Coronavirus Wie die Krise einen Keil zwischen Jung und Alt treibt

tsha

4.5.2020

Ältere Dame beim Einkaufen in einem Gartencenter: Die Corona-Krise ändert das Zusammenleben der Generationen, glauben Experten.
Ältere Dame beim Einkaufen in einem Gartencenter: Die Corona-Krise ändert das Zusammenleben der Generationen, glauben Experten.
Bild: Keystone

Seit sich die Schweiz wieder locker macht, verlassen auch Ältere zunehmend ihr Zuhause – und müssen sich Anfeindungen der Jungen anhören.

Wer 65 Jahre oder älter ist, gehört zur Corona-Risikogruppe. Oder? Dass es nicht ganz so einfach ist, erklärte Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit vor Kurzem in einem Interview mit «Blick», das der Corona-Delegierte des Bundes anlässlich seines 65. Geburtstages gegeben hatte. «Dem Virus dürfte mein Jahrgang egal sein», sagte Koch und sprach damit ein Problem an, dass derzeit viele Schweizerinnen und Schweizer beschäftigt.

Denn während die Beschränkungen der letzten Wochen langsam gelockert werden, sind offenbar manche Bürgerinnen und Bürger der Meinung, dass die ältere Bevölkerung gefälligst zu Hause bleiben soll. Das zumindest berichten Schweizer Interessenverbände.

So beobachtet der Schweizerische Seniorenrat (SSR), dass die Spannungen zwischen Alt und Jung zunehmen würden. «Bereits heute werden über 65-Jährige in der Öffentlichkeit beim Einkaufen oder Spazieren kritisch angeschaut, was viele verunsichert», heisst es in einem offenen Brief, aus dem der «Tagesanzeiger» zitiert. Es sei «weder sachgerecht noch fair», alle Rentner «samt und sonders als gefährdete Risikogruppe zu bezeichnen», sagt auch SSR-Co-Präsidentin Bea Heim gegenüber der Zeitung.

Der SSR sieht es mit Sorge, dass sich derzeit immer mehr ältere Menschen aus dem sozialen Leben zurückziehen würden. Das befördere Vereinsamung. Wer sich dennoch in die Öffentlichkeit wage, müsse bisweilen gar mit Anfeindungen rechnen.

Die Schweiz altert

Letzteres beobachtet auch Pro Senectute, die laut eigenen Angaben grösste Schweizer Fach- und Dienstleistungsorganisation für das Alter. Man werde immer wieder gefragt, warum denn auch Senioren in die Baumärkte und Gartencenter gehen müssten, seit diese wieder geöffnet haben. Für Pro Senectute ist klar: «Starr am Alterskriterium festzuhalten, würde bedeuten, dass ein Teil der Menschen über 65 Jahre aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen wäre», so Alain Huber, der Direktor der Organisation.

Ein Teil der Menschen – in der Schweiz sind immerhin 18,7 Prozent der Menschen 65 Jahre oder älter, also fast jeder Fünfte. Und es werden immer mehr: Noch vor zehn Jahren lag der Anteil der Menschen über 64 bei 16,8 Prozent.



Für Pro-Senectute-Chef Huber zeugt die Corona-Krise von mangelnder Solidarität zwischen Alt und Jung. Seiner Beobachtung nach würden jüngere Menschen befürchten, die Lasten der Pandemie alleine schultern zu müssen – für ihn eine Fehleinschätzung: «Das Erreichen eines hohen Alters – selbstbestimmt und mit guter Lebensqualität – muss als hohes Gut und gesellschaftliche Errungenschaft gesehen werden», sagt Huber.

Die Coronavirus-Krise: Eine Chronologie

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