Das Buch "Rendezvous der Fabelwesen" ist eine Spurensuche nach den wundersamen Geschöpfen, eine Reise zwischen Mythos und Realität.
Dieses berühmte Foto soll angeblich das Ungeheuer von Loch Ness zeigen. Veröffentlicht wurde es erstmals 1934 in der Londoner "Daily Mail".
Der Basilisk ist ein Mischwesen aus Hahn, Schlange und Drache. (Abbildung aus: Friedrich Justin Bertuch, Bilderbuch für Kinder, 1. Bd., Weimar)
Eine Spurensuche nach wunderlichen und fabelhaften Kreaturen - Gallery
Das Buch "Rendezvous der Fabelwesen" ist eine Spurensuche nach den wundersamen Geschöpfen, eine Reise zwischen Mythos und Realität.
Dieses berühmte Foto soll angeblich das Ungeheuer von Loch Ness zeigen. Veröffentlicht wurde es erstmals 1934 in der Londoner "Daily Mail".
Der Basilisk ist ein Mischwesen aus Hahn, Schlange und Drache. (Abbildung aus: Friedrich Justin Bertuch, Bilderbuch für Kinder, 1. Bd., Weimar)
Drachen, Einhörner, Greife und andere Wunderwesen: Seit der Antike bis heute ziehen diese mystischen Kreaturen die Menschheit in ihren Bann. Wieso dem so ist und was das im weitesten Sinne mit Verschwörungsideologien gemein hat, erzählt der Biologe Heinz-Ulrich Reyer.
Einhörner zählen wohl zu den bekanntesten Fabelwesen. Seit der Antike bis in unsere Zeit gibt es Augenzeugenberichte über sie. Die ältesten schriftlichen Zeugnisse stammen vom griechischen Geschichtsschreiber und Arzt Ktesias aus dem 4. Jahrhundert vor Christus, der sich vermutlich bereits auf noch ältere indische und chinesische Quellen stützte. Schon er berichtete, dass das Horn dieses mystischen Geschöpfs Gift neutralisiere.
Dieses Heilsversprechen zogen sich durch die Geschichte – im Spätmittelalter war der Preis für «Einhörner» fast zwanzigmal so hoch wie der von Gold. Scharlatane wussten dies zu nutzen und verkauften Narwal-Zähne zu horrenden Preisen. Tatsächlich wurde bis ins 19. Jahrhundert Pulver vom angeblichen Einhorn in der medizinischen Literatur erwähnt.
Bilderreiche Zeitreise
Das Einhorn ist nur ein Beispiel von Fabelwesen, die den Menschen bis heute in ihren Bann ziehen. «Genau wie unsere Vorfahren vor Hunderten und Tausenden von Jahren brauchen wir sie heute noch als Verkörperung von Gefahr und von Dingen, die wir nicht verstehen, sowie als Projektionsfläche für Ängste, Aggressionen, Hass, Frustrationen und Träume», schreibt der Biologe Heinz-Ulrich Reyer, emeritierter Professor für Zoologie an der Universität Zürich in seinem bilderreichen Werk «Rendezvous der Fabelwesen».
In einer Zeitreise begibt er sich auf die Suche nach den ersten Berichten über Fabelwesen, fragt, ob diese Kreaturen auf real existierende, aber falsch übermittelte Tiere zurückgehen, ob sie blosse Hirngespinste sind, oder ob wir die mystischen Geschöpfe lediglich noch nicht entdeckt haben.
Das wunderliche Schnabeltier
Denn das Beispiel des Schnabeltiers zeigt, dass sich die Fachwelt irren kann. Das Schnabeltier ist ein eierlegendes Säugetier aus Australien. Es sieht wahrlich wunderlich aus, wie ein Biber mit Entenschnabel.
