Mega-Verteilzentrum zu grossMigros setzt mit Alleingängen hunderte Millionen in den Sand
Sven Ziegler
30.1.2025
Das Migros-Zentrum Schönbühl ist viel zu gross.
Migros
Eine neue Recherche zeigt, wie die Migros hunderte Millionen Franken verliert. Es geht um ineffiziente Strukturen und fragwürdige Managemententscheidungen.
Die Migros steckt mitten in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Während das Unternehmen sein 100-jähriges Bestehen feiert, stehen in der gesamten Organisation massive Einschnitte bevor. Die Konkurrenz von Aldi, Lidl und Onlinehändlern setzt die MIgros unter Druck, aber auch interne Fehler spielen eine grosse Rolle.
Ein besonders kostspieliges Beispiel für das Missmanagement ist die «Logistikplattform 2030» in Aare, ein Vorzeigeprojekt, das sich als milliardenschwerer Fehlgriff entpuppt hat, wie «SRF» berichtet.
Der frühere Aare-Chef Anton Gäumann habe ein gigantisches Verteilzentrum gebaut, ohne die betroffenen Genossenschaften vorab einzubinden, berichten Insider. Die Genossenschaften Basel und Neuenburg/Fribourg, auf deren Zusammenarbeit spekuliert wurde, lehnten eine Beteiligung ab. Ergebnis: Ein Drittel der Anlage steht ungenutzt leer.
«Es ist nicht alles ideal gelaufen», gesteht Guido Rast, Chef der Migros Luzern und Verwaltungsratspräsident der neuen Supermarkt AG. Dennoch mussten die gesamten zehn Migros-Genossenschaften und deren Tochterunternehmen für den Fehlentscheid einstehen – mit einem Verlust von 100 Millionen Franken.
Das Problem mit den Regionalfürsten
Die Migros ist kein klassischer Konzern, sondern ein kompliziertes Geflecht aus zehn autonomen Genossenschaften, die sich oft gegenseitig blockieren. Jede Genossenschaft besitzt eigene Abteilungen für Finanzen, Marketing und Personal – eine teure Mehrspurigkeit, die jährlich bis zu 300 Millionen Franken kostet. Erst mit der 2024 gegründeten Supermarkt AG soll der Einkauf zentralisiert werden, um Kosten zu sparen.
Doch die Regionalfürsten, wie die Genossenschaftschefs spöttisch genannt werden, kontrollieren die neue Einkaufsorganisation mit. «Wir wollen uns nicht mit Coop vergleichen», erklärt Rast, «aber wir müssen enger zusammenarbeiten.» Eine komplette Fusion wie bei Coop sei jedoch nicht geplant.
Auch die Fachmärkte von Migros stehen vor einer Abwicklung. Jahrelang kaufte der Migros-Genossenschafts-Bund für M-Electronics, SportX und Co. die Ware ein – und garantierte den Genossenschaften eine fixe Marge, selbst wenn Produkte nicht verkauft wurden. «Eine Vollkasko-Mentalität, die nicht tragbar war», kritisieren ehemalige MGB-Kader gegenüber SRF. Die Folge: 2023 machten die Fachmärkte 100 Millionen Franken Verlust und werden nun verkauft. M-Electronics wird zu Mediamarkt, SportX zu Ochsner Sport.
Ein weiteres Desaster waren die gescheiterten Expansionspläne der Migros-Industrie im Ausland. Die Kosmetiktochter Mibelle, das Joint Venture in Indien und das Abenteuer in den USA haben Millionenverluste verursacht. Besonders der Kauf der US-Firma «Sweetworks» erwies sich als Fehlinvestition: Nach Jahren der Fehlplanung und eines unprofitablen Betriebs wurden 2023 160 Mitarbeitende entlassen. «Niemand in der Schweiz hat das grosse Ganze gesehen», klagt ein ehemaliger Manager.
Nach Jahren der Verzettelung müssen sich die Genossenschaften nun neu organisieren. Entweder sie reduzieren Doppelstrukturen und sparen effizient Kosten, oder das historisch gewachsene System der dezentralen Genossenschaften gerät in Gefahr. «Wir haben jetzt eine andere Struktur», so Guido Rast. Doch ob die neue Supermarkt AG wirklich die erhofften Einsparungen bringt, bleibt abzuwarten. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob sich das traditionsreiche Unternehmen neu erfinden kann – oder an seinem eigenen System scheitert.