Grenzschliessung «Können nicht mehr warten» – «Wäre reine Symbolpolitik»

Von Julia Käser

13.3.2020

Tessiner Beamte sind dabei, einen Grenzübergang zu schliessen – zur Kanalisierung des Grenzverkehrs. 
Tessiner Beamte sind dabei, einen Grenzübergang zu schliessen – zur Kanalisierung des Grenzverkehrs. 
Bild: Keystone

Heute Nachmittag beschliesst der Bund neue Massnahmen gegen das Coronavirus. Ein Politiker fordert sofortige Grenzschliessungen – zwei Politikerinnen halten dagegen.

Am heutigen Freitag Nachmittag entscheidet der Bundesrat über weitere Massnahmen im Kampf gegen das Coronavirus. Über deren Ausmass wird wild spekuliert. So ist etwa von Schul- und Grenzschliessungen die Rede, wie sie in diversen europäischen Staaten bereits Tatsache sind. In der Schweizer Politik ist man sich derweilen uneins. 

«Im Tessin warten wir dringlichst auf die Grenzschliessung», sagt der Tessiner Ständerat Marco Chiesa (SVP) zu «Bluewin». Slowenien und Österreich hätten ihre Grenzen bereits dicht gemacht, die Schweiz müsse sofort nachziehen ­­– zumal die angrenzende Lombardei eine rote Zone sei. «Es geht um den Schutz der Bevölkerung, wir können nicht mehr warten.»

Auch Schulschliessungen, wie sie im Tessin gerade eben beschlossen wurden, befürwortet der Politiker schweizweit. So zählten Schülerinnen und Schüler denn auch zu den häufigsten Virus-Überträgern: «Gehen sie weiterhin zur Schule, werden Lehrpersonen infiziert – und das ist erst der Anfang.»

«In drei Monaten wird der Schaden nur noch grösser sein»

Zwar verstehe er die bisherigen Abwägungen der Behörden bezüglich des immensen wirtschaftlichen Schadens, den solche Massnahmen mit sich brächten, doch: «Wenn jetzt nichts getan wird, wird der Schaden in drei Monaten noch viel grösser sein. Und zwar gesundheitlich und wirtschaftlich.»



Laut Chiesa ist die Frage nach der Grenzschliessung am Ende keine politische, sondern eine gesundheitliche. «Expertinnen und Experten raten längst zu drastischen Massnahmen, also sollte der Bundesrat diese nun auch ergreifen – bevor es zu spät ist.»

Das Tessin sei der Schweiz punkto Coronavirus ein, zwei Wochen voraus. «Greift man jetzt schweizweit durch, gewinnt man äusserst wichtige Zeit, sich auf die Epidemie vorzubereiten.»

«Lehrpersonal muss geschützt werden»

Die Basler SP-Nationalrätin Samira Marti widerspricht Chiesa punkto Grenzschliessungen: «In der Region Basel ist das kein Thema. Das wäre reine Symbolpolitik, da das Virus sich hierzulande schon längst ausgebreitet hat.» Zudem sei man auf Grenzgängerinnen und Grenzgänger angewiesen, die in der Schweiz wichtige Arbeit verrichteten. «Es geht jetzt um Solidarität», so Marti.

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Eher begrüssen würde sie hingegen Schulschliessungen. Viele Grosseltern kümmerten sich auch jetzt – also bei regulärem Schulbetrieb – mehrmals wöchentlich um die Kinder. «Solange diese zur Schule gehen, haben sie viel mehr Kontakt zu anderen Kindern – die Gefahr für die Grosseltern ist also grösser», erklärt Marti.

Gesorgt werden müsse auch für das Lehrpersonal. «Lehrerinnen und Lehrer, die zur Risikogruppe gehören, sollten per sofort nicht mehr arbeiten müssen.» Sollte der Bundesrat heute keine entsprechende Massnahme erlassen, sieht Marti die Kantone in der Pflicht – in ihrem Fall betrifft das die beiden Basel.



Marti fordert ein detailliertes Monitoring, das sämtliche gefährdete Lehrerinnen und Lehrer ausfindig mache. «Um sie zu ersetzen, könnten dann etwa PH-Studierende einspringen, damit der Schulbetrieb trotzdem aufrechterhalten werden kann.»

«Politiker sollten Entscheide vom Bund stützen»

Skeptischer ist CVP-Nationalrätin Ruth Humbel. Die Frage, wer sich um die Kinder im Grundschulalter kümmere, stelle sich trotzdem noch: «Die Eltern müssen ja trotz allem arbeiten. Das gäbe grosse Probleme.»

Humbel verweist beim Entscheid, welche Massnahmen angemessen und notwendig seien, auf die Rolle von Fachleuten. «Ich verlasse mich auf den Bundesrat, der von zahlreichen Expertinnen und Experten beraten wird.»

Die Aufgabe von Politikerinnen und Politikern sei es in erster Linie, die Entscheidungen des Bundes zu stützen, so Humbel: «Ich finde es schwierig, wenn nun jeder mitredet, und wissen will, welche Massnahmen angemessen sind und welche nicht – das weiss man sowieso erst, wenn alles überstanden ist.»

Humbel verweist auf das Epidemiengesetz, das nach der SARS- und Schweinegrippe geschaffen wurde. Dieses sei nun absolut zentral, um schweizweite Massnahmen zu ergreifen. Humbel: «Die Erfahrung der Schweinegrippe hat nämlich gezeigt, dass der Föderalismus nicht fähig ist, eine Krise dieses Ausmasses aufzufangen.»

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