Heinsberg-StudieMöglicherweise 1,8 Millionen Infizierte in Deutschland
dpa
4.5.2020
Der Virologe Hendrik Streeck hat in dem kleinen Ort Gangelt die Verbreitung des Coronavirus untersucht. Auf dieser Grundlage nimmt er jetzt eine Schätzung für ganz Deutschland vor – was umstritten ist.
In Deutschland könnten sich nach Ergebnissen der sogenannten Heinsberg-Studie mittlerweile möglicherweise 1,8 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert haben. Dies ergebe eine Schätzung auf der Grundlage einer Modellrechnung, teilte die Universität Bonn am Montag mit.
Ein führender Epidemiologe äusserte sich zurückhaltend. Die Forscher um den Virologen Hendrik Streeck zogen für ihre Schätzung die Dunkelziffer der Infizierten in der untersuchten Gemeinde Gangelt im Kreis Heinsberg und die dort errechnete Sterblichkeitsrate bei einer Corona-Infektion heran. Die Forscher gehen davon aus, dass in Gangelt 0,37 Prozent der Infizierten gestorben sind. Allerdings flossen in die Berechnung der Sterblichkeitsrate nur sieben Todesfälle ein.
Warnung vor Übertragung auf ganz Deutschland
Aus diesen Daten errechneten sie eine theoretische Zahl für Deutschland. Das funktioniert im Prinzip so: Die Forscher gehen davon aus, dass in ganz Deutschland die Sterblichkeit in etwa gleich ist. Wenn also bekannt ist, wieviele Infizierte auf einen Toten kommen, kann man von der Zahl der Verstorbenen, die das RKI mit mehr als 6500 angibt, auf die Zahl der tatsächlich Infizierten – auch der nicht erfassten – schliessen.
«Das muss man natürlich immer ein bisschen mit Vorsicht geniessen, es ist eine Schätzung», sagte Streeck dazu der Deutschen Presse-Agentur. Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, warnte in einer Videokonferenz mit Journalisten davor, die Zahlen aus Gangelt auf ganz Deutschland zu übertragen. «Ich bin da doch eher zurückhaltend», sagte er.
Man könne zum Beispiel argumentieren, dass der Anteil der Corona-Toten in Gangelt ungewöhnlich niedrig sei. Es sei denkbar, dass die Ausbreitung des Virus in Seniorenheimen – wie man sie in den vergangenen Wochen beobachtet habe – in der Studie noch nicht abgebildet werde. In der Modellrechnung falle aufgrund der kleinen Grösse der Gemeinde zudem ein einzelner Todesfall mehr oder weniger stark ins Gewicht. Insgesamt bezeichnete Krause die Daten der Studie allerdings als «sehr überzeugend».
Epizentrum des Virus in Deutschland
Ein Forscher-Team um Streeck hatte in Gangelt an der niederländischen Grenze 919 Einwohner in 405 Haushalten befragt und Corona-Tests vorgenommen. In dem Ort hatten sich nach einer Karnevalssitzung Mitte Februar viele Bürger mit dem neuartigen Virus infiziert. Die Gemeinde gilt daher als Epizentrum des Virus. Die Situation ist nur bedingt vergleichbar mit anderen Regionen Deutschlands – etwa ist die Zahl der Infizierten höher. Darauf weisen die Forscher in ihrer Studie auch hin. In die Berechnung der Sterblichkeitsrate flossen sieben Todesfälle ein. In der Stichprobe waren Kinder etwas unter-, ältere Menschen etwas überrepräsentiert.
Das Setting der Studie hatte – neben der Öffentlichkeitsarbeit durch die Berliner Agentur Storymachine – für Kritik gesorgt. Die Studie war im Auftrag der NRW-Landesregierung entstanden. Die Landesregierung wollte sich zu der Studie am Montag zunächst noch nicht äussern.
Im Zentrum der Studie stand laut Uni Bonn die Sterblichkeitsrate (IFR), die den Anteil der Todesfälle unter den Infizierten angibt. Laut der Studie waren in Gangelt 15 Prozent der Menschen infiziert – die Infektionssterblichkeit liege bei 0,37 Prozent. Diese Sterblichkeitsrate könne man «als Schätzwert benutzen, um das auf Deutschland hochzurechnen», sagte Streeck der dpa.
