Presslufthammer, Nachbarn, Hupen Presslufthammer, Nachbarn, Hupen: Auf der Spur des Lärms

Christina Horsten, dpa

24.4.2018

Mehr als acht Millionen Menschen auf engsten Raum, dazu Autos, Hubschrauber, Bauarbeiten und Partys: New York ist laut. Und das, so betonen Wissenschaftler zum Tag gegen Lärm, kann krank machen. 

In New York, so schrieb einmal das Magazin «New Yorker», gibt es zwei Arten von Lärm. «Den Lärm der Stadt (Autohupen, laute Nachbarn, Baumaschinen, bellende Hunde) und den Lärm der New Yorker, die sich darüber beschweren.» Mehr als 400'000 Lärm-Beschwerden gingen im vergangenen Jahr bei der städtischen Hotline 311 ein, etwa eine alle anderthalb Minuten - zu Presslufthämmern, Lastwagen, Hubschraubern, ratternden U-Bahnen, Autohupen, vor allem aber zu lauten Nachbarn.

«Die Menschen in New York sind ziemlich dramatischen Lärmpegeln ausgesetzt, die Einfluss auf ihr tägliches Leben haben, beispielsweise in Hinblick auf den Schlafrhythmus», sagt Juan Pablo Bello von der New York University. «Jeder, der hier lebt, kann Geschichten über Lärm erzählen - und meistens fallen die nicht sehr schmeichelhaft aus.» Neun von zehn New Yorkern sind Schätzungen zufolge regelmässig Lärmpegeln ausgesetzt, die die US-Umweltschutzbehörde Epa als schädlich einstuft.

Lärm kann krank machen, das ist Wissenschaftlern schon lange klar: Das Risiko für Stress, Bluthochdruck und Herzerkrankungen etwa kann steigen. Wissenschaftler der Universität Toronto fanden jüngst zudem heraus, dass der Lärmpegel, dem Pendler in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf dem Fahrrad ausgesetzt sind, zu Hörschäden führen kann. Zum Tag gegen Lärm am Mittwoch (25. April) sind auch in der Schweiz Veranstaltungen geplant, vom Bundesamt für Umwelt etwa unter dem Motto «Lärm stinkt!».

So ist die Lage in der Schweiz

Kurz- und langfristige Effekte des Verkehrslärms auf die Gesundheit werden hierzulande seit 2014 im Rahmen der SiRENE-Studie erforscht, die vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert wird. Demnach ist jeder fünfte Schweizer tagsüber schädlichem beziehungsweise lästigem Strassenlärm ausgesetzt, nachts jeder sechste. Die Studie geht sogar davon aus, dass etwa 500 der jährlich rund 20'000 Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Schweiz lärmbedingt waren. 

Um den stressauslösenden Lärm zu reduzieren, versucht das Bundesamt für Umwelt, ihn an der Wurzel zu bekämpfen - mit Massnahmen wie geräuscharmen Strassenbelägen, lokalen Geschwindigkeitsbegrenzungen, Lärmschutzwänden und Schallschutzfenstern.

Eine Stadt wird abgehört

Wissenschaftler Bello, der das Musik- und Audiolabor der New York University leitet, will in seiner Metropole erstmal genauere Daten über den Lärm sammeln. Vor zwei Jahren bekamen er und seine Kollegen rund 4,6 Millionen Dollar (derzeit 3,7 Millionen Euro) Unterstützung der National Science Foundation für ein auf fünf Jahre angelegtes Projekt: «Sounds of New York City» (SONYC), die Geräusche von New York City.

Rund 100 kleine Aufnahmesensoren wollen die Forscher dafür in der Stadt verteilen. Bislang sind es etwa 50. Die Geräte haben Mikrofone, können aber auch Daten verarbeiten. In regelmässigen Abständen nehmen sie zehn Sekunden lange Geräuschschnipsel auf und übermitteln sie an Bellos Labor. Gespräche können nicht identifizierbar aufgenommen werden. «Wir wollen die Lärm-Situation beobachten», sagt Bello, «wir sind nicht daran interessiert, ein Überwachungswerkzeug zu erfinden.»

«Lärm ist Verschmutzung»

Die Auswertung der Daten hat gerade erst begonnen, aber schon erste Erkenntnisse gebracht. So analysierten die Forscher eine Reihe von Beschwerden in der Gegend um den Washington Square Place. Grund war Baulärm nach den offiziell erlaubten Tageszeiten. Kontrolleure der Stadt, die Tage später die Beschwerden überprüften, konnten in 80 Prozent der Fälle kein Fehlverhalten feststellen. Die Überprüfung der Lärmdaten zu den Zeiten der Beschwerden aber ergab: In 94 Prozent der Fälle gab es wohl doch Fehlverhalten. Gemeinsam mit der Stadt überlegen Bello und sein Team nun, wie solche Daten künftig am besten genutzt werden können.

In Zukunft könnte das Projekt auch in andere Städte und Länder gebracht werden, sagt Bello. «New York ist unser Labor, wo wir uns austoben können, und weil es so laut ist, ist die Stadt ein ideales Experimentierfeld für uns.» Ein Ziel sei auch, den Menschen die Schädlichkeit von Lärm bewusster zu machen. «Lärm ist Verschmutzung. Und wir wollen, dass die Menschen über Lärmverursachung genauso denken, wie über das Wegschmeissen der Verpackung eines Schokoriegels.»

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