Flaschenwurf in Davos Der Buhmann heisst nicht Wohlwend, sondern Stricker

Von Marcel Allemann

11.4.2022

Ein Mann der Emotionen: HCD-Trainer Christian Wohlwend.
Ein Mann der Emotionen: HCD-Trainer Christian Wohlwend.
Bild: Keystone

HCD-Trainer Christian Wohlwend ist durch seinen Flaschenwurf DAS Thema in den Playoff-Halbfinals. Ein Kommentar zu seinem Ausraster.

Von Marcel Allemann

Christian Wohlwend ist eine ehrliche Haut und ein emotionaler Mensch. Und manchmal stolpert er im Fokus der Öffentlichkeit über diese durchaus positiven Eigenschaften. So in diesen Playoffs ein erstes Mal in den Viertelfinals gegen die Lakers, als er nach dem 0:3-Rückstand in der Serie seinen Goalie Sandro Aeschlimann kritisierte.



Eigentlich tut man das nicht. Und schon gar nicht in den Playoffs. Doch Wohlwend hatte einfach keine Lust, dem fragenden Reporter irgendetwas vorzulügen oder irgendwelche Floskeln zu dreschen. Das tun schon andere genug. Deshalb sollten wir dem erfrischenden Wohlwend dankbar sein.

Seine Ehrlichkeit war zwar durchaus ein Tanz auf der Rasierklinge, aber dieser wurde am Ende gar noch belohnt. Aeschlimann brach deswegen nicht zusammen, sondern reagierte mit Topleistungen, stand am Ursprung der Wende der Serie. Und gestand danach im TV-Interview auf Wohlwends Kritik angesprochen, dass dieser absolut recht gehabt habe.

Dieser Ausraster macht Wohlwend zur Legende

Nun stehen wir in den Playoff-Halbfinals und «Wolwo», wie Wohlwend innerhalb der Eishockey-Branche genannt wird, steht schon wieder im Fokus. Und wie. Sein Flaschenwurf macht ihn zur Ausraster-Legende und die Bilder vom Sonntagabend werden ihn für den Rest seiner Trainer-Karriere und auch noch darüber hinaus begleiten.

Klar, was der Engadiner gemacht hat, gehört sich nicht. Er kommt da auch seiner Vorbild-Funktion nicht nach. Wie soll man den Zuschauern klar machen, dass sie nach strittigen Schiedsrichter-Entscheiden keine Gegenstände aufs Eis werfen sollen, wenn es sogar der Chef unten an der Bande tut? Deshalb ist sein Verhalten auch nicht gutzuheissen.

Doch letztlich muss man die Kirche im Dorf lassen. Wohlwend hat in seinem Frust drei Trinkflaschen aus Plastik aufs Eis geworfen und geflucht wie ein Rohrspatz, aber niemandem geschadet, ausser vielleicht seinem eigenen Ansehen. Wie hat doch MySports-Experte Sven Helfenstein so schön gesagt, als er im TV-Studio eine Lanze für Wohlwend brach: «Er ist ja nicht rübergelaufen und hat ihm wie Will Smith eine Ohrfeige gegeben.» 

Die Spieler sollen die Spiele entscheiden – nicht die Schiedsrichter

Mit «ihm» ist Schiedsrichter Daniel Stricker gemeint. Wegen der von ihm gepfiffenen Strafe in der 59. Minute gegen HCD-Spieler Jesse Zgraggen, die letztlich 15 Sekunden vor Schluss des dritten Drittels den 2:1-Siegestreffer des EV Zug nach sich zog, verlor Wohlwend die Contenance. Und das ist nachvollziehbar. 

Der Pfiff von Daniel Stricker sorgt für Unverständnis.
Der Pfiff von Daniel Stricker sorgt für Unverständnis.
Bild: Keystone

Stricker pfiff eine matchentscheidende Strafe für ein Foul, das kein Foul war. Denn Zgraggen liess sich keinen Stockschlag gegen Zug-Goalie Leonardo Genoni zu Schulden kommen, sondern stocherte lediglich leicht nach. Zu wenig für eine Strafe. Stricker, eigentlich einer der besten Schiedsrichter im Land und auch ein international erfahrener Mann, liess da jegliches Fingerspitzengefühl vermissen.

Und wie kann es sein, dass mit Stricker der Schiedsrichter mit der schlechteren Sicht auf die Szenerie zu einem solchen Entscheid hinreissen lässt und diese Strafe pfeift? Und die Beurteilung nicht seinem besser zur Aktion stehende Partner Michael Tscherrig überlässt? Das ist nicht gut. Lasst doch die Spieler die Angelegenheit auf dem Eis entscheiden. Und greift in einer solchen Endphase des Spiels nicht ein – ausser es ist ein glasklares Vergehen.

Wars das – oder ist der HCD nun erst recht geladen? 

Der HC Davos hat nach dem chancenlosen Auftritt in Spiel 1 (0:3) in das zweite Duell am Sonntag enorm viel investiert, um gegen diesen meisterlich aufspielenden EV Zug etwas ausrichten zu können. Die Bündner waren über weite Strecken ebenbürtig und verlieren dann am Ende doch. In Unterzahl. Wegen einer Strafe, die keine war.

Wie bitter für die Davoser. Der Frust von Wohlwend ist daher verständlich und der Buhmann dieser Schlussphase ist eigentlich nicht er, sondern Stricker wegen seinem hektischen Pfiff zur Unzeit.

Halbfinals: Der Stand in den Serien (Best-of 7)

  • EV Zug vs. HC Davos 2:0 (3:0, 2:1)
  • HC Fribourg-Gottéron vs. ZSC Lions 0:2 (2:3, 2:3)

Jetzt dürfen wir gespannt sein, wie es in dieser Serie  weitergeht. Wurde durch diese Strafe nicht nur dieses eine Spiel, sondern womöglich die ganze Serie entschieden, weil der HCD nach dem 0:2-Rückstand unter diesen besonderen Umständen demoralisiert ist? Oder kann Wohlwend durch seinen emotionalen Ausbruch sein Team erst recht abholen, dieses reagiert mit gut kanalisierter Wut und diese Halbfinal-Serie wird nun sogar nochmals so richtig lanciert? Am Dienstagabend wissen wir mehr.

Superprovisorisch für die nächste Partie gesperrt hat die Liga Wohlwend übrigens nicht. Von der National League wurde der Antrag auf ein gewöhnliches, ordentliches Verfahren gestellt.