieler der gesamten WM. Aber die Schweizer machten im Viertelfinal sehr viel richtig und sehr wenig falsch. Die 2:1-Führung vor dem Schlussabschnitt war nicht unverdient. Im dritten Abschnitt kämpften die Schweizer mit grossen Herzen. Sie warfen sich in die Schüsse und in die Zweikämpfe. Sie traten während der gesamten 65 Minuten unerhört diszipliniert auf und kassierten lediglich eine Zweiminutenstrafe. Sie rannten auch mit viel mehr Bedacht vorwärts als in den Spielen gegen Schweden, Russland und Tschechien, als Konter den Weg in die Niederlagen gewiesen hatten.
Die Schweizer dürfen zwar am Samstagnachmittag nicht zum Halbfinal gegen Russland antreten, sie dürfen aber mit hoch erhobenen Köpfen am Freitag in die Schweiz zurück fliegen. Die Perspektiven für das Eishockey-Nationalteam bleiben gut. 16 Akteure waren in der Slowakei mit von der Partie, die im letzten Jahr in Kopenhagen Silber geholt hatten. Fast alle bleiben dabei. Das macht Hoffnung für das Heimturnier vom 8. bis 24. Mai 2020 in Zürich und Lausanne.