Umstrittener Plan Kommt der Immunitätsausweis für das Coronavirus?

tsha

4.5.2020

Corona-Test in Yverdon-les-Bains: Wer einmal infiziert war, könnte anschliessend immun gegen das Virus sein, so die Hoffnung vieler Wissenschaftler.
Corona-Test in Yverdon-les-Bains: Wer einmal infiziert war, könnte anschliessend immun gegen das Virus sein, so die Hoffnung vieler Wissenschaftler.
Bild: Keystone

Ein Dokument, das viele Probleme lösen könnte: Auch in der Schweiz wird über einen Immunitätsnachweis diskutiert.

Führen wir demnächst einen Immunitätsausweis mit uns, sobald wir das Haus verlassen? Ein Dokument, das anzeigt, ob jemand immun gegen das Coronavirus ist, könnte das öffentliche Leben in der Schweiz deutlich erleichtern. Wer sicher sein kann, dass er sich weder erneut infizieren noch andere anstecken kann, könnte mit Erleichterungen rechnen, etwa von einer Pflicht zum Tragen von Gesichtsmasken ausgenommen werden. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, arbeitet Idris Guessous, Chefarzt der Poliklinik am Universitätsspital Genf (HUG), an einem entsprechenden Projekt.

Demnach will Guessous den Umgang mit Informationen zur Immunität untersuchen – auch ein möglicher Immunitätsausweis soll dabei eine Rolle spielen. Dabei arbeite er mit zwei Schweizer Firmen zusammen, die auf die Herstellung von Banknoten beziehungsweise auf die Verschlüsselung mittels Blockchain-Technologie spezialisiert sind. Die Idee: Ein Dokument auf Papier oder in digitaler Form, das einen nicht manipulierbaren QR-Code beinhaltet. Dieser dient als Ausweis der Immunität.

International wird ein derartiger Nachweis bereits seit einiger Zeit diskutiert – mit durchaus kontroversen Ergebnissen. So lehnt die Weltgesundheitsorganisation WHO derzeit einen Immunitätsausweis ab. Denn noch sei gar nicht sicher, dass Menschen, die einmal mit dem Coronavirus infiziert waren, auch tatsächlich eine Immunität dagegen erworben haben. «An diesem Punkt der Pandemie gibt es keine ausreichenden Belege dafür, dass eine durch eine Antikörperbildung erlangte Immunität effektiv genug ist, um die Genauigkeit eines ‹Immunitätspasses› zu garantieren», so die WHO. Man müsse noch weiter untersuchen, ob Antikörpertests zuverlässig seien; die Gefahr, sich in falscher Sicherheit zu wiegen, sei noch zu gross.

Problem Diskriminierung

Brigitte Meier, Leiterin Sektion Forschung am Menschen beim Bundesamt für Gesundheit, erwartet erst für den Herbst verlässliche Aussagen zur Corona-Immunität von Menschen, die an Covid-19 erkrankt waren. Sollte ein Impfstoff gegen das Virus zur Verfügung stehen, wäre ein Nachweis der dadurch gewonnenen Immunität aber durchaus sinnvoll, sagte sie dem «Tages-Anzeiger». Dann müsse das öffentliche Leben auch bei steigenden Fallzahlen nicht erneut so stark eingeschränkt werden.

Neben den medizinischen Fragen wirft ein Immunitätsausweis auch ethische Probleme auf, etwa die Frage des Datenschutzes. Laut Philippe Gillet, wissenschaftlicher Leiter der an dem Projekt von Idris Guessous beteiligten Firma Sicpa, ist das allerdings kein Problem: «Dank unseres QR-Codes und der Blockchain-Technologie können wir die Integrität und den Schutz privater Daten garantieren», sagte er dem «Tages-Anzeiger».

Die Science Taskforce des Bundes gibt ausserdem zu bedenken, dass ein Immunitätsnachweis all jene Menschen diskriminieren würde, die nicht immun seien. Ihnen würden eventuelle Sonderrechte nicht gewährt werden. Und dann ist da noch das Problem der sogenannten Corona-Partys: Zu befürchten ist, dass sich Menschen absichtlich anstecken, um zu erkranken und anschliessend in den Besitz eines Corona-Freifahrtscheins zu kommen.

Auch in Deutschland diskutiert man ähnliche Fragestellungen. Dessen ungeachtet plant die dortige Bundesregierung, einen Immunitätsausweis einzuführen. Allerdings erst dann, wenn wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen sei, dass eine Infektion auch wirklich zu einer Immunität führt. Es böte sich so eine grosse «Chance» im Umgang mit der Pandemie, glaubt der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn.

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