«Tante Ju» prallte wohl senkrecht auf den Boden 20 Tote bei Flugzeugabsturz in Bündner Weltnaturerbe-Gebiet

SDA

5.8.2018 - 14:34

Bei einem der schwersten Flugzeugunglücke in der Schweiz in den letzten 20 Jahren sind am Samstag beim Absturz einer Nostalgie-Maschine Ju-52 in Graubünden alle 20 Insassen ums Leben gekommen. Weshalb die knapp 79-jährige Maschine im Weltnaturerbe-Gebiet der Unesco am Piz Segnas offenbar senkrecht zur die Erde stürzte, ermitteln die Behörden.

Nicht überlebt haben den Absturz elf Männer und neun Frauen im Alter zwischen 42 und 84 Jahren, wie die Kantonspolizei Graubünden am Sonntag in Flims an einer Medienkonferenz bekannt gab. Es handelt sich um sieben Paare aus den Kantonen Zürich, Thurgau, Luzern, Schwyz, Zug und Waadt sowie ein Paar aus Niederösterreich und dessen Sohn. Zudem starben drei Besatzungsmitglieder aus den Kantonen Thurgau und Zürich.

Das dreimotorige Flugzeug, das auf Sicht geflogen wird, ist die Nostalgie-Maschine in der Schweiz schlechthin, im Volksmund fast liebevoll "Tante Ju" genannt. Die Junkers Ju-52 mit der Immatrikulation HB-HOT und Baujahr 1939 war am Samstag gegen 17 Uhr an der Westflanke des Piz Segnas, auf 2540 Metern über Meer, auf Flimser Gemeindegebiet abgestürzt.  

Der Unglücksort ist wegen der geologisch einmaligen Glarner Hauptüberschiebung seit zehn Jahren Unesco-Weltnaturerbe. Er liegt in der Nähe des bekannten Martinslochs, wo es auf der anderen Seite steil bergab geht nach Elm GL.

Der Absturz der Ju-52

Aufprall senkrecht mit hoher Geschwindigkeit

Gestartet war das Oldtimer-Flugzeug um 16.10 Uhr auf dem Flugplatz Locarno-Magadino TI mit Ziel Dübendorf ZH. Es befand sich auf dem Rückflug einer zweitägigen Flugreise der Ju-Air in den Kanton Tessin. Der Hinflug verlief völlig problemlos.

Angaben über eine allfällige Absturzursache konnten die Behörden am Sonntag noch keine machen. Einige Erkenntnisse lagen dennoch vor: So sei das Flugzeug nahezu senkrecht und mit relativ hoher Geschwindigkeit auf den Boden geprallt, sagte Daniel Knecht von der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) vor den Medien in Flims.

Sehr erfahrene Piloten

Als Ursache ausgeschlossen werden können laut Knecht eine Kollision mit einem Hindernis oder mit einem anderen Fluggerät. Eine Fremdeinwirkung von aussen gab es ebenfalls nicht. Gemäss Polizeiangaben beobachteten mehrere Personen den Absturz. Gesamteinsatzleiter Andreas Tobler von der Kantonspolizei Graubünden äusserte sich dazu aber nicht weiter.

Im Cockpit sassen zwei erfahrene Piloten im Alter von 62 und 63 Jahren. Sie steuerten während ihrer jahrzehntelangen beruflichen Tätigkeit Kampfjets sowie Linienmaschinen. Die Unglücksmaschine war bis am Samstag knapp 11'000 Stunden in der Luft gewesen. Sie wurde alle 35 Stunden gewartet, zuletzt Ende Juli. Technische Auffälligkeiten hatte es keine gegeben.

Tragweite macht betroffen

Die Hitze als Absturz-Ursache wird zwar nicht ausgeschlossen. Doch sollten Piloten, vor allem erfahrene, damit umgehen können, dass die Motoren bei hohen Temperaturen weniger leisten, wie Daniel Knecht von der Sust sagte.

"Die Tragweite des Ereignisses hat uns alle betroffen gemacht", betonte Knecht. Die Sust werde alles daran setzen, die Ursache des Absturzes herauszufinden. Er räumte ein, die Abklärungen würden komplex und Zeit beanspruchen, da alte Maschinen nur über wenige Aufzeichnungsinstrumente verfügten.

"Schwierigster und schwärzester Tag"

Die Ju-Air als Besitzerin der Maschine ist ein Verein, gegründet von Freunden der schweizerischen Luftwaffe (VFL). Er hatte in den 1980er-Jahren die drei von der Armee ausgemusterten Ju-52 übernommen.

Der Verein Ju-Air stellte nach dem Absturz den gesamten Flugbetrieb ein, in der Schweiz sowie in Deutschland, wie Kurt Waldmeier, Gründer und CEO der JuAir, am Sonntag in Flims sagte. Waldmeier sprach vom "schwierigsten und schwärzesten Tag in der 36-jährigen Geschichte der Ju-Air." Bislang hatte der Verein seit der Gründung im Jahre 1983 nie Unfälle mit Verletzten zu verzeichnen.

Das Flugzeug-Unglück vom Samstag oberhalb Flims ist eines der schwersten in der Schweiz seit 20 Jahren. Ende November 2001 waren bei einem Absturz eines Crossair Jumbolinos bei Bassersdorf ZH 24 Menschen gestorben, neun Personen überlebten.

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