Unterschätztes Risiko Zecken werden früher aktiv und verbreiten ein neues Virus

uri

23.2.2023

Zecken sind Übeträger verschiedener Krankheiten.
Zecken sind Übeträger verschiedener Krankheiten.
Archivbild: DPA-Zentralbild/PATRICK PLEUL

Die Klimaerwärmung begünstigt die Ausbreitung von Zecken und Krankheiten, die sie verbreiten. Inzwischen übertragen die Parasiten auch in der Schweiz ein neues Virus, das erst vor wenigen Jahren entdeckt wurde. 

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Im Jahr 2017 zeigten Patienten in China nach Zeckenstichen Symptome der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) wie Fieber und Kopfschmerzen. Allerdings konnte die durch Zecken übertragene Viruserkrankung bei diesen Personen nicht nachgewiesen werden. Stattdessen fanden Forschende ein neues Virus, das sie nach dem Ort des ersten Auftretens Alongshan-Virus (ALS) tauften.

Bereits Ende letzten Jahres berichteten Forschende der Universität Zürich, dass das Virus erstmals auch in Zecken in der Schweiz nachgewiesen wurde. «Erstaunt hat uns, dass wir ALS-Viren in den Zeckenproben weit häufiger nachweisen konnten als FSME-Viren», erklärte dazu Cornel Fraefel, Direktor des Virologischen Instituts dazu in einer Mitteilung.

Zudem seien die Symptome bei einer Infektion mit ALS-Viren ähnlich wie bei einer Ansteckung mit FSME-Viren. Deshalb «könnte das Alongshan-Virus bereits relevant sein für die öffentliche Gesundheit in der Schweiz – wenn auch unerkannt», so die Wissenschaftler.

Rasanter Anstieg bei FSME-Fällen

Die Zahl von FSME-Fällen hat sich zuletzt pro Jahr verdoppelt, berichtet die «NZZ». So habe es bis 2016 rund 200 Fälle pro Jahr gegeben. Vier Jahre später waren es bereits 454 Fälle. Ein Grund für den Anstieg sei nicht zuletzt in den milden Wintern zu suchen, denn dann würden die Blutsauger früher aktiv und könnten sich besser verbreiten.

Auch Werner Tischhauser, Projektleiter Schädlingsprävention bei der Stadt Zürich, beobachtet aufgrund der hohen Temperaturen immer häufiger Zeckenstiche in den Wintermonaten – und das sogar in Höhen, wo man die Parasiten nicht vermuten würde, wie er der NZZ sagte.

Durch den Klimawandel haben Zecken mehr Zeit, nach Wirten zu suchen.
Durch den Klimawandel haben Zecken mehr Zeit, nach Wirten zu suchen.
Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild

Es liege dabei auf der Hand, dass das Habitat der Parasiten mit der Klimaerwärmung immer grösser werde. Zudem käme ihnen die an sich sinnvolle Renaturierung in den Städten entgegen.

«Das Risiko, durch eine Zecke gestochen zu werden und an FSME und Borreliose zu erkranken, ist gestiegen», erklärte der Experte. Allerdings sei das der Bevölkerung noch nicht bewusst. Noch weniger wüssten die Leute, dass sie auch im Winter gebissen werden könnten.

Zürcher Forschende entwickeln ALS-Nachweisverfahren

Bei einer Frühsommer-Meningoenzephalitis kommt es nach Informationen des Bundesamts für Gesundheit BAG bei 5 bis 15 Prozent der Erkrankten nach einem beschwerdefreien Zeitraum zu einem Befall des zentralen Nervensystems mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Lichtscheu, Schwindel, Konzentrations- und Gehstörungen, die teils Monate andauern könnten.

Bei einem Teil der Patienten könnten zudem Lähmungen der Arme, Beine oder Gesichtsnerven auftreten und auch zu bleibenden Behinderungen führen. Bei circa 1 Prozent der Fälle mit neurologischen Symptomen führe die Krankheit sogar zum Tod, so das BAG. Bei FSME sei eine ursächliche Behandlung nicht möglich, lediglich die Symptome könnten behandelt werden. Allerdings stehe zur Vorbeugung einer Erkrankung «eine sichere und gut wirksame Impfung zur Verfügung».

Im Falle von ALS besteht bislang indes weder eine Impfung noch ein Nachweisverfahren – die Zürcher Forschenden arbeiten aber bereits an einem serologischen Test, mit dem ALS-Virusinfektionen im Blut von Patienten nachgewiesen werden können soll.