Aargauer ObergerichtFreispruch für Freddy Nock in zweiter Instanz
SDA
3.11.2020 - 14:42
Freddy Nock hat nicht versucht, seine Frau zu töten. Das Aargauer Obergericht sprach den Hochseilartisten am Dienstag frei. Es gebe keine objektiven Beweismittel. Das Bezirksgericht Zofingen hatte Nock zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt.
Das Obergericht des Kantons Aargau hat am Dienstag den Hochseilartisten Freddy Nock vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung seiner Frau freigesprochen. Das Urteil kann noch ans Bundesgericht weitergezogen werden.
Dem heute 55-jährigen Nock sprach das Gericht eine Genugtuung von 11'000 Franken zu sowie 12'000 Franken Entschädigung für entgangene Einnahmen. Dem Artisten waren verschiedene Auftritte als Folge des Verfahrens gestrichen worden.
Es ging um zwei längst vergangene Vorfälle. Im Mai 2008 habe der Beschuldigte seine Frau gewürgt. Später habe er sie über das Treppengeländer gehalten, als ob er sie habe hinunterfallen lassen wollen. Damit habe er ihr Leben gefährdet, machte die Anklage geltend.
Der zweite Vorfall datierte vom März 2013. Damals habe er ihr in einem Hotelzimmer in Zürich ein Kissen aufs Gesicht gedrückt, bis sie fast erstickt sei. Nachher habe er sie mit einer Faust mehrmals ins Gesicht geschlagen. Für die Staatsanwaltschaft war das versuchte vorsätzliche Tötung und versuchte schwere Körperverletzung.
Das Bezirksgericht Zofingen hatte Nock im Dezember 2019 zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Beide Parteien fochten das Urteil an. Der Beschuldigte verlangte einen Freispruch, der Staatsanwalt eine Erhöhung der Strafe auf sechseinhalb Jahre.
Im Verfahren stand Wort gegen Wort. Die Bezirksrichter hatten sich auf die Schilderungen der Frau gestützt. Der Beschuldigte hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen. Zeugen gab es keine.
«Im Zweifel für den Angeklagten»
Mit seinem Urteil kippte nun das Obergericht den erstinstanzlichen Entscheid. Es urteilte nach dem Prinzip «Im Zweifel für den Angeklagten». Das Paar habe «offenbar eine toxische Beziehung» geführt, sagte der vorsitzende Richter bei der Urteilseröffnung. Für die Anschuldigungen gebe es aber keine Beweise.
Die Vorfälle seien lange her, sagte der Richter. «Wir waren nicht dabei», «tatnahe Aussagen» gebe es keine, da sie erst 2015 ein Thema geworden seien. Damals hegte die Frau Trennungsabsichten, und es ging unter anderem um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn.
Es würden zudem objektive Beweismittel fehlen, die Schilderungen der Frau seien nicht konsistent gewesen – immer wieder sei etwas dazu gekommen. Es gebe denn auch «erhebliche Zweifel» daran, was vorgefallen sei.
«Sicher ging es wüst zu»
Sicher sei jener Tag im Mai 2008 «nicht in Harmonie verlaufen», sagte der Richter. Was aber genau vorgefallen sei, wisse man nicht. Keinesfalls habe aber das Leben der Frau «an einem dünnen Fädeli gehangen».
Beim Vorfall im Hotelzimmer im März 2013 sei es unzweifelhaft zu einem Streit gekommen – «sicher ging es wüst zu», das hätten auch die zwei Töchter aus früheren Beziehungen der beiden im Nebenzimmer mitbekommen. Aber auch hier sei offen, was genau geschehen sei.
Die von der Frau geschilderten blauen Flecken an Kinn und Stirn würden nicht auf heftige Faustschläge hinweisen – leider wisse das Obergericht von anderen Fällen her, wie ein Gesicht dann aussehe. Auch versuchte schwere Körperverletzung liege nicht vor.
Auch beim Vorfall mit dem Kissen weise die Schilderung der Frau, wonach sie den Kopf unterm Kissen habe drehen können, nicht darauf hin, dass der Beschuldigte «gedrückt hat, als ob er sie töten wollte». Insgesamt wisse man einfach nicht genau, was geschehen sei und was nicht. Erstellt seien die Vorwürfe jedenfalls nicht.
On-Off-Beziehung
Die Beziehung der Nocks hat immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Wenige Monate nach den Vorfällen von 2013 heirateten die beiden. 2015 zog sie mit dem gemeinsamen Sohn aus, kam im Jahr darauf aber wieder zu ihm zurück und zog die Anschuldigungen zurück. Jetzt ist die Scheidung hängig.
Zum Gerichtstermin erschien der weltbekannte Hochseilartist in einem seiner Show-Kostüme, einem rot-weissen Lederkombi mit grossem Schweizerkreuz auf Brust und Rücken. Nach dem Freispruch drängten sich seine Töchter aus einer früheren Beziehung erleichtert weinend um ihn.
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