Ökologischere LandwirtschaftBiobauern und Bauernverband zoffen sich
SDA/uri
14.12.2020
Wie geht es weiter mit der Landwirtschaft? Darüber streiten nun sogar die Bauern. Der Ständerat entscheidet heute, ob er die Vorlage beraten oder ob er sie – bis auf die Gelder für Direktzahlungen – auf Eis legen will.
Die Ausrichtung der Landwirtschaft ab 2022 ist heute Montag Thema im Ständerat. Zunächst entscheidet der Rat aber, ob er die Vorlage überhaupt beraten will. Oder ob er sie – bis auf die Gelder für Direktzahlungen – auf Eis legt. Das würde die Vorlage um Jahre verzögern.
Der Bundesrat will der Landwirtschaft in den Jahren 2022 bis 2025 zwar nicht weniger Geld zur Verfügung stellen, aber die Auflagen für die Direktzahlungen erhöhen, vor allem für mehr Umweltschutz.
Damit will der Bundesrat der Pestizidverbots- und der Trinkwasserinitiative neue Gesetzesbestimmungen entgegenstellen. Solche hat das Parlament allerdings inzwischen selbst ausgearbeitet; die Vorlage ist bei beiden Räten in der Beratung.
Bauern uneins
Zuletzt sorgte die Vorlage bereits in den Reihen des Bauernverbandes selbst für Streit: Biobauern und IP-Suisse-Landwirte, die ebenfalls Mitglieder in der Vereinigung sind, halten das Reformpaket für sinnvoll, da sie jene Bauern unterstütze, «die weniger Pestizide oder Antibiotika einsetzen möchten», wie Urs Brändli von Bio Suisse «Blick» sagte. Es sei «ein sinnvoller Schritt – und eine Chance, uns auf den Weg hin zu einer enkeltauglichen Landwirtschaft zu begeben.
Bauernverbandspräsident Ritter meinte hingegen, für die Mehrheit der Verbandsmitglieder würde das Reformpaket Nachteile bringen. Er begründete seine ablehnende Haltung gegenüber «Blick» damit, mit der angestrebten Agrarpolitik des Bundesrates würde «das Gesamteinkommen der Landwirtschaft um 265 Millionen Franken sinken». Er betonte: «Das können wir nicht akzeptieren.»
Der CVP-Politiker bemängelte zudem, dass mit dem Reformpaket der Selbstversorgungsgrad sinken würde und sie einen höheren Verwaltungsaufwand bringen würde. Wie Ritter «Blick» sagte, könne kein Bauer einem solchen Paket zustimmen, «das die Landwirte dermassen schwächt».
Brändli von Bio Suisse sieht das anders. Er meinte: «Dass die Agrarpolitik dem Bauernverband zu weit geht und den Umweltverbänden zu wenig weit, zeigt gerade: Sie ist ein gangbarer Weg.»
Bessere Absicherung
Der Bundesrat will mit der Vorlage zudem beim Tierwohl, der Betriebsentwicklung, der Wertschöpfung am Markt und bei der sozialen Absicherung will der Bundesrat ansetzen. Künftig sollen die Ehepartner, die auf dem Betrieb mitarbeiten, gegen die Risiken Tod und Invalidität sowie gegen Verdienstausfall wegen Krankheit oder Unfall versichert werden müssen.
Fehlt diese Absicherung, können die Direktzahlungen gekürzt werden. Auch bei der Ausbildung will der Bundesrat höhere Anforderungen festschreiben, damit Direktzahlungen bezogen werden können.
Die Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) besteht aus vier Teilen. Drei davon, nämlich die Änderungen im Landwirtschaftsgesetz, im Gesetz über das bäuerliche Bodenrecht sowie im Tierseuchengesetz, will die Mehrheit der Wirtschaftskommission (WAK-S) sistieren. Dies beantragt sie mit 6 zu 4 Stimmen und bei einer Enthaltung dem Rat.
WAK-S-Mehrheit fordert Nachbesserungen
Die Gesetzesänderungen böten der Landwirtschaft keine langfristige Perspektive und enthielten nur negative Punkte, findet die WAK-Mehrheit. Sie will mit einem Postulat vom Bundesrat Nachbesserungen verlangen.
Sie nennt dazu Selbstversorgung, unternehmerische Freiheit, Nährstoffkreislauf, weniger administrativen Aufwand und nachhaltige Produktion. Spätestens 2022 soll der Bericht vorliegen und erst dann sollen die sistierten Vorlagen behandelt werden.
Beraten will die WAK-S indes den vierten Teil der AP22+, nämlich den Landwirtschafts-Zahlungsrahmen für die Jahre 2022 bis 2025. Der Bundesrat will ihn stabil halten und für Direktzahlungen insgesamt 13,8 Milliarden Franken zur Verfügung stellen.
Rot-grüne Minderheit will das gesamte Paket beraten
Die rot-grüne Minderheit der WAK-S ist mit diesem Vorgehen nicht einverstanden: Sie will das Postulat ablehnen und stattdessen die ganze AP22+ beraten. Sonst werde die Gelegenheit verpasst, die Landwirtschaft auf die internationalen Entwicklungen und ökologischen Herausforderungen der kommenden Jahre vorzubereiten.
Auch der Bundesrat ist gegen das Postulat. Könnte das Parlament die Beratung der AP22+ erst im zweiten Halbjahr 2022 oder gar erst 2023 aufnehmen, könnten die Gesetzesbestimmungen erst Anfang 2025 in Kraft gesetzt werden, schreibt er. Mehrere Jahre Stillstand wären die Folge.
Umweltorganisationen und die Agrarallianz kritisierten den Antrag der Kommissionsmehrheit ebenfalls. Der Bauernverband hingegen sieht eine Chance für eine Diskussion über eine zukunftsgerichtete und kohärente Ernährungspolitik.
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