Absturz in Moskau Handy und Gepäck zuerst – haben Passagiere Mitschuld an Opferzahl?

SDA/dpa/phi

6.5.2019 - 10:41

41 Menschen sterben beim Superjet-100-Absturz in Moskau. Experten meinen, es hätte weniger Tote gegeben, wenn sich bei der Sicherheit alle Passagiere an die Vorschriften gehalten hätten.

Nach dem Brand eines russischen Passagierjets am Moskauer Flughafen Scheremetjewo mit 41 Toten suchen die Ermittler weiter nach der genauen Unfallursache. Dazu sollen Überlebende, Augenzeugen und Flughafenmitarbeiter befragt werden, wie das staatliche Ermittlungskomitee nach der Katastrophe am Sonntag mitteilte. 

Zusätzlich werden jetzt die Flugschreiber ausgewertet. Beide seien im Wrack entdeckt worden, hiess es am Montag aus Sicherheitskreisen der Agentur Interfax zufolge. Das russische Zwischenstaatliche Luftverkehrskomitee (MAK) kümmere sich um die Auswertung, die jedoch mehrere Tage dauern könne.

Bisher keine Berichte über Schweizer Opfer

Medien berichteten von einem möglichen Motorschaden. Es gab aber auch Aussagen von Augenzeugen, nach denen das Flugzeug von einem Blitz getroffen worden sein soll. Als die Maschine mehrmals auf dem Rollfeld des Flughafens aufprallte, platzte nach ersten Erkenntnissen der Ermittler auch der voll befüllte Treibstofftank.

Das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) teilte am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit, dass derzeit keine Informationen über Schweizer Opfer vorlägen. Die Abklärungen dazu seien im Gang. Die Schweizer Vertretung in Moskau stehe in Kontakt mit den zuständigen Behörden vor Ort.

Wo auch immer die Opfer des Unglücks herkommen: Einige könnten wohl noch leben, wenn sich alle an die Sicherheitsvorschriften gehalten hätten. «Was wirklich besorgniserregend ist, sind die Bilder von Leuten, die Gepäck tragen und dass Passagiere drinnen Videos drehen», sagte Luftfahrtexperte Geoffrey Thomas der australischen Newswebsite «7 News».

Standards für Evakuierung nicht eingehalten

Es sei zwar noch zu früh für ein abschliessendes Urteil, doch es sei «sehr wahrscheinlich», dass mehr Leute lebend aus dem brennenden Flugzeug hätten entkommen können, wenn die Regeln eingehalten worden wären. Laut Thomas dauert eine solche Evakuierung normalerweise nicht länger als 90 Sekunden.

In Moskau dauert es sechs Minuten, bis die Sukhoi nach der Landung in Flammen aufgeht – auch wenn nur zwei der vier Notausgänge offen waren. Der Sprecher der für die Zivilluftfahrt zuständigen australischen Behörde sagte, dass die Passagiere in Sachen Sicherheitsinstruktionen dickfellig geworden seien.

41 Tote bei Brand von Aeroflot-Maschine

«Die meisten Leute fliegen normalerweise vernünftig», erklärt Peter Gibson. «Aber sehr vereinzelt kommt es zu Zwischenfällen. Zeit ist kritisch und das [Prozedere der Evakuierung] wurde basierend auf Untersuchungen frührerer Unfälle über Jahrzehnte entwickelt. Videos zu drehen, Gepäck mitzunehmen und alles, was die Räumung verzögert, gefährdet ihr Leben und das anderer.»

Erster neu entwickelter russicher Verkehrsflieger

Die Suchoi Superjet-100 ist die erste Neuentwicklung des russischen Flugzeugbaus nach dem Ende der Sowjetunion, der Kurzstreckenflieger ist seit 2011 zugelassen. Aeroflot hat zurzeit 50 Jets dieses Typs im Einsatz, erst im vergangenen Herbst kündigte sie den Kauf von weiteren 100 Maschinen an. Die Jets sollten trotz des Unfalls zunächst weiter im Einsatz bleiben, hiess es.

Die Flugschreiber enthalten unter anderem Aufzeichnungen der Flugdaten und der Cockpitgespräche, was für Ermittler sehr wichtig ist bei der Klärung der Unfallursache. Die sogenannten Blackboxes sind so robust gebaut, dass sie normalerweise auch ein Unglück überstehen sollten.

Das Feuer wurde nach Angaben des Flughafens und des Zivilschutzes schnell gelöscht. Zahlreiche Passagiere hätten das Flugzeug in weniger als einer Minute über Notrutschen verlassen, teilte Aeroflot mit. «Die Crew hat alles Mögliche getan, um die Leben der Passagiere zu retten und den Betroffenen Nothilfe zu geben.»

Flugkatastrophen in Russland

An Bord des Fluges SU1492 waren 78 Menschen. Unter den Toten sind nach Angaben der Behörden zwei Kinder und ein Flugbegleiter. Viele der Verletzten erlitten laut Rettungskräften Rauchgasvergiftungen. An Bord der Maschine brach Panik aus, wie auf einem im Internet veröffentlichten Video zu hören und zu sehen war. Die Aufnahmen zeigten auch, wie die rechte Tragfläche der Maschine brannte.

In Russland kommt es immer wieder zu schweren Zwischenfällen im Luftverkehr und zu Unglücken mit vielen Toten. Beim Absturz eines russischen Passagierflugzeugs vom Typ Antonow starben im Februar vorigen Jahres in Nähe von Moskau 71 Menschen.

Die Maschine vom Typ An-148 der Fluggesellschaft Saratow Airlines war nach dem Start vom Hauptstadt-Flughafen Domodedowo vom Radar verschwunden. Die Maschine zerschellte auf einem Feld im Bezirk Ramenskoje südöstlich von Moskau. Im September wurden 18 Menschen bei der Notlandung eines Flugzeuges in der Schwarzmeerstadt Sotschi verletzt.

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