Raubüberfall in Lugano Faustkampf mit geladener Waffe – wie gefährlich war der Polizeieinsatz?

tchs

4.7.2024

Beamte in Lugano verhafteten nach dem Raubüberfall vier Personen.
Beamte in Lugano verhafteten nach dem Raubüberfall vier Personen.
Bild: RSI

Ein Video soll zeigen, wie es bei dem Raubüberfall in Lugano am Dienstag zwischen einem Beamten und einem Räuber zum Handgemenge kommt, bevor sich ein Schuss löst. Wie gefährlich war die Situation?

tchs

4.7.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Schüsse, vier festgenommene mutmassliche Täter, keine Verletzten: So lautet die Bilanz eines Raubüberfalls in Lugano vom vergangenen Dienstag.
  • Nun soll ein Video zeigen, wie ein Polizist mit geladener Waffe in ein Handgemenge mit einem Räuber gerät.
  • Ein Experte schätzt das Handeln des Beamten als richtig ein.
  • Dennoch bestand wohl Gefahr für die umstehenden Menschen.

Als am Dienstag nach Angaben der Tessiner Polizei mehrere Männer versuchten, ein Juweliergeschäft in Lugano auszurauben, kam es zu dramatischen Szenen. Dabei fielen Schüsse, Verletzte gab es allerdings nicht. Eine Velo-Polizeistreife, welche die Täter bemerkte, schlug Alarm, vier mutmassliche Räuber wurden festgenommen. Das Portal «20 Minuten» berichtet nun über ein Video, das zeigen soll, wie gefährlich die Situation tatsächlich war.

Auf den Aufnahmen soll zu sehen sein, wie ein Räuber aus dem Geschäft stürmt, während ein Polizist mit der Pistole auf ihn zielt. Ein weiterer Polizist unternimmt den Versuch, den fliehenden Mann zu stoppen und wird von ihm mitgezogen. Zusammen krachen sie in einen Ziegel-Stapel.

Um den Räuber an der Flucht zu hindern, umklammert ihn der Beamte, der seine Dienstwaffe in der Hand hält. Mit seiner Pistole schlägt er nach dem Räuber. Im Anschluss soll ein Schuss sowie das Klimpern von Patronenhülsen zu hören sein. Möglicherweise hat sich ein Schuss gelöst. 

Polizist handicapt sich selbst

Als «heikel und extrem gefährlich» schätzt Markus Melzl, ehemaliger Kriminalkommissar in Basel-Stadt, die Situation gegenüber «20 Minuten» ein. Seiner Meinung nach war das Handeln des Polizisten korrekt: «Er versucht, den Täter zu stellen, indem er die Waffe zieht.»

Natürlich sei es schwieriger, mit einer Waffe in der Hand zu kämpfen. Der Polizist habe sich selbst gehandicapt. Melzl erklärt: «Dass sich dann doch noch ein Schuss aus der Waffe löst, macht die Situation umso gefährlicher. Auch dieser Schuss hätte umstehende Zivilisten treffen können.»

Der Polizist habe erwartet, dass der Räuber angesichts der geladenen Pistole stehen bleibe, doch der unternahm einen Fluchtversuch. «Das bringt den Polizisten in eine schwierige Situation, er muss in Sekundenbruchteilen eine Entscheidung treffen. Schiessen, den Täter laufen lassen oder in den Nahkampf gehen?», erklärt Melzl. Er vermutet, dass die Zeit zu knapp gewesen sei, um die Waffe wieder in den Holster zu stecken.

Da viele Menschen in der Nähe waren, «wäre es viel zu gefährlich gewesen, in dieser Situation einen Schuss abzugeben». So werde in der Schweiz ohnehin nur im äussersten Notfall von der Dienstwaffe Gebrauch gemacht, im Gegensatz etwa zu den Vereinigten Staaten.

Polizei Lugano: Video zeigt nur die halbe Wahrheit

Ein Sprecher der lokalen Polizei erklärte, dass es bedauerlich sei, sich in einem solch heiklen Moment für das Vorgehen eines Beamten rechtfertigen zu müssen, welcher «seine eigene Sicherheit riskiert hat, um gefährliche Räuber der Justiz zu übergeben». Es sei Fakt, «dass ein bewaffneter Raubüberfall mitten im Stadtzentrum kurz vor Mittag vereitelt und die vier Täter festgenommen wurden», so die Polizei von Lugano.

Das Video würde nur die halbe Wahrheit zeigen: «Der Beamte hatte, bevor er angegriffen worden ist, die Waffe bereits in der Hand, da er die Räuber aufforderte, ihre eigenen geladenen Waffen niederzulegen». Für solche Situationen seien Beamte ausgebildet.

Bewaffnet seien die Polizist*innen mit einer SIG P320 Carry, die über keine Sicherung verfüge, die man aktivieren oder deaktivieren kann. «In jeder Dienstwaffe ist die Patrone im Lauf.» Ausserdem werde die Staatsanwaltschaft von Amtswegen eine Untersuchung eröffnen – ein Standardverfahren, falls Beamte die Dienstwaffe einsetzen. Geklärt werden sollen die Fakten sowie die Dynamik der Aktion.