Migros-Tochter empört Übergewichtige«Hört auf, dicke Körper zu stigmatisieren»
Von Alex Rudolf
23.3.2022
Die Werbekampagne der Fitnesskette Activ Fitness wird auf den sozialen Medien stark kritisiert – dicke Körper würden dadurch blossgestellt, sagen zwei Aktivistinnen.
Von Alex Rudolf
23.03.2022, 06:50
23.03.2022, 10:01
Alex Rudolf
Sie habe mehrere Wochen gebraucht, um diese Nachricht zu verfassen, schreibt Sängerin Brandy Butler auf Instagram. In letzter Zeit sei sie bei jedem Gang durch die Stadt gezwungen worden, Werbeplakate anzuschauen, die Fat Bodies diskriminieren würden. «Warum müsst ihr Menschen mit diesen Bildern terrorisieren?», fragt sie.
Damit meint Butler die Werbekampagne der Gym-Kette Activ Fitness, die zur Migros gehört. Auf den Sujets sind ein Mann oder eine Frau zu sehen, die einen Fatsuit abstreifen und darunter schlank und unbekleidet sind. Daneben steht der Spruch «Raus aus dem Winterspeck».
Für Butler ist dies ein Affront: «Seht, es gibt dicke Menschen, es hat sie immer gegeben und es wird sie immer geben. Hört auf in euren Kampagnen, dicke Körper zu stigmatisieren.»
Die aktuellen Sujets sind aber nicht die einzigen, die in der Kritik stehen. Bereits vor zwei Jahren formierte sich Widerstand gegen eine Weihnachtskampagne von Activ Fitness. Eine Christbaumkugel in der Form eines dicken Körpers sollte entsorgt werden. Melanie Dellenbach, Präsidentin von Body Respect Schweiz, beschwerte sich bereits damals über die Werbekampagne.
«Activ Fitness weiss, dass man mit der Werbung dicke Menschen beschämt.»
Melanie Dellenbach
Präsidentin Body Respect Schweiz
«Dicksein wird als etwas Negatives dargestellt, das losgelassen werden muss», sagt Dellenbach zu blue News. Auf diese Weise würden dicke Menschen beschämt und ausgeschlossen. «Damals weigerte sich Activ Fitness, sich öffentlich zu entschuldigen, teilte uns aber mit, dass man künftig auf das Sujet verzichten werde», so Dellenbach. Daher habe sie nun umso weniger Verständnis für die neue Kampagne. «Activ Fitness weiss, dass man mit der Werbung dicke Menschen beschämt.»
Auf den sozialen Medien nahm Activ Fitness zur Kritik Stellung. «Wir möchten an dieser Stelle deutlich machen, dass es nie die Absicht war, mit dem Kampagnensujet übergewichtige Menschen zu verletzen», hiess es. Den Vorwurf der Fat-Phobia weise man aber in aller Entschiedenheit zurück. Der Post wurde zwischenzeitlich gelöscht, liegt blue News aber vor.
Wie man auch Werbung für Fitness und Bewegung machen kann, zeigt der Sportartikelhersteller Adidas. In einer gross angelegten Kampagne von vergangenem Jahr wurden unterschiedliche Frauen bei unterschiedlichen Sportarten gezeigt. Dabei ging es nicht darum, ein Körperideal zu vermitteln, sondern zu zeigen, dass jeder Mensch eine innere Athlet*in hat.
Mit der Aufmerksamkeit, die der Body-Positivity-Bewegung zuteilwird, steigt auch die Zahl an Kritiker*innen. Die NZZ beispielsweise machte sich auf wissenschaftliche Spurensuche zur Gesundheit hochgewichtiger Menschen und kam zum Schluss: Es gibt kein gesundes Übergewicht.
Dennoch wird das Problem anerkannt: «Übergewichtige Menschen gelten als die letzte Minderheit, die noch ungestraft diskriminiert werden darf», heisst es weiter.
Dellenbach entgegnet dem, dass hochgewichtige Menschen erwiesenermassen eine schlechtere Gesundheitsversorgung erhalten. «Interessant wäre es zu sehen, wie gesund dicke Menschen sein könnten, wenn diese einen diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung und Fitnesscentern erhalten würden.» Zudem habe doch jeder Mensch das Recht darauf, nicht aufgrund seines Körpers beschämt zu werden. «Denn genau diese Beschämung führt zu einem sozialen Rückzug und Stress, was sich negativ auf die Gesundheit auswirkt.»
Butler war selber Mitglied bei Activ Fitness, bis sie besagte Werbekampagne sah. Wie sie auf Instagram schreibt, habe sie nun ein anderes Gym gefunden, wo sie einen gesunden Umgang in Sachen Sport beibehalten könne. «Wir wollen nicht mehr die Zielscheibe aberwitziger Marketing-Abteilungen sein.»