Meteorologe zum Wintereinbruch«Die Kaltluft ist über Mitteleuropa gefangen»
Philipp Dahm
18.4.2024
Schnee bis in tiefe Lagen +++ April macht weiter, was er will
Eine Kaltfront bläst von Norden her Polarluft in die Schweiz, die die Temperaturen stürzen lässt: Ab 500 bis 800 Meter schneit es sogar.
18.04.2024
Schnee im April? Das ist gar nicht das Ungewöhnliche an diesem Monat, erklärt «MeteoNews»-Experte Klaus Marquardt. Auch Frost, Winterreifen und wie es wettertechnisch weitergeht, sind Thema.
Philipp Dahm
18.04.2024, 13:39
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Schnee im April ist nichts Ungewöhnliches: Aussergewöhnlich war aber, dass die erste Aprilhälfte so warm war, erklärt MeteoNews-Experte Klaus Marquardt.
Der Meteorologe prophezeit: «In den tiefen Lagen überlebt der Schnee keinen ganzen Tag.»
Die Temperaturen werden laut dem Experten auch den Rest des Monats unterdurchschnittlich bleiben.
Landwirte und Bäuerinnen aufgepasst: «Die Frostgefahr schwebt wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen.»
Marquardt zum Thema Pneu-Wechsel: «Man kann nicht sagen, es gibt ein Datum, ab dem es garantiert nicht mehr schneit.»
Erst sommerliche Wochenenden, dann Schnee bis in tiefe Lagen: blue News hat bei Meteorologe Klaus Marquardt von MeteoNews nachgehakt, was es damit auf sich hat.
Schnee im April – das ist gar nicht so ungewöhnlich, oder?
Nein. Es gibt ihn nicht in jedem Jahr, aber das kommt vor. Es ist jetzt halt die kühlere Variante des Aprilwetters. Aussergewöhnlich ist der Kontrast zur sehr warmen ersten Aprilhälfte, bei der es bei frühsommerlichem Wetter-Charakter zum Teil Temperatur-Rekorde gab. Jetzt ist es wieder ganz anders: «April, April, der macht, was er will.»
Sieht man als Meteorologe oft so einen Wetterwechsel von sommerlich auf winterlich?
Sowas sieht man allgemein schon. Im Speziellen kann das aber kaum einer gesehen haben, weil niemand Anfang April solche warmen Luftmassen erlebt hat. Winter würde ich das, was jetzt herrscht, aber nicht nennen.
Sondern?
Das ist kühles Aprilwetter, da kann es schon mal schneien, da kann die Landschaft in tiefen Lagen auch schon mal angezuckert sein. Aber jetzt bildet sich keine dauerhafte Schneedecke mehr. In den tiefen Lagen überlebt der Schnee keinen ganzen Tag: Spätestens am Nachmittag wird das Weiss wieder weg sein.
Wie bewerten Sie denn das Wetter der ersten Aprilhälfte?
Wir waren am Anfang des Monats wesentlich über dem Durchschnitt: Schweizweit war es fünf Grad zu warm. Jetzt sind es nur noch knapp vier Grad: Der grosse Überschuss geht nun peu à peu zurück. Vielleicht gleicht es sich bis Monatsende wieder aus. Vielleicht ist es am Schluss trotzdem noch zu warm. Es hängt davon ab, wie lange es noch so geht.
Und wie lange könnte das sein?
Wenn man sich die Modelle anschaut, bleibt das Temperaturniveau bis Monatsende unterdurchschnittlich im Vergleich zu dem, was normal wäre. Aber durch die erste Hälfte haben wir bei der Temperatur auch einen enormen Vorsprung.
Was ist typisches Aprilwetter?
Temperaturen von zehn Grad oder auch nur im einstelligen Bereich hat es in den letzten Jahren immer wieder gegeben – im letzten Jahr, im vorletzten und dem davor auch. In der letzten Dekade gab es aber auch einige Aprilmonate, die mit dauernden 20 Grad ultra-warm waren. Der Monat hat halt eine grosse Bandbreite.
Hat die aktuelle Kälte Folgen für die Landwirtschaft?
Die Frostgefahr schwebt wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen. Die Luftmasse wäre eigentlich kalt genug: Das Einzige, was verhindert, dass es nachts sehr kalt wird, ist einerseits die häufige Bewölkung und andererseits der häufige Wind. Auch heute waren die Temperaturen in den tiefen Lagen knapp positiv, als es geschneit hat.
Und der Frost?
In der kommenden Nacht lockert es auf. Gebietsweise wird es da im westlichen und zentralen Mittelland wohl schon Frost mit minus ein Grad geben, aber nicht allzu viel, weil der Wind auffrischt. Die gefährlichste Nacht ist die auf den Montag. Da könnte es verbreitet auflockern. Wie stark es abkühlt, hängt aber von vielen Faktoren ab.
Minus ein Grad ist für die Landwirtschaft ein Problem?
Weinreben sind da ziemlich empfindlich, aber Obstbäume halten das schon aus. Erdbeeren kann man abdecken.
Wie verhält es sich mit der Schneefallgrenze?
Sie lag heute Morgen bei 500 Metern und steigt am Tag auf 800 bis 900 Meter an. Wenn in Luzern oder Zürich sich zwischenzeitlich die Sonne zeigt, dauert es nicht lang, bis das Angezuckerte wieder weg ist.
Ist es eine schlechte Idee, im April schon auf Sommer-Pneus zu wechseln?
Ursprünglich gilt ja: «O bis O» – von Oktober bis Ostern. Ostern war jetzt jedoch relativ früh. Nur weil jetzt Dächer angezuckert sind oder auf dem Autodach fingerbreit Schneematsch liegt, sind die Strassen ja meistens trotzdem schwarz. Es kommt halt drauf an, was man tut – ob man in die Höhe fährt. Wenn ich in den Bergen lebe, habe ich die Winterreifen noch drauf. Das muss jeder selbst wissen. Es gibt kein Vollkasko: Man kann nicht sagen, es gibt ein Datum, ab dem es garantiert nicht mehr schneit. Die Wahrscheinlichkeit nimmt jetzt von Woche zu Woche ab: Anfang April ist es viel wahrscheinlicher als am Ende des Monats.
Und die Temperaturen bleiben unterdurchschnittlich?
Das Niveau steigt in der nächsten Woche tendenziell nur leicht an. Die Wetterlage ist relativ eingefahren. Die Kaltluft ist über Mitteleuropa gefangen. Das Hoch über den Britischen Inseln im Atlantik bleibt und blockiert, weshalb wir keine West- oder Südwest-Winde haben, die die Kaltluft wegblasen.