Internet-BewegungKrieg gegen die Frauen – den «Incels» bleibt nur Hass
tafi
1.3.2019
Rachegelüste und Gewaltfantasien: In Internetforen verschwören sich sexuell frustrierte Männer gegen Frauen. «Incels» geben Frauen die Schuld an ihrer Verzweiflung und radikalisieren sich – bis hin zu Amokläufen.
«Incel» ist die Abkürzung für «involuntary celibate», deutsch: «unfreiwillig Enthaltsame». Seit etwa zehn Jahren gibt es diese Bewegung, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Die Männer lassen in Internetforen ihren sexuellen Frust aus und hängen extrem frauenfeindlichen Verschwörungstheorien nach. Die Radikalsierung hat in der realen Welt bereits Todesofper gefordert: Die Täter von Amokläufen in Sanat Barbara, Kalifornien (2014) und im kanadischen Toronto (2017) waren in «Incel»-Foren aktiv – und wurden dort für ihre Taten gefeiert.
Besonders der Elliot Rodger, der in Santa Barbara sechs Menschen getötet und 13 verletzte, gilt als Held. Der damals 22-Jährige hatte ein 141 Seiten starkes Pamphlet hinterlassen, in dem er die Morde rechtfertigte. «Die Männer verdienen es, weil sie mir die Frauen weggenommen haben. Die Frauen verdienen es, weil sie diese Männer mir vorgezogen haben», zitiert der «Tages-Anzeiger» daraus.
Die kanadische Metropole Toronto steht unter Schock. Ein Mann hat am Montag seinen Lieferwagen in eine Menschenmenge gesteuert. Dabei wurden mindestens zehn Menschen getötet.
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Wie die Behörden bekannt gaben, lenkte der Täter sein Fahrzeug vorsätzlich auf den Gehsteig. Er habe die Menschen bewusst töten wollen.
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Die Innenstadt Torontos ist grossräumig abgesperrt.
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Augenzeugen berichten, wie der Täter in seinem weissen Lieferwagen im Zickzackkurs über den Gehweg fuhr und die Fussgänger durch die Luft geschleudert wurden.
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Die Trauer in der kanadischen Stadt ist gross.
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Beim Tatfahrzeug handelte es sich um diesen weissen Lieferwagen.
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Der Täter wurde von einem Polizisten gestellt. Der Mann konnte ohne Schusswechsel festgenommen werden. Es handelt sich um einen 25-Jährigen, der im Norden der Stadt lebt. Ob es einen terroristischen Hintergrund gibt, darüber sind derzeit keine abschliessenden Informationen vorhanden.
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Polizeichef Mark Saunders spricht zu den Medien in Toronto.
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Der Schock sitzt bei dieser Augenzeugin tief.
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Die Untersuchungen im Fall werden noch lange andauern.
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«Chads» und «Stacys» sind Codeworte, mit denen «Incels» sexuell aktive Menschen bezeichnen. Diesen Männern und Frauen geben «Incels» die Schuld an ihrer erzwungenen Enthaltsamkeit. Wobei die Frauen die Hauptschuld tragen: Sie würden ihren Körper als Machtinstrument ausspielen und ihnen Sex vorenthalten. In Internetforen mit bis zu 50'000 Usern schwelgen die Verschmähten in Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien oder überlegen, wie man «Chads» kastrieren kann.
Der «Incel»-Glaube macht als Teil eines neurechten Konservatismus die moderne Gesellschaft dafür verantwortlich, dass seine Anhänger keine Frauen abbekommen. Als Grundübel gelten die Selbstbestimmung der Frauen und die allgemeiene Liberalisierung. Untermauert werden die Verschwörungstheorien von seltsamen Thesen und Statistiken. Frauen würden nur auf grosse Männer mit breitem Unterkiefer stehen, führt der «Tages-Anzeiger» eine davon an. «Wer klein gewachsen oder schmal sei, lichtes Haar, schlechte Haut oder psychische Probleme habe, brauche sich keine Hoffnung zu machen.»
Am liebsten würden «Incels» das Rad der Geschichte zurückdrehen, in eine Zeit, in der es noch keine Dating-Apps gab, keine ausufernden College-Partys, keine sexuelle Selbstbestimmung der Frau. Damals, als jedem Mann eine Ehefrau zustand, die sich seinem Willen fügte. So sagt etwa der kanadische Psychologieprofessor Jordan Peterson: «Die Lösung (...) ist sozial erzwungene Monogamie.»
Peterson gilt laut «Tages-Anzeiger» als Vordenker der «Incels» und fand in einem Interview mit der «New York Times» sogar Verständnis für den Attentäter von Toronto: «Er war wütend auf Gott, weil Frauen ihn abwiesen. Die Lösung dafür ist sozial erzwungene Monogamie.»
Als Frauen auf die Männer pfiffen – «Marsch nach Bern» vor 50 Jahren
Als Frauen auf die Männer pfiffen – «Marsch nach Bern» vor 51 Jahren
«Wo Männerfäuste sich erheben, kann, das Menschenrecht nie leben» – mit dieser Losung demonstriert am 1. März 1969 eine Frau für ihr Recht, wählen zu dürfen.
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An dem Protestzug nach Bern nahmen mehreren Tausend Frauen teil – Männer waren allerdings auch zugelassen und zugegen.
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«Die Frau will und muss politische Verantwortung tragen» – die medienwirksame Demonstration steht auch im allgemeinen Zusammenhang mit der 1968er-Bewegung in der westlichen Welt.
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Kinder demonstrierten für das Recht ihrer Mütter.
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Die Frauen halten den Gleichstellungsartikel 4 der Bundesverfassung (BV4) hoch. In der vordersten Reihe in der Mitte ist Emilie Lieberherr zu erkennen.
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Manche blockierten zum Protest die Tramschienen, was aber ohne Folgen blieb. Der Verkehr wurde einfach umgeleitet.
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Auf dem Bundesplatz wurde eine Resolution in allen vier Landessprachen verlesen. Gefordert wurde das volle Stimm- und Wahlrecht für Frauen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene.
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Gemässigte Frauenrechtlerinnen hatten eine Tagung am 1. März 1969 im Berner Kursaal vorgezogen.
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Doch für rund 5000 Frauen und Männer war das zu wenig.
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Sie zogen am Nachmittag punkt 15 Uhr vors Bundeshaus.
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«Ist die älteste Demokratie nicht amstande, die Gleichberechtigung zu verwirklichen?» An Argumenten mangelte es nicht, die Widersprüchlichkeit der Schweizer Situation aufzuzeigen.
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«Solange die Frauen nicht stimmen können, ist die Schweiz keine Demokratie».
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Eine Delegation des Aktionskomitees begab sich mit der Resolution ins Bundeshaus. Der Bundeskanzler nahm das Papier entgegen – was den Frauen zu wenig war.
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Bei der Rückkehr auf den Bundesplatz verkündete Emilie Lieberherr, die Präsidentin des Aktionskomitees für den Marsch nach Bern am Mikrofon: «Keiner der Bundesräte hatte den Mut, uns zu empfangen!»
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Der «Marsch nach Bern» ging als friedliche Kundgebung in die Annalen ein.
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Erst später wurde bekannt, dass im Bundeshaus und auf der Bundesterrasse die ganze Zeit Polizisten mit Wasserschläuchen und Tränengas auf Pikett gestanden waren.
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Wie auch immer: Das Echo in der Presse war gross, die Zeitungen berichteten ausführlich mit Bild und Text. Die Organisatorinnen hatten recht behalten: Der selbstbewusste Auftritt vor dem Bundeshaus sorgte für mehr Aufsehen als die brave Tagung im Kursaal.
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Und so wurde er im kollektiven Gedächtnis zu einem Meilenstein auf dem Weg zum Frauenstimmrecht. Am 7. Februar 1971 kam die Vorlage vors (Männer-)Volk – und wurde mit einer Zweidrittelsmehrheit angenommen.
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