Der Chef des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), Jean-Philippe Gaudin, hat erneut versichert, keine Politiker und Parteien zu überwachen. In einem Interview mit «Le Temps» vom Samstag sagte er aber, Schwierigkeiten mit öffentlich zugänglichen Informationen zu haben.
Der NDB nutze etwa Presseschauen von Zeitungsartikeln, die in den Zuständigkeitsbereich des NDB fielen. In diesen PDF-Files gebe es auch Informationen über Politiker, erklärte Gaudin.
«Dies ist die Kontroverse des Themas», sagte er. Die Namen der Politiker würden jedoch nicht in den NDB-Betriebssystemen erwähnt oder auf irgendwelchen Listen der Behörde gesammelt, betonte er.
Seit seinem Amtsantritt beim NDB habe er dem Thema der Archivierung von Dokumenten aus öffentlichen Quellen, wie Artikeln oder Pressspiegeln, bereits grössere Aufmerksamkeit geschenkt. Daher sei die Archivierung bereits von fünfzehn auf zwei Jahre zurückgefahren worden, sagte er. Dabei seien drei bis vier Millionen Daten gelöscht worden, sagte er gegenüber «Le Temps».
Analyse von Parlamentsdelegation
Ende November hatte die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments (GPDel) Handlungsbedarf beim Nachrichtendienst erkannt und Bundesrätin Viola Amherd aufgefordert, Massnahmen zu ergreifen. Unter anderem hatte die GPDel nach eigenen Angaben untersucht, «wie es möglich war, dass Daten, welche die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllten, ihren Weg in die Informationssysteme des NDB finden konnten».
Die GPDel hatte sich wegen einer Aufsichtseingabe des Vereins grundrechte.ch mit den Vorwürfen befasst. Zu diesem Zweck hatte die Delegation zahlreiche Dokumente analysiert und Abklärungen vorgenommen.
Bereits im Frühjahr 2019 hatte der Nachrichtendienstchef vor den Medien gesagt, der NDB halte sich ans Gesetz und beobachte weder Politiker noch politische Parteien. Auch der Bundesrat hatte in einer Stellungnahme zu einem parlamentarischen Vorstoss geschrieben, der NDB wende das Gesetz strikt an.
Rückkehr von Dschihadisten?
Angesprochen auf grosse Herausforderungen des NDB nannte Gaudin unter anderem den islamistischen Terrorismus. Der Nachrichtendienst geht davon aus, dass sich zur Zeit noch rund 20 Schweizer Dschihadisten in syrisch-irakischem Gebiet aufhalten, Männer, Frauen und Kinder.
Frankreich überlegt sich, Rückführungen einzuführen – ein Thema, das auch beim jüngsten Besuch der Verteidigungsministerin Viola Amherd in Paris aufgeworfen worden sei, sagte Gaudin. Sie seien überrascht worden von der französischen Erklärung, doch es handle sich dabei noch nicht um einen Regierungsentscheid. Wahrscheinlich würde die Schweiz ihre Praxis «gewissen EU-Ländern» anpassen, sagte Gaudin weiter.
Vor einem Jahr hatte sich Karin Keller-Sutter, Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartements, aus Sicherheitsgründen gegen eine solche Rückkehr ausgesprochen. Auch alle Geheimdienstchefs seien weiterhin der Meinung, dass Rückführungen von Dschihadisten eine «sehr schlechte Idee» wäre, sagte der NDB-Chef. Denn in dem Fall müsste man vor Gericht Beweise gegen sie vortragen und das sei sehr schwierig.
Gaudin war vor seiner Ernennung zum Chef des NDB unter anderem Verteidigungsattaché in Paris gewesen. Bis 2015 hatte der Waadtländer den Militärischen Nachrichtendienst geleitet und jahrelang als Instruktionsoffizier gearbeitet. Im Jahr 2000 hatte er zudem eine Versorgungseinheit der OSZE in Bosnien-Herzegowina kommandiert.
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