Wie gefährlich ist die Mutation? Neue Corona-Variante – viele Daten, noch mehr Fragezeichen

dpa/tafi

25.12.2020 - 13:22

Es klingt gruselig: Eine neue Corona-Mutation verbreitet sich offenbar recht schnell. Greift sie nach Grossbritannien nun auch auf dem Kontinent um sich? Forscher sind da zurückhaltend – und haben sogar eine gute Nachricht. Ein Überblick.

«Auch das noch», «Das hat uns gerade noch gefehlt» oder schlicht: «Och nö». So oder so ähnlich dürften die Reaktionen auf die Coronavirus-Variante B.1.1.7 ausgefallen sein, die Experten in Grossbritannien registriert haben.

Dass die Variante tatsächlich mit grosser Wahrscheinlichkeit leichter übertragbar ist als bislang kursierende Formen von Sars-CoV-2, ist nun an neuen Daten zu sehen. Doch obwohl die Variante B.1.1.7 hierzulande bereits angekommen ist, ist es verfrüht, Alarm zu schlagen.

«Ich glaube nicht, dass wir da bald ein grösseres Problem kriegen», sagte etwa der Berliner Virologe Christian Drosten der Deutschen Presse-Agentur. «Bei den aktuellen Beschränkungen dürfte diese Variante hierzulande eher schwer Fuss fassen.» Darauf deuteten Daten hin, die die Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) veröffentlicht hat.

Kontaktbeschränkungen helfen

Dem Papier zufolge verbreite sich B.1.1.7. überall dort besonders schnell, wo unzureichende Beschränkungen zu einem Anstieg der Infektionszahlen führen, sagte Drosten. In Gegenden in Grossbritannien aber, in denen wirksame Massnahmen gelten, sei auch die neue Variante weitgehend unter Kontrolle. Die Folgerung: Eine Beschränkung der Kontakte, wie sie in vielen Kantonen gilt, dürfte der Variante wenig Chance auf Verbreitung lassen.



Bislang gebe es keine Hinweise darauf, dass die neue Variante einen Einfluss auf die Krankheitsschwere hat, ergänzte Drosten. «Das ist ganz wichtig für die Bevölkerung, die sich jetzt Sorgen macht.»

Zudem gebe es keine Anzeichen für einen verminderten Impfschutz durch B.1.1.7. Auch der Chef des Impfstoffherstellers Biontech, Ugur Sahin, hatte bekräftigt, dass sein Präparat sehr wahrscheinlich auch gegen die neue Variante wirke.

Alle Viren ändern sich

Die Weltgesundheitsorganisation WHO wies darauf hin, dass sich alle Viren mit der Zeit verändern. Dabei brächten die meisten dieser Mutationen dem Erreger keine direkten Vorteile, manchmal seien sie sogar hinderlich. Um die Auswirkungen einer spezifischen Mutation zu verstehen, seien aufwendige und zeitintensive Untersuchungen nötig.

PHE-Experten hatten am Montag ein Forschungspapier veröffentlicht, demzufolge B.1.1.7. sehr wahrscheinlich leichter übertragbar ist als andere Varianten. Dafür werteten sie Daten aus verschiedenen Regionen aus. Aus den PHE-Modellrechnungen könne man ableiten, dass die Reproduktionszahl – also die Zahl der Menschen, die ein Infizierter im Schnitt ansteckt – bei der neuen Variante je nach Ort um etwa 30 bis 40 Prozent erhöht ist, sagte Drosten. «Das ist erheblich.» Allerdings seien die Schätzungen unscharf und mit Vorsicht zu geniessen.

Das PHE-Papier hatte Drosten auf Twitter zunächst mit dem Satz «Das sieht leider nicht gut aus» kommentiert, was für Wirbel sorgte. Später erläuterte er, dass er damit nur einen Aspekt gemeint habe. «Um Spekulationen ein Ende zu bereiten: dies bezog sich allein auf den jetzt deutlicheren Beleg der verstärkten Verbreitung der Mutante», schrieb er ebenfalls auf Twitter.

Die Bedeutung der Variante für das Infektionsgeschehen sei noch nicht endgültig einzuschätzen, sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts. Dies werde genau beobachtet, es seien noch viele Fragen offen. Generell sei klar: Je mehr sich ein Virus verbreite, desto mehr Gelegenheit habe es, sich zu verändern.

Neue Variante könnte harmloser sein

Die neue Variante des Virus ist durch etwa 20 Mutationen in ihrem Erbgut charakterisiert. Die Mutation mit der Bezeichnung N501Y dürfte es leichter machen, in menschliche Zellen einzudringen und eine Infektion zu verursachen. Allerdings ist laut Drosten unklar, was der Variante den entscheidenden Vorteil bringt.

So sei denkbar, dass man bei B.1.1.7. weniger Viren ausgesetzt sein muss, um ansteckend zu werden. Es sei aber auch möglich, dass die Variante dafür sorgt, dass ein Infizierter mehr Viren im Rachen hat und dadurch ansteckender ist.

Positiv zu werten sei, dass der neuen Variante ein bestimmtes Gen fehle, dass eigentlich die Krankheitsschwere verstärkt, sagte Drosten. «Das ist die gute Nachricht.» Es könnte also durchaus sein, dass B.1.1.7. harmloser ist. Möglicherweise sei das auch ein Grund für die schnellere Verbreitung, sagte Drosten. Denn Menschen ohne oder mit nur leichten Symptomen isolieren sich eher nicht und können dadurch vermehrt andere anstecken.

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dpa/tafi