Als letzte Premiere diese Spielzeit präsentiert das Opernhaus Zürich Giuseppe Verdis «Nabucco» auf der Bühne und direkt live auch auf arte concert.
Dunkelgrün geäderter Marmor, so weit das Auge reicht. Geflammtes Grün am Boden, grün die monumentale, quaderförmige Wand, die sich drehen und verschieben lässt – einziges Kulissenteil auf der ansonsten leeren Bühne. Selbst die voluminösen Kleider der Damen, Krinolinen mit gebauschten Ärmeln, scheinen aus grünem Marmor skulptiert. Opulente, düstere Strenge, erdrückende Retro-Eleganz (Bühnen und Kostüme: Wolfgang Gussmann).
Doch da drängt eine weitere Menschenmasse ins statuarische Grün der babylonischen Oberschicht: das erniedrigte Volk der Hebräer in verwaschenen Beige-, Ocker- und Brauntönen, Schiebermützen, Arbeiterkitteln.
Andocken im Risorgimento
Damit situiert Regisseur Andreas Homoki Verdis dritte Oper ungefähr in der Zeit ihrer Entstehung: im Risorgimento, einer Epoche des geopolitischen Umbruchs, da sich die italienische Bevölkerung die Unabhängigkeit vom Habsburgerreich erkämpfte. Die historische Vorlage dagegen liefern die Feldzüge des Assyrerkönigs Nabucco (eigentlich Nebukadnezar), der Judäa besetzte, den Tempel Salomons zerstörte und die Hebräer ins Exil nach Babylon zwang.
Der gleiche zeitliche Transfer – wie sehr er tatsächlich einer verklausulierte Anspielung Verdis an die aktuelle Situation entspricht, ist sehr fraglich – wurde 2017 bereits in Verona realisiert. Die Zürcher Regie bleibt diesbezüglich, abgesehen von der optischen Ausstattung, eher vage, und das ist gut so.
Denn: Einen dramatischen Handlungsverlauf gibt es kaum. Zur grandiosen Folie der kollektiven Emotionen zwischen Herrschenden und Unterdrückten kontrastiert eine Reihe familiärer Konfliktsituationen, die zwar sehr affektgeladen sind, aber kaum zu einer Interaktion der Protagonisten führen, was eine schlüssige Regie sehr erschwert. So bedient man sich denn notgedrungen des Arsenals gängiger Operngestik.
Während der Ouvertüre hebt sich der Vorhang für einen kurzen Moment: Wir sehen die beiden noch halbwüchsigen Schwestern – Abigaille, die vermeintliche, und Fenena, die leibliche Tochter des Assyrerkönigs, die sich um dessen Krone balgen. Später werden die beiden auch um Ismael, den Neffen des Königs von Jerusalem, rivalisieren – wir sind schliesslich in der Oper! Und damit bei der Musik.
Drive und Brio
Unter Fabrio Luisi spielt de Philharmonia Zürich mit kraftvollem Drive und Brio. Im Gegensatz zur monochromen, um nicht zu sagen monotonen Bühnenoptik, leuchten und lodern im Orchestergraben die glühendsten Farben. Selbst in den nicht zu spärlichen lauten Stellen ist Transparenz gewahrt, treten solistische Instrumentalpassagen plastisch und sprechend hervor.
Lob auch für die Sänger: Michael Volle zeigt mit baritonaler Wärme, dass er durchaus im italienischen Fach zu Hause ist. Er gibt den verblendeten Herrscher nicht nur als wütenden Berserker, sondern auch als besorgten Vater und existentiell erschütterten Menschen.
Mit profund orgelndem, aber nie mulmigem Bass zeichnet Georg Zeppenfeld den Hohepriester Zaccaria, der Trost, Mahnung und Prophetie mit zwingender Intensität gestaltet.
Das kompositorisch etwas marginal bedachte «interkulturelle» Liebespaar geben Veronica Simeoni und Benjamin Bernheim mit jugendlichem Affekt. Anna Smirnova als leidenschaftliche Abigaille verfügt zwar über den stimmlichen grossen Ambitus, den diese Rolle erfordert, doch bisweilen klingt ihre Stimme forciert und wenig moduliert.
Zentraler Protagonist dieses Werks jedoch ist der Chor, und nicht nur im berühmten «Va, pensiero», das ohne Pathos, anfänglich geheimnisvoll umschattet, später mit imposanter Steigerung erklingt.
Auch in den zahlreichen anderen Szenen leistet der fast omnipräsente Chor sängerisch Grossartiges. Nicht immer ganz geglückt jedoch ist sein szenisches Agieren, mal unfreiwillig komisch, dann wieder mit Arme-Recken, Wippen, Wogen und Rennen gesucht aktiv und ziemlich repetitiv. Doch wie gesagt: Keine leichte Aufgabe, diese Oper zu inszenieren!
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