20 Tote «Tante Ju» stürzte vor zwei Jahren ab – Sust veröffentlicht Bericht

Von Jennifer Furer

4.8.2020

Am 4. August 2018 stürzte die Ju-52 HB-HOT in Flims ab.
Am 4. August 2018 stürzte die Ju-52 HB-HOT in Flims ab.
Kantonspolizei Graubünden

Die «Tante Ju» stürzte heute vor zwei Jahren in die Tiefe. 20 Menschen kamen ums Leben. Zum Jahrestag hat die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle einen Zwischenbericht veröffentlicht.

Es war einer der schlimmsten Flugzeugabstürze in der Schweiz seit 2001: Am 4. August 2018 stürzte eine Ju-52 am Piz Segnas in Graubünden fast senkrecht zu Boden. Dabei starben 20 Personen. 

Heute Dienstag jährt sich das Unglück zum zweiten Mal. Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) hat dies zum Anlass genommen, um einen Zwischenbericht über den Stand der Ermittlungen zu veröffentlichen. Bis heute ist unklar, weshalb die «Tante Ju» abstürzte.

Im Zwischenbericht heisst es, dass die Sust Anfang Juni den Entwurf des Schlussberichts an die von der Untersuchung betroffenen und die an ihr beteiligten Personen zur Stellungnahme versendet habe – für diese hätten sie nun 60 Tage Zeit.

Schlussbericht folgt dieses Jahr

Die Sust werde darauffolgend die Rückmeldungen auswerten und allfällige Ergänzungen oder begründete Korrekturen am Entwurf vornehmen. «Anschliessend wird die Kommission den Schlussbericht abschliessend prüfen und genehmigen, sodass er noch dieses Jahr veröffentlicht werden kann», ist dem Zwischenbericht weiter zu entnehmen.

In diesem ist der Ablauf des Unglücks nochmals detailliert geschildert. Die historische Ju-52 mit Kennzeichen HB-HOT startete demnach am 4. August um 16:14 Uhr vom Flugplatz Locarno zu einem Flug zum Militärflugplatz Dübendorf. «Rund 40 Minuten später flog das Flugzeug auf einem nordnordöstlichen Kurs in den Talkessel südwestlich des Piz Segnas ein», so die Sust.

Gegen das nördliche Ende des Talkessels habe der Flieger eine Linkskurve begonnen, die sich zu einer spiralförmigen Flugbahn gegen unten entwickelte. «Wenige Sekunden später kollidierte das Flugzeug annähernd senkrecht mit dem Gelände. Alle 20 Personen an Bord des Flugzeuges wurden dabei tödlich verletzt. Das Flugzeug wurde zerstört», heisst es im Zwischenbericht.

Die Ju-Air hat am 17. August 2018 den Flugbetrieb in Dübendorf mit den beiden verbleibenden Maschinen des gleichen Typs wieder aufgenommen. Nach dem Grounding durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt gab die Ju-Air im April 2019 bekannt, dass sie die beiden verbleibenden Ju-52 generalüberholen will. Dieses Vorhaben, so die Ju-Air damals, hätte nichts mit dem Absturz zu tun.
Die Ju-Air hat am 17. August 2018 den Flugbetrieb in Dübendorf mit den beiden verbleibenden Maschinen des gleichen Typs wieder aufgenommen. Nach dem Grounding durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt gab die Ju-Air im April 2019 bekannt, dass sie die beiden verbleibenden Ju-52 generalüberholen will. Dieses Vorhaben, so die Ju-Air damals, hätte nichts mit dem Absturz zu tun.
Keystone

Gemäss Sust war die Rekonstruktion des eigentlichen Unfallfluges aufwendig. Deswegen habe sich das Untersuchungsteam zunächst vor allem auf eine detaillierte Analyse des Wracks konzentriert.

«Diese Abklärungen gaben Aufschluss über technische Faktoren im Unfallgeschehen beziehungsweise über systemische Risiken, die im Zusammenhang mit dem Flugbetrieb und der Instandhaltung stehen», schreibt die Sust. Sie hätten auch gewisse systemische Sicherheitsdefizite aufgezeigt.

