Über 140’000 Franken Jahresgehalt Venedig sucht dringend neue Gondolieri

Philipp Fischer

26.8.2024

Der Arbeitsplatz der Gondolieri verlangt körperliche Fitness – und noch viele weitere Fähigkeiten.
Der Arbeitsplatz der Gondolieri verlangt körperliche Fitness – und noch viele weitere Fähigkeiten.
Archivbild: IMAGO/EHL Media

Venedig gehen die Fachkräfte für die prestigeträchtige Berufssparte der Gondolieri aus. Ein Aufruf der Stadt soll nun dringend benötigten Nachwuchs für die Ruder-Arbeit auf den engen Kanälen gewinnen.

Philipp Fischer

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  • Seit Jahrhunderten jonglieren Gondolieri ihre Gondeln mit grossem Geschick durch die schmalen Kanäle Venedigs.
  • Doch der Berufsstand kämpft mit einem Nachwuchsproblem.
  • Die Stadtverwaltung der Lagunenstadt ruft deshalb über ihr Online-Portal zu Bewerbungen auf.

Die Gondelführer in ihren traditionell blau-weiss oder rot-weiss gestreiften Poloshirts samt Strohhut gehören zum Stadtbild Venedigs wie der Dogenpalast oder der Markusplatz. Seit rund 900 Jahren gibt es den Beruf bereits. Doch um die Zukunft der Gondolieri ist es nicht mehr so gut bestellt. Traditionell werden Lizenzen für das Gondelfahren vom Vater auf den Sohn vererbt. Wenn es keine männlichen Nachkommen gab, ging die Lizenz häufig an andere männliche Familienmitglieder über. Doch auch in Italien schlagen nun die geburtenschwachen Jahrgänge zu – viele Lizenzen können nicht weitergegeben werden.

Ein Gondoliere lenkt seine Gondel durch die Kanäle von Venedig.
Ein Gondoliere lenkt seine Gondel durch die Kanäle von Venedig.
Archivbild: Keystone

Die Stadtverwaltung von Venedig ruft deshalb zu Bewerbungen auf, berichtet der britische «Mirror». «Es gibt einen Generationswechsel: Die Leute gehen in den Ruhestand und müssen ersetzt werden», so Andrea Balbi, Präsident des Gondoliere-Verbandes von Venedig. Noch bis einschliesslich Dienstag können sich Personen, die sich das Führen des Ruderblatts einer venezianischen Gondel zutrauen, über die offizielle Webseite der Lagunenstadt für den Kurs «Kunst des Gondoliere» (Bando Arte del Gondoliere) einschreiben.

Hohe Aufnahmehürden

Die Ausbildung zum Gondoliere ist schon längst keine Männerdomäne mehr. 2010 bestand die erste Frau die Gondoliere-Prüfung. So richtet sich die aktuelle Ausschreibung auch an beide Geschlechter. Die Bewerbungs-Kriterien haben es jedoch in sich. Interessenten müssen einen strengen Auswahlprozess durchlaufen. Sie müssen mindestens 18 Jahre alt sein, einen höheren Schulabschluss haben und über sichere Schwimmkenntnisse verfügen. Gute Italienisch-Kenntnisse gehören genauso zur Zulassungs-Beschränkung wie Erste-Hilfe-Wissen. Dazu müssen Aspiranten ein ärztliches Attest vorlegen, dass man sich in einem «gesunden und robusten Zustand» befindet.

Die schwarzen Gondeln und ihre Gondolieri sind das eigentliche Aushängeschild Venedigs.
Die schwarzen Gondeln und ihre Gondolieri sind das eigentliche Aushängeschild Venedigs.
Archivbild: Keystone

Erfüllen Bewerber diese Grundvoraussetzungen, können sie sich einem Rudereignungstest stellen. «Die Gondel bewegen zu können, ist das Wichtigste», sagt Andrea Balbi. Gelingt auch dies, steht einer Ausbildung nichts mehr im Wege. «Das Vorauswahlverfahren hilft uns, dies zu verstehen, und dann beginnt die Ausbildung», so Balbi.

Von der Theorie in den Kanal

Etwa 1000 Euro (rund 950 Franken) müssen für den Bildungsweg auf den Wasserstrassen berappt werden. Der Theoriekurs umfasst 30 Stunden. Auf dem Stundenplan stehen die komplexe Verkehrsordnung auf den Kanälen in der Lagunenstadt, grundlegende Sprachkenntnisse in Englisch und Französisch und ein tiefgehendes Wissen über die Geschichte, Kunst und Kultur Venedigs. Schliesslich löchern die Touristen ihren Gondeliere gerne mit Fragen zu Sehenswürdigkeiten und Historie der Stadt. Am Ende der Ausbildung müssen die Kandidaten eine Abschlussprüfung bestehen, um die offizielle Lizenz als Gondoliere zu erhalten.

Goldesel-Gondeln

Ausgebildeten Gondelmeistern winkt ein stattliches Gehalt. Offiziell kostet eine halbstündige Gondelfahrt 80 Euro (rund 76 Franken). Ab 19 Uhr verlangen die Gondolieri sogar 100 Euro (rund 95 Franken). Sollten Touristen dann auch noch eine Extraportion Romantik in Form einer Musikbegleitung oder einer Gesangseinlage wünschen, steigt der Preis nochmals. Geschäftstüchtige Ruderer können so laut dem «Mirror» bis zu 150’000 Euro (knapp 142’000 Franken) im Jahr verdienen.

Einmal Venedig – künftig bis zu zehn Euro

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