Als am Ende des 18. Jahrhunderts die ersten Europäer Präparate von Schnabeltieren in die Heimat schickten, hielt man sie dort aber für Fälschungen. Da hat wohl jemand einen Entenschnabel an den Körper eines Bibers genäht, so der Tenor damals. Es dauerte hundert Jahre, bis die Wissenschaft nicht nur die Existenz, sondern auch das Eierlegen des Schnabeltiers anerkannte.
Die erfolglose Suche nach Nessie
Bei anderen Fabelwesen hingegen sucht die Welt noch nach eindeutigen Belegen für deren Existenz, trotz teils enorm aufwendigen Expeditionen, die Yetis, Bigfoots oder sogar Drachen in Gestalt von überlebenden Sauriern nach Hause bringen wollten. Erfolglos blieb bislang auch die Suche nach Reyers Lieblings-Fabelwesen: Nessie. Das Seeungeheuer im schottischen Loch Ness wollen bis heute Tausende, ja gar Zehntausende Menschen aus allen Teilen der Welt gesehen haben.
Der Legende nach wurde das Seeungeheuer erstmals am 22. August des Jahres 565 gesehen. Brüllend und mit weit aufgerissenen Mund soll das Monster einen Mann mit dem Namen Lugne Mocumin zugeschossen sein, wurde aber von einem frommen irischen Mönch mit dem Kreuzeszeichen vertrieben.
Parallele zu Verschwörungsideologien
Später weckte Nessie auch die Neugierde der Wissenschaft. Renommierte Forschende, unter anderem der Universitäten Cambridge, Oxford und Harvard, suchten mit ausgeklügelten Methoden nach dem geheimnisvollen Wesen im Loch Ness. Bisher erfolglos. Augenzeugenberichte gibt es aber immer noch.
«Genau deshalb zeigt Nessie so exemplarisch die Irrationalität des Menschen auf», sagt Reyer im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Der Glaube an die Existenz des Geschöpfs sei so stark, dass es für viele einfach real sein müsse. «Man sucht nach einer einfachen Erklärung für etwas, das man sich nicht erklären kann. Das ist das gleiche Muster, nach dem auch Verschwörungsideologien funktionieren.»
Fragwürdige Kryptozoologie
Es sind aber nicht nur Laien, sondern auch manche Forscher, sogenannte Kryptozoologen, die nach wie vor fest von der Existenz von Nessie und Co. überzeugt sind, wie Reyer in seinem Buch darlegt. Doch: «Das sind keine seriösen Wissenschaftler», betont er. «Denn Kryptozoologen missachten die bewährte, wissenschaftliche Herangehensweise, wonach Dinge falsifizierbar sein müssen.»
Viele Kryptozoologen behaupten aber, es gebe diese Fabelwesen, man habe sie nur noch nicht gefunden. Und diese Hypothese lässt sich schlicht nicht widerlegen. Wie in der seriösen Forschung anerkannt, geht Reyer daher den anderen Weg: «Meine Hypothese ist, dass es Einhörner, Drachen, Yetis und andere Fabelwesen nicht gibt – bis ihre Entdeckung den Gegenbeweis erbringt.»
Viele noch unentdeckte Tiere
Dass sich auf der Erde unentdeckte Geschöpfe tummeln könnten, die man heute als Fabelwesen bezeichnen würde, ist tatsächlich eine nachvollziehbare Annahme: Die weltweite Gesamtzahl der Tierarten wird auf sieben bis zehn Millionen geschätzt. Davon kennt man höchstens 15 Prozent. Ob sich unter den restlichen ein reales Wunderwesen befindet? «Mit stichhaltigen Beweisen lasse ich mich gerne davon überzeugen – es wäre natürlich eine Sensation», sagt Reyer.
Heinz-Ulrich Reyer ist Biologe und war von 1988 bis 2012 Professor für Zoologie an der Universität Zürich. Er beschäftigte sich insbesondere mit sogenannten Hybriden. Das sind Tiere, die aus der Kreuzung von zwei Arten hervorgegangen sind. Sein Buch «Rendezvous der Fabelwesen» erschien im wbg Theiss-Verlag.
stsc, sda