Roberto Yañez Honecker-Enkel: DDR ist für ihn erst jetzt vorbei

DPA

14.9.2018

Oma Margot und Opa Erich: Die Honeckers bestimmten als DDR-Spitzenfunktionäre das Leben ihres Lieblingsenkels Roberto massgeblich. Der heute in Chile lebende Maler, Musiker und Dichter berichtet nun in einem Buch über sein zerrissenes Leben.

Die weise und böse Oma. Sie wusste immer alles besser und sagte, ein Kommunist kämpft, bis er stirbt. Es ist Margot Honecker, frühere DDR-Volksbildungsministerin, über die ihr Enkel Roberto Yañez so schreibt. Erst mit dem Tod seiner Grossmutter am 6. Mai 2016 sei für ihn die Mauer gefallen, resümiert der 44-Jährige in dem jetzt erschienenen Buch «Ich war der letzte Bürger der DDR». Der schwer kranke Erich Honecker starb in Chile bereits Ende Mai 1994.

Eine verwöhnte Kindheit in Ost-Berlin, Privilegien in der abgeschotteten Funktionärssiedlung Wandlitz, die Ausreise in die chilenische Heimat seines Vaters nach dem Mauerfall, die Verhaftung seines Opas Erich Honecker wegen der Toten an der Mauer, der Zerfall der Familie, Alpträume, Drogen, psychiatrische Kliniken - Yañez blättert einen Abschnitt deutscher Geschichte aus seinem persönlichen Erleben auf.

Differenzierter Blick auf das Ende der DDR

Offen zeigt der Deutsch-Chilene seine Zerrissenheit und versucht zugleich aus heutiger Sicht einen differenzierten Blick auf das Ende der DDR vor fast 30 Jahren. Damals war er noch ein Teenager. Filmemacher Thomas Grimm hat als Mitautor viele Passagen auf rund 230 Seiten zusammengefügt und mit historischen Recherchen ergänzt. Das Buch zeigt auch bislang nicht veröffentlichte Fotos der Honeckers.

Yañez ist der Sohn der Honecker-Tochter Sonja, die in der DDR einen Exil-Chilenen heiratete. Das Verhältnis seiner Oma zu seiner Mutter habe zwischen Zerwürfnis und Duldung geschwankt. Die Ministerin und Oma sei die grosse Bestimmerin gewesen. Sie habe auch darüber entschieden, wie der Enkel die Ferien zu verbringen hatte, ist zu lesen.

Nach dem Tod von Erich Honecker und der Trennung seiner eigenen Eltern zog Roberto Yañez in das Haus seiner Grossmutter in Santiago de Chile im Distrikt La Reina. Die Honeckers hatten Zuflucht in Chile gesucht, nachdem der Prozess gegen ihn in Berlin aus gesundheitlichen Gründen Anfang 1993 eingestellt worden war, Ehefrau Margot war schon zuvor zu ihrer Tochter geflogen.

Wofür sollte sich Roberto rechtfertigen?

Der Enkel sieht seine Oma ambivalent, sie half ihm auch mit Geld und Essen, andererseits beklagt er ihre lebenslange ideologische Zwanghaftigkeit. «Oma machte sich in ihrem Haus in La Reina eine kleine DDR zurecht, und es galt die Moralskala des untergegangenen Staates. So wurde ich wieder von der DDR eingefangen, ich - ihr letzter Bürger.» Sie habe niemals ihre revolutionäre Gesinnung mit Selbstkritik verbinden können.

«Ich will mich abtrennen, gesund werden und das Kreuz, das ich getragen habe, endgültig ins Museum der Geschichte legen», schreibt Yañez etwas pathetisch. Wie wohl einst politisch Verfolgte das mit dem Kreuz sehen? Co-Autor Grimm stellt noch eine andere Frage: Wofür sollte sich Roberto rechtfertigen? «Er hat die Berliner Mauer nicht gebaut und auch keinen Wehrkundeunterricht eingeführt. Dafür, dass die Grosseltern an der Errichtung einer kommunistischen Diktatur mitwirkten?»

Milde Erinnerungen an Opa Erich

An seinen Opa hat der Enkel milde Erinnerungen. Erich Honecker habe ihm Angelknoten beigebracht, sie seien schwimmen gewesen, einmal habe er einen Hirsch schiessen dürfen, Hund Klecks wurde angeschafft. Yañez wohnte in Berlin-Mitte, aber viele Wochenenden verbrachte er in Wandlitz. Er habe schon das Gefühl gehabt, etwas Besonderes zu sein, dem nichts passieren könne, erinnert er sich. Und auf einmal sagt ein Mitschüler im Herbst 89: «Dein Opa ist ein Arschloch.»

Heute reflektiert der Honecker-Enkel, in Wandlitz sei der Einblick in den Alltag der Gesellschaft mit der Zeit verloren gegangen. Man habe viele Privilegien für selbstverständlich genommen. Auch die Funktionärskinder samt Anhang seien dort versorgt worden, Tankfüllungen habe es kostenlos gegeben. Für 23 Funktionärsfamilien hätten 600 Angestellte rund um die Uhr bereitgestanden.

Es sei ein stilles Gesetz in der Familie gewesen, dass in Gegenwart von Erich Honecker keine politischen Gespräche geführt werden - selbst dann noch, als Forderungen nach demokratischen Reformen nicht mehr zu überhören waren, ist zu lesen. Honecker habe dafür keinen Bedarf gesehen. Er wurde im Oktober 1989 von seinen eigenen Genossen zum Rücktritt gezwungen. Oma habe über die «Verräter» gewettert und sei wenig später selbst zurückgetreten, schreibt der Enkel. Ab dem Sturz sei in der Familie nichts mehr besprochen worden, «die Familie war zerstört».

Für Roberto Yañez ist noch eine Frage offen. Die Asche seiner Grosseltern im Pazifik verstreuen, so wie es seine Mutter möchte? Oder eine Ruhestätte auf dem Friedhof der Sozialisten in Berlin? Beide Urnen stehen noch bei einem guten Freund, schreibt der Lieblingsenkel. Er wäre für eine Beisetzung in der deutschen Hauptstadt, die Honeckers seien ein Teil deutscher Geschichte. Doch Befürworter dafür sind nicht in Sicht.

Bilder des Tages
Zurück zur Startseite