Rahmenabkommen Ja zu Zusatzverhandlungen zum Rahmenabkommen

SDA

20.6.2019 - 19:19

Das institutionelle Abkommen mit der EU polarisiert weiter: Aussenminister Ignazio Cassis erhielt vom Nationalrat am Donnerstag positive Signale und Kritik zugleich.
Das institutionelle Abkommen mit der EU polarisiert weiter: Aussenminister Ignazio Cassis erhielt vom Nationalrat am Donnerstag positive Signale und Kritik zugleich.
Source: Keystone/Peter Klaunzer

Das Parlament bestätigt den vom Bundesrat eingeschlagenen Weg und fordert Zusatzverhandlungen beim Rahmenabkommen mit der EU. 

Das Parlament fordert Zusatzverhandlungen beim Rahmenabkommen. In diesen sollen beim Lohnschutz, bei den staatlichen Beihilfen und in Sachen Unionsbürgerrichtlinie Verbesserungen erzielt werden. Die Räte bestätigen damit den vom Bundesrat kürzlich eingeschlagenen Weg.

Vor zwei Wochen hatte die Landesregierung entschieden, das institutionelle Abkommen mit der EU (Insta) vorläufig nicht zu unterzeichnen. Es brauche «Klärungen» und «Präzisierungen» bei den staatlichen Beihilfen, der Unionsbürgerrichtlinie und bei den flankierenden Massnahmen zum Schutz vor Lohn- und Sozialdumping.

Genau das fordert nun auch das Parlament mit der überwiesenen Motion. Der Nationalrat nahm diese am Donnerstag mit 122 zu 38 Stimmen bei 24 Enthaltungen an. Die kleine Kammer stellte vor Wochenfrist weitere Forderungen in Bezug auf die Streitbeilegung und die demokratischen Mitspracherechte. Diese fanden im Nationalrat aber keine Mehrheit.

Zeit- und Muskelspiel

Der Bundesrat hat nun den offiziellen parlamentarischen Auftrag, zu den gemeinsamen Punkten Zusatzverhandlungen mit der EU zu führen. Solche «Verhandlungen» schliesst die EU jedoch kategorisch aus. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich lediglich offen für «rasche Präzisierungen».

Die Frist hierfür ist aber bereits abgelaufen. Die EU hat deshalb bisher darauf verzichtet, die Äquivalenzanerkennung für die Schweizer Börse zu verlängern. Diese läuft Ende Juni aus. Aus Sicht der Brüsseler Behörde ist es ein faires Abkommen, bei dem die EU «an ihre Grenze» gegangen sei. In der Schweiz sei «der politische Wille, den wir sehen müssen, nicht vorhanden».

Ratgeberstunde für den Bundesrat

Die x-te Debatte zum Rahmenabkommen im Nationalrat war vor diesem komplizierten Hintergrund nicht weniger angeregt als die vorangegangenen. Die angespannte Lage im EU-Dossier war auch im Ratssaal spürbar.

Der exakte Inhalt der Motion stand während der anderthalbstündigen Debatte im Nationalrat nicht im Zentrum. Vielmehr gab jede Fraktion dem Bundesrat ihre eigenen Ratschläge ab, wie dieser beim Rahmenabkommen weiter zu verfahren habe.

Rote Linien

«Wir wollen im Rahmenvertrag unsere sozialen Errungenschaften sichern, die erfolgreichen flankierenden Massnahmen sollen bewahrt und ausgebaut werden», sagte Corrado Pardini (SP/BE) und meinte damit die Sicherung des Lohnschutzes, die rote Linie der Linken.

In seinem flammenden Plädoyer schoss der Gewerkschafter scharf gegen die SVP, die das Rahmenabkommen unter keinen Umständen unterzeichnen möchte. Die Partei riskiere mit ihrer Abschottungspolitik den Rückfall in eine «Barackenschweiz».

Gegen Automatismus

SVP-Präsident Albert Rösti (SVP/BE) konterte sogleich: «Wir wissen, dass Ihre Partei das schon lange will, dass sie das im Programm hat und dass das auch Ihre Strategie ist – ein EU-Beitritt, den 85 Prozent der Bevölkerung nicht mehr wollen.»

Auch mit einem Rahmenabkommen verliere die Schweiz ihre Souveränität. Künftig müsse verboten werden, dass die Schweiz mit anderen Staaten, insbesondere mit der EU, Verträge abschliesse mit Automatismen, automatischer Rechtsübernahme und der verbindlichen Akzeptanz von Entscheiden des Europäischen Gerichtshofes.

Kritik an Konsultation

Neben der Bekräftigung des kürzlich eingeschlagenen Weges erntete der Bundesrat und namentlich Aussenminister Ignazio Cassis auch harsche Kritik seinem bisherigen Vorgehen. Die Motion sei «eines der Resultate einer ziemlich missratenen Übung namens Konsultation», sagte Martin Landolt (BDP/GL). Wer jetzt noch Nachverhandlungen verlange, der klammere aus, dass das Endresultat bereits vorliege.

Markus Ritter (CVP/SG) bezeichnete den bisherigen Prozess als «nicht sehr glücklich». Es sei nun von grosser Bedeutung, dass die weiteren Gespräche und Zusatzverhandlungen auch innenpolitisch in einem Klima des gegenseitigen Vertrauens und Austausches gepflegt würden.

«Knieschuss für den Bundesrat»

Härtere Worte fand Balthasar Glättli (Grüne/ZH): «Der Bundesrat hat mit dieser Pseudokonsultation ein Theater veranstaltet, bei welchem man wirklich sagen musste, was soll denn das.» Er sei aber überzeugt, dass das Parlament den Spiess jetzt noch umdrehen könne.

Genau das bezweifelte Hans-Peter Portmann (FDP/ZH). Er übte Kritik am Vorgehen der Kommission. Die Motion sei «ein Knieschuss für den Bundesrat». Sie lege nur Steine in die Wege. «Das, was hier drin steht, kann nicht erfüllt werden.» Es werde keine Zusatzverhandlungen geben.

Gelassener Cassis

Aussenminister Cassis reagierte in seinem Votum nicht auf die Kritik und auf allgemeine Bemerkungen zum Rahmenabkommen. Er legte nüchtern dar, weshalb die angenommene Motion den Bundesrat nicht überzeuge. Nach der breit abgestützten Konsultation brauche es keinen weiteren parlamentarischen Auftrag, sagte er.

Für den Bundesrat sei klar: «Ohne Klarstellungen haben wir in der Schweiz keine ausreichende Unterstützung fürs Rahmenabkommen.» Es gehe nun darum, dieses mehrheitsfähig zu machen. Die Marschrichtung des Bundesrats sei immerhin «weitgehend deckungsgleich» mit den drei Punkten der Motion.


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