Teilnehmer an Karnevalssitzung hatten häufig Symptome
«Um Modellrechnungen zu machen, wie sich das Virus in der Bevölkerung auswirkt, brauchen wir Kenngrössen, um die Modelle zu verbessern», führte Streeck aus. Bisher sei man von einem Spektrum von 0,2 bis 1,5 Prozent Sterblichkeitsrate ausgegangen, die Weltgesundheitsorganisation WHO habe sogar von 3,4 Prozent gesprochen. «Diese Spannbreite können wir durch diese Studie jetzt verringern auf einen sehr viel kleineren Fehlerbereich.»
Den Ergebnissen zufolge zeigten in Gangelt 22 Prozent der Infizierten «gar keine Symptome». Sie wussten bis zum Test teilweise nicht, dass sie überhaupt krank waren. Martin Exner, Leiter des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit und Co-Autor der Studie, sagte laut Mitteilung: «Jeder vermeintlich Gesunde, der uns begegnet, kann unwissentlich das Virus tragen. Das müssen wir uns bewusst machen und uns auch so verhalten.» Dies bestätige die Wichtigkeit der allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln in der Corona-Pandemie.
Ein weiterer Punkt, der für die Praxis interessant sein könnte, sei die starke Verbindung mit der Karnevalssitzung, sagte Streeck. Auffallend war, dass Personen häufiger Corona-Symptome hatten, die an der Karnevalssitzung teilgenommen hatten. Im Raum steht daher die Frage, ob körperliche Nähe zu anderen Feiernden und eine erhöhte Tröpfchenbildung durch lautes Sprechen und Singen zu einem stärkeren Krankheitsverlauf beigetragen haben. Dazu plane man weitere Untersuchungen, erklärte Gunther Hartmann, Co-Autor der Studie und Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie an der Uni Bonn.
Evakuierungsaktion bei der Seilbahn Lungern-Turren in Lungern im Kanton Obwalden: Wegen einer technischen Panne mussten rund 27 Personen mit dem Helikopter gerettet werden.
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Zu zweit durch dick und dünn – und durch heiss und eiskalt: Dieses Liebespaar sprang am Valentinstag in Hamburg ins kalte Wasser.
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Banger Blick zum Horizont: Ein freiwilliger Helfer benutzt sein Walkie-Talkie, während er den Vulkan Mount Merapi während einer Eruption überwacht. Der Vulkan, der als einer der gefährlichsten der Welt gilt, ist erneut ausgebrochen und spukte mehrere Stunden glühende Asche und Gestein. (27.1.2021)
Bild: Slamet Riyadi/AP/dpa
Stausee verkommt zu «fliessenden Müllhalde: Ein Mann geht an Tonnen von Müll vorbei, die am Fusse des Wasserkraftwerks am Potpecko-Stausee in Serbien schwimmen. Vor allem Plastikabfälle gelangen durch Nebenflüsse in den Stausee und sammeln sich hier an. Eine serbische Zeitung schrieb bereits von einer «fliessenden Müllhalde». (26.1.2021)
Bild: Darko Vojinovic/AP/dpa
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Bild: Daniel Bockwoldt/dpa
Nasskaltes Ende: Zwischen Frauenfeld und Matzingen ist eine 33-jährige Wagenlenkerin bei Glatteis von der Strasse abgekommen und im Murgkanal gelandet. Die Frau wurde mit leichten Verletzungen ins Spital gebracht. (26.1.2021)
Bild: Kapo TG
Opfer der Zerstörungswut: Ein Mann räumt in einem Fast-Food-Restaurant in Rotterdam auf. Die Niederlande sind erneut von sogenannten Corona-Krawallen erfasst worden. Hunderte gewaltbereite Jugendliche hatten nach Polizeiangaben in mehreren Städten randaliert und dabei auch die Polizei angegriffen. (25.1.2021)
Bild: Peter Dejong/AP/dpa
Auf den Hund gekommen: Vierbeiner der Indian Railway Protection Force zeigen anlässlich des indischen Nationalfeiertags ihre Kunststückchen.
Bild: KEYSTONE
Galionsfigur mit Kettensäge: Im ungarischen Szilvásvárad streckt sich ein Feuerwehrmann auf dem Dach eines Zugs, um einen Ast abzusägen, der unter der Schneelast heruntergebrochen ist und die Bahnstrecke blockiert. (25.1.2021)
Bild: Keystone
Und sie tun es immer noch: In Rio De Janeiro tummeln sich grosse Menschenmengen auf engem Raum am Strand von Ipanema in Rio de Janeiro. Und das obwohl Brasilien nach wie vor sehr hohe Corona-Fallzahlen hat.
Bild: Bruna Prado/AP/dpa
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Bild: Brenton Edwards/ADELAIDE ADVERTISER/AAP/dpa
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