KriegsgeschäfteBührle-Kunstsammlung mit Waffenexporten finanziert
leph, sda
17.11.2020 - 12:37
Waffenexporte und der Aufbau seiner Kunstsammlung waren beim umstrittenen Unternehmer Emil Bührle gemäss einer neuen Studie der Universität Zürich eng miteinander verflochten. Die am Dienstag präsentierte Studie geriet schon vor Veröffentlichung in die Kritik.
Waffengeschäfte mit Nazi-Deutschland machten den aus Deutschland stammenden Bührle zum damals reichsten Mann der Schweiz. Eine am Dienstag präsentierte Studie unter Leitung des Historikers Matthieu Leimgruber untersuchte die Verflechtungen und Wechselwirkungen von Waffen, Geld und Kunst.
Bührle starb 1956. Teile seiner Sammlung sind seit 1960 in einem Privatmuseum in Zürich ausgestellt. 2021 wird ein Erweiterungsbau des Zürcher Kunsthauses eröffnet, in dem Werke der Sammlung gezeigt werden. Die neue Studie zu den Hintergründen der Sammlung wurde von Stadt und Kanton Zürich in Auftrag gegeben.
Leimgrubers Fazit zum Zusammenhang zwischen Waffen und Kunst fällt deutlich aus: «Ermöglicht wurde der Aufbau dieser Kunstsammlung von Weltrang durch den immensen Reichtum, den Bührle vor, während und nach dem zweiten Weltkrieg durch Waffenexporte angehäuft hatte.»
Unzimperlicher Waffenhändler
Die Studie zeichnet ein Bild von Bührle als gnadenlosen Opportunisten. So belieferte er mit seiner Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (WO) in den Zwischenkriegszeit zuerst Deutschland mit Flugabwehrkanonen.
Während des Kriegs verkaufte er dann zuerst den Alliierten Kanonen für rund 60 Millionen Franken, nach der Niederlage Frankreichs wurden wiederum Deutschland und die Achsenmächte für etwa 540 Millionen Franken beliefert.
Als sich die Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands abzuzeichnen begann, schlug sich der Waffenproduzent wieder auf die Seite der Alliierten.
Auffällig ist laut der Studie, dass Bührles Tätigkeit als Kunstsammler zeitlich und geographisch mit seinen Geschäften zusammenfiel. Solange er Deutschland belieferte, erwarb er auch Kunstwerke über deutsche Kontaktpersonen.
Als Beispiel nannte Leimgruber ein Gemälde, welches sich im Besitz eines jüdischen Galeristen befand, der in Paris lebte. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten das Bild und es gelangte über Umwege in die Hände von Bührle.
Als dieser bei den Waffenexporten auf die Allierten umschwenkte, importierte er auch vermehrt Kunstwerke über Kanäle, die er sich neu erschliessen konnte.
Laut der Studie war seine Sammeltätigkeit von Anfang auch Teil seines sozialen Aufstiegs. Er habe Teile seines Vermögens in kulturelles und soziales Kapital umgewandelt. Bührle sei definitiv kein Aussenseiter in elitären Zürcher Kreisen gewesen, was sich anhand zahlreicher persönlicher Beziehungen aufzeigen lasse.
Kritik an Steuerungsausschuss
Die Studie geriet wegen angeblich mangelnder Unabhängigkeit bereits vor der Publikation in die Kritik. Die «WOZ» berichtete im Sommer, dass Mitglieder des Steuerungsausschusses versucht hätten, den Bericht in einzelnen Punkten zu beeinflussen, um Bührle in ein besseres Licht zu rücken. Einer der Autoren des Berichts zog sich zurück, da er eine freie und offene Forschung nicht mehr für gewährleistet hielt.
Umstritten war etwa, ob im Zusammenhang mit Bührles antikommunistischen Tätigkeiten nach Ende des 1. Weltkriegs der Begriff «Freicorps» verwendet werden soll, oder ob im Zusammenhang mit einem Leserbrief des Unternehmers an die Zeitschrift «Nebelspalter» von einem «antisemitischen Ausfall» die Rede sein soll.
Die Feedbacks der Mitglieder des Steuerungsausschusses haben gemäss der UZH nur teilweise Eingang in die Schlussfassung des Berichts gefunden. Leimgruber und sein Team hätten eigenständig und nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet.
Externe Gutachten untersuchten Vorwürfe
In zwei Gutachten zum Forschungsbericht werden die Vorwürfe thematisiert. Der Historiker Jakob Tanner attestiert dem Bericht hohe wissenschaftliche Qualität, die geltenden Regeln seien befolgt worden. Tanner schreibt aber auch, dass die Zusammenarbeit mit Begleitgremien bei kontroversen Themen generell schwierig sei.
Stadtpräsidentin Corine Mauch sagte, dass man rückblickend den Steuerungsausschuss heute so nicht mehr einsetzen würde. Es sei aber immer klar gewesen, dass die Forschungsfreiheit gewährleistet sein müsse.
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