Getötete Luise Das würde den beiden Mädchen in der Schweiz drohen

gbi

17.3.2023

Fall Luise: Ermittler gehen gegen Falschmeldungen vor

Fall Luise: Ermittler gehen gegen Falschmeldungen vor

Rund Woche nach dem gewaltsamen Tod der zwölfjährigen Luise aus dem deutschen Freudenberg versuchen Polizei und Staatsanwaltschaft, vor Gerüchten und Fake News zu warnen.

17.03.2023

Die beiden Mädchen, die die zwölfjährige Luise erstochen haben sollen, gehen in Deutschland straflos aus. In der Schweiz sähe das anders aus, wie ein Zürcher Jugendanwalt erklärt.

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Das Schicksal der zwölfjährigen Luise erschüttert ganz Deutschland: Das Mädchen wurde am vergangenen Wochenende in Freudenberg von zwei Klassenkameradinnen in einem Waldstück erstochen.

Einiges ist noch unklar. So wurde etwa die Tatwaffe nicht gefunden, die Ermittlungen dauern an. Die beiden mutmasslichen Täterinnen – zwölf und 13 Jahre alt – sind aber geständig. Was aus Schweizer Sicht erstaunt: Ihnen droht keine Strafe. Denn sie sind zu jung und damit «starfunmündig», wie ein Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Siegen der «Siegener Zeitung» erklärte. Das deutsche Jugendstrafrecht gilt erst ab 14 Jahren. 

In der Schweiz sähe das anders aus, denn hierzulande sind Kinder bereits ab dem zehnten Geburtstag strafmündig. Wie das Vorgehen in einem «Fall Luise» hierzulande aussehen könnte, erklärt Patrik Killer von der Jugendanwaltschaft der Stadt Zürich. «Würden diese beiden Mädchen in der Schweiz wohnen, würde ein Strafverfahren eröffnet.»

Untersuchungshaft, um Absprachen zu verhindern

Dabei würde zunächst eine Strafuntersuchung eingeleitet, um die Tatumstände und die Schuldfrage zu klären. Sofern es Haftgründe dafür gebe, könnten die Mädchen in Untersuchungshaft versetzt werden.

Ein möglicher Grund wäre Kollusionsgefahr, sprich: wenn die mutmasslichen Täterinnen Beweismittel vernichten oder ihre Aussagen absprechen könnten. «In solch einem Fall würde man die Mädchen getrennt in geeigneten Institutionen geschlossen unterbringen», sagt Killer. 

Zwei Mädchen im Alter von zwölf und 13 Jahren haben gestanden, Luise am 11. März in einem Waldstück erstochen zu haben.
Zwei Mädchen im Alter von zwölf und 13 Jahren haben gestanden, Luise am 11. März in einem Waldstück erstochen zu haben.
Oliver Berg/dpa

Sollten die zwölf- und 13-jährigen Mädchen schuldig gesprochen werden, drohen ihnen zwei Arten von Sanktionen. Zum einen eine Strafe. Hier sind für Täter*innen bis 15 Jahre maximal zehn Tage persönliche Leistungen möglich. Das könne etwa der Einsatz in einer Altersheimküche oder im Entsorgungs- und Abfallwesen sein, sagt Killer. «Es muss etwas Gemeinnütziges sein, das der Allgemeinheit zugutekommt.»

Gerade in einem drastischen Fall wie der Tötung von Luise stelle sich zusätzlich die Frage, ob die Beschuldigten für Abklärungen in eine Beobachtungsstation eingewiesen werden müssten – zum Beispiel in das Kantonale Jugendheim Platanenhof in Oberuzwil. In der Regel dauere dieser Prozess drei Monate.

Aufsicht, Betreuung, Unterbringung

Zusätzlich könne eine psychologische oder psychiatrische Begutachtung angeordnet werden. «In diesem Rahmen werden Antworten gesucht, wie es zu einer solchen Tat kommen konnte und welche Behandlung die Jugendlichen im therapeutischen und/oder sozialpädagogischen Rahmen benötigen.» Aufgrund dieser Abklärungen werde über Schutzmassnahmen entschieden. Diese bilden die zweite Art von Sanktionen.

Eine Möglichkeit für Schutzmassnahmen wäre die sogenannte Aufsicht. Das Mädchen dürfte wieder heim zu seiner Familie und würde sich zum Beispiel auf Initiative der Familie einer psychologischen Behandlung unterziehen. Die Jugendanwaltschaft würde die Umsetzung überprüfen. «Um sicherstellen, dass es nicht bei leeren Worten bleibt», sagt Killer.

Das wäre die niederschwelligste Schutzmassnahme. Die nächste Stufe wäre eine persönliche Betreuung. Das könne etwa die Einsetzung eines Jugendcoachs sein oder das Mädchen komme in eine spezielle Tagesschule. «Vereinfacht gesagt, sind das all jene Massnahmen, die nicht mit einer Übernachtung ausser Haus verbunden sind.»

Die dritte Möglichkeit wäre eine geschlossene oder offene Unterbringung in einer dafür vorgesehenen Institution oder bei Privaten. In der Region Zürich wäre dies für männliche Jugendliche etwa im Sozialpädagogischen Zentrum Gfellergut oder im Jugendheim Schenkung Dapples möglich.

Mit anderen Schutzmassnahmen verbunden oder für sich selber angeordnet werden kann schliesslich auch eine ambulante Therapie.

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Diese Schutzmassnahmen sollen es den Beschuldigten erlauben, dennoch ihre Schul- und Berufsausbildung fortzuführen, erklärt Killer. Dies ganz gemäss dem Grundsatz des Jugendstrafrechts, das auf Schutz und Erziehung fokussiert anstatt auf Bestrafung. «Das Ziel muss sein, dass auch junge Straftäterinnen und Straftäter wieder einen prosozialen Weg einschlagen.»

Solche Schutzmassnahmen können bei Bedarf bis zum 25. Geburtstag fortgeführt werden. «Wenn jemand sagt, die Strafen in der Schweiz sind nicht besonders drastisch, mag das sein», räumt Killer ein. «Doch wenn ein zwölfjähriges Mädchen allenfalls 13 Jahre in einer Institution verbringen muss, ist das durchaus einschneidend.»