Zu viele Krankenhäuser? Experte sieht keine Zukunft für Zürcher Landspitäler

Stefan Michel

25.10.2024

Das Spital in Wetzikon ist in grosser Finanznot. Ein Gesundheitsökonom würde es wie auch die weiteren Landspitäler im Zürcher Oberland schliessen.
Das Spital in Wetzikon ist in grosser Finanznot. Ein Gesundheitsökonom würde es wie auch die weiteren Landspitäler im Zürcher Oberland schliessen.
Keystone

Für Gesundheitsökonom Heinz Locher sind die Zürcher Landspitäler Relikte aus alter Zeit, die keine Berechtigung mehr haben: Zwischen Zürich und Rapperswil brauche es keine weiteren Krankenhäuser.

Stefan Michel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ein Gesundheitsökonom schlägt vor, alle Spitäler im Zürcher Oberland aufzugeben.
  • Die Konzentration auf weniger Standorte erhöhe die Qualität der Gesundheitsversorgung – sogar in Notfällen.
  • Der Experte ist überzeugt, dass mehr Eingriffe ambulant vorgenommen werden könnten. Das würde Kosten senken, die Pflegenden entlasten und den Pflegeberuf attraktiver machen.

Dem Spital Wetzikon steht das Wasser bis zum Hals. Es hat 170 Millionen Franken Schulden und einen Neubau, den es bis auf Weiteres nicht fertigstellen kann. Heute hat es einen Sanierungsplan vorgestellt, der von den Gläubigern fordert, auf zwei Drittel ihrer Forderungen an das Gesundheitszentrum zu verzichten.

Gesundheitsökonom Heinz Locher empfiehlt, die Spitäler Wetzikon und Uster sofort zusammenzulegen. