Klimaneutrale ArmeeDer grösste Umweltsünder des Bundes will Musterschüler werden
Von Alex Rudolf
31.8.2021
Klimaneutrale Armee: Der grösste Umweltsünder des Bundes will Musterschüler werden
Elektrofahrzeuge, nachhaltiger Treibstoff und neue Heizungen: Das Militär investiert 650 Millionen Franken, um umweltfreundlich zu werden. Auf einem Rundgang erklärt Armeechefin Viola Amherd, was sie genau vorhat.
31.08.2021
Elektrofahrzeuge, nachhaltiger Treibstoff und neue Heizungen: Das Militär investiert 650 Millionen Franken, um umweltfreundlich zu werden. Auf einem Rundgang erklärt Armeechefin Viola Amherd, was sie genau vorhat.
Von Alex Rudolf
31.08.2021, 17:03
31.08.2021, 17:23
Alex Rudolf
Der Waadtländer Wind bläst Viola Amherd (Mitte) ins Gesicht und zerzaust ihr Haar und ihre schriftlichen Notizen. Die Armeechefin lässt sich aber nicht beirren. Mit Mundschutz und Sonnenbrille tritt sie auf dem Waffenplatz Chamblon am Dienstag vor die Medien und verkündet, wie ihr Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) zum Musterschüler in Sachen Nachhaltigkeit und Naturschutz werden soll.
Mithilfe eines neuen Umwelt-Leitbildes und eines Aktionsplans soll das Departement nämlich bis 2050 klimaneutral werden. «Mit geeigneten Massnahmen will das VBS seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten», erläutert Amherd.
Amherd und ihre Spitzen-Beamten haben so einiges vor. «Vereinzelte Massnahmen reichen nicht aus. Es muss viel passieren», sagt sie. Dies ist gar nicht so einfach: So braucht das VBS mit seinen rund 11'000 Vollzeitstellen jährlich in etwa gleich viel Energie wie die Stadt Schaffhausen mit ihren rund 37'000 Einwohner*innen.
«Vereinzelte Massnahmen reichen nicht aus. Es muss viel passieren.»
Um die Armee auf Klimafreundlichkeit zu trimmen, nimmt Amherd viel Geld in die Hand. Sämtliche Massnahmen sollen bis 2030 rund 650 Millionen Franken kosten. Von den Neuerungen ist besonders die Armee betroffen, da diese für 98 Prozent des CO2-Ausstosses verantwortlich ist.
Besonders ins Gewicht fallen die Mobilität und die zahlreichen Immobilien der Armee. Total besitzt diese rund 240'000 Hektaren Land, was knapp der Fläche des Kantons Schaffhausen entspricht.
Weg mit Ölheizungen, mehr Fotovoltaik
Die Massnahmen, die Amherd und ihr Team vorsehen, sind umfassend. Bis 2030 sollen alle Ölheizungen von Armeegebäuden durch alternative Heizsysteme ersetzt werden. Der Anteil an selbst produziertem Strom soll massiv gesteigert werden. Auf sämtlichen geeigneten Dächern sei eine Fotovoltaik-Anlage geplant.
So geht es weiter
KEYSTONE
Mit der Umsetzung der total 60 Massnahmen des Aktionsplans Energie und Klima hat sich das Thema Nachhaltigkeit für das VBS noch nicht erledigt. Bereits im kommenden Jahr sollen weitere Aktionspläne mit den Themen wie beispielsweise Wasser oder Lärm hinzukommen.
Mit dem Kauf der Kampfjets des Typs F-35, der per Volksinitiative bekämpft wird, will Amherd bereits rund sechs Milliarden Franken ausgeben. Woher kommen die 650 Millionen für das Nachhaltigkeitsprogramm?
Dieses Geld wird nicht durch einen zusätzlichen Kredit gesprochen, sondern dem regulären Armeebudget entnommen, sagt sie. Dass die Kernaufgabe des VBS darunter leidet, glaubt Amherd nicht. «Es gibt zahlreiche Beschaffungen und Renovationen, die ohnehin getätigt werden müssen. Dies tun wir aber auf umweltschonende Art und Weise – und sicher nicht zulasten der Sicherheit der Schweizer Bevölkerung.»
Die Massnahmen würden aber nicht nur der Umwelt zugutekommen. So senke die energetische Autarkie auch die Unabhängigkeit von ausländischen Energielieferanten. «Für die Armee ist dies im Sinn der Landesverteidigung ein wichtiger Punkt», sagt Amherd zu «blue News».
Der Waffenplatz Chamblon steht sinnbildlich für all die Landflächen im Besitz der Schweizer Armee, die gut für den Naturschutz genutzt werden können. Bedrohte Tiere und Pflanzen finden hier einen Rückzugsort. Bereits seit 20 Jahren verfolgt das VBS im Leitfaden «Natur – Landschaft – Armee» die Förderung von bedrohten Tier- und Pflanzenarten.
«Dies durchaus mit Erfolg. Denn auf den Armeeanlagen haben rund zwei Drittel der bedrohten Vogelarten ihren Lebensraum», sagt Bruno Locher, Chef Raum und Umwelt beim VBS. Zwar nicht bedroht, aber aufsehenerregend war der kleine Laubfrosch, der beim Spaziergang mit der Bundesrätin über die Wiese hüpfte und von einem aufmerksamen Journalisten entdeckt wurde. Von Kameras liess sich das Tier jedoch nicht ablichten, da es zu schnell wieder in den Büschen verschwunden war.