Bundespräsidium Ignazio Cassis wird zum ersten Mal Bundespräsident

gg, sda

8.12.2021 - 12:21

Der neu gewählte Bundespräsident Ignazio Cassis will im nächsten Jahr den Zusammenhalt der Schweiz stärken. "Wir lassen uns nicht spalten", sagte er.
Der neu gewählte Bundespräsident Ignazio Cassis will im nächsten Jahr den Zusammenhalt der Schweiz stärken. "Wir lassen uns nicht spalten", sagte er.
Keystone

Ignazio Cassis ist im kommenden Jahr Bundespräsident, zum ersten Mal in seiner Karriere. Die Vereinigte Bundesversammlung hat den 60-jährigen Tessiner FDP-Politiker am Mittwoch mit 156 Stimmen in das Amt gewählt.

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Insgesamt ist das Wahlergebnis verglichen mit den Vorjahren unterdurchschnittlich. Der Bundespräsident des laufenden Jahres, Guy Parmelin, wurde vor einem Jahr mit 188 Stimmen gewählt. Das bisher schlechteste Resultat erzielte 2011 die Genfer SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey mit 106 Stimmen. Das beste Resultat in den letzten Jahrzehnten erzielte SVP-Bundesrat Ueli Maurer 2018 mit 201 Stimmen.

Cassis ist erst der fünfte Tessiner, der den Bund seit 1848 präsidiert. Zuletzt hatte mit CVP-Bundesrat Flavio Cotti in den Jahren 1991 und 1998 ein Bundesrat aus dem Südkanton das Amt inne. Exakt fünfzig Jahre nach Nello Celio ist Cassis zudem der zweite FDP-Bundespräsident aus dem Kanton Tessin.

Jahr des gegenseitigen Zuhörens

Cassis will sich in seinem Amtsjahr für Freiheit, Einheit sowie Zusammenhalt einsetzen. Der Titel seiner Rede vor der Vereinigten Bundesversammlung lautete: «Wir lassen uns nicht spalten.» Die Pandemie treffe alle: Kranke und Gesunde, Junge und Alte, Geimpfte und Ungeimpfte, Zentralisten und Föderalisten.

Wie sein Vorgänger Parmelin wird Cassis insbesondere als Krisenmanager gefragt sein. «Ich bin mir der damit verbundenen Verantwortung bewusst», sagte er. Einerseits zeigte sich der designierte Bundespräsident überzeugt, dass die Krise bald enden könnte. Andererseits sagte er, dass die Pandemie viel Geduld verlange. Letztlich hätten es die Menschen aber immer geschafft, wieder auf die Beine zu kommen.

«Gerade in einer Zeit der Verletzlichkeit, der wachsenden Ungeduld und der drohenden Polarisierung müssen wir uns darauf besinnen, was uns verbindet, was den nationalen Zusammenhalt ausmacht. Was uns eint», sagte Cassis weiter. Er erkläre 2022 deshalb als ein Jahr des gegenseitigen Zuhörens, des Ausgleichs zwischen den Parteien und der Kreativität.

Pluralität als Plus

Cassis erinnerte daran, dass die Vielfalt schon immer die Stärke der Schweiz war. «Sie ist unser Motor, unsere Raison d'être.» Die Pluralität sei kein Luxus, aber ein «grosser Reichtum». Vielfalt schaffe Ideenreichtum, durch Pluralität entstehe Innovation. Es sei kein Zufall, dass die Schweiz eines der innovativsten Länder sei.

Was für das Individuum gelte, gelte auch für das Land, hielt Cassis weiter fest. Vielfalt erfordere Energie, Engagement, Frustrationstoleranz. Aber auch die Fähigkeit, sich immer wieder in die Haut des anderen zu versetzen und bereit zu sein, auf etwas zu verzichten.

«In Achtung der Vielfalt zu leben – das ist ein ständiger Willensakt der Schweiz», sagte Cassis. Im Laufe der Jahrhunderte habe dies Sicherheit, Wohlstand und Unabhängigkeit gesichert. «Ich wünsche mir, dass dieser Akt des Willens auch nächstes Jahr gelebt wird.»

Suche nach dem Mittelweg

Cassis wird ein Jahr lang als «primus inter pares» (Erster unter Gleichen) die Bundesratssitzungen leiten und Repräsentationspflichten wahrnehmen. Mit Cassis übernimmt ein Mann das Amt des Regierungspräsidenten, der laut Beobachtern nicht die Konfrontation, sondern den Mittelweg sucht und das Kollegialitätsprinzip hochschätzt.

In den Bundesrat gewählt worden war Cassis im September 2017. Er trat die Nachfolge von FDP-Bundesrat Didier Burkhalter an. Seit dem 1. November 2017 ist er Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Gemessen werden wird Cassis auch nächstes Jahr an der Europapolitik, die seit dem Abbruch der Verhandlungen um ein Rahmenabkommen blockierter scheint denn je.

Alain Berset ist Vizepräsident

Zum Vizepräsidenten wählte die Vereinigte Bundesversammlung den 49-jährigen Freiburger SP-Bundesrat Alain Berset. Er erhielt 158 Stimmen. Berset wird damit voraussichtlich in einem Jahr zum Bundespräsidenten des Jahres 2023 gewählt.

Bersets Wahl in den Bundesrat war im Dezember 2011 erfolgt. Er trat die Nachfolge seiner Genfer Parteikollegen Micheline Calmy-Rey an. Seit dem 1. Januar 2012 ist Berset Vorsteher des Eidgenössischen Innendepartements (EDI). 2018 war er bereits einmal Bundespräsident.