Seit Ende November 2018 ist die gesamte Ju-52-Flotte der Dübendorfer Ju-Air gegroundet. Die Untersuchung des Wracks der Ju-52 HB-HOT habe schwerwiegende strukturelle Schäden im Bereich der Flügelholme ergeben, begründete das Bundesamt für Zivilluftfahrt damals seinen Entscheid. Da die beiden in Dübendorf stationierten Ju-52 sowohl bezüglich Alter als auch bei den Betriebsstunden der verunglückten Maschine ähnlich sind, müsse sichergestellt sein, dass beide Maschinen diese Schäden nicht aufweisen.
Seit Ende November 2018 ist die gesamte Ju-52-Flotte der Dübendorfer Ju-Air gegroundet. Die Untersuchung des Wracks der Ju-52 HB-HOT habe schwerwiegende strukturelle Schäden im Bereich der Flügelholme ergeben, begründete das Bundesamt für Zivilluftfahrt damals seinen Entscheid. Da die beiden in Dübendorf stationierten Ju-52 sowohl bezüglich Alter als auch bei den Betriebsstunden der verunglückten Maschine ähnlich sind, müsse sichergestellt sein, dass beide Maschinen diese Schäden nicht aufweisen.
Sust

Da das historische Verkehrsflugzeug über keinerlei Aufzeichnungsgeräte verfügte, musste das Untersuchungsteam für die Rekonstruktion des Unfallfluges auf andere Datenquellen zurückgreifen, wie dem Bericht weiter zu entnehmen ist. Grosse Teile der Flugwege der HB-HOT habe die Sust über die sichergestellten Radardaten rekonstruiert.

Zudem sei umfangreiches Bild- und Videomaterial sowie Aussagen von zahlreichen Augenzeugen, die die HB-HOT vom Boden aus beobachtet hätten, ausgewertet worden. 

An der Unfallstelle seien zudem 44 elektronische Einheiten aus Mobiltelefonen und Videokameras von Passagieren und Besatzungsmitgliedern sichergestellt worden. «Diese Aufzeichnungsgeräte waren beim Unfall teilweise stark beschädigt worden. Schliesslich gelang es, acht dieser Datenträger auszulesen», heisst es im Zwischenbericht.

Die Sust habe sich zunächst vor allem auf eine detaillierte Analyse des Wracks konzentriert.
Die Sust habe sich zunächst vor allem auf eine detaillierte Analyse des Wracks konzentriert.
Keystone

Mittels fotogrammetrischer Methoden bestimmte die Sust die Position der Maschine und deren Geschwindigkeit, was vor allem für die Flugphase vor dem Unfall von Bedeutung ist. 

Eine Analyse der Tonspuren aus dem vorhandenen Filmmaterial habe es erlaubt, die Umdrehungszahlen der Motoren zu bestimmen und deren Funktion während des Unfallhergangs beurteilen zu können.

Neben einer ausführlichen Analyse der Wetterbedingungen habe man die Windströmungen um den Segnespass mithilfe eines Modells simulieren lassen. Die Wind- und Temperaturdaten, die am Tag des Absturzes herrschten, seien dabei verwendet worden.

Im letzten Sommer wurden ausserdem während einiger Wochen Messungen im Unfallgebiet durchgeführt, so die Sust. Diese Messungen hätten es ermöglicht, die Windverhältnisse am Unfalltag im Talkessel südwestlich des Piz Segnas so weit zu rekonstruieren, dass man deren Auswirkung auf das verunfallte Flugzeug zuverlässig hätte beurteilen können.

All die Ergebnisse der Untersuchungen würden letztlich dazu dienen, den Unfallhergang belastbar zu erklären und auch die systemischen Hintergründe aufzuzeigen, die zur Entstehung des Unfalls geführt haben, bilanziert die Sust schliesslich. 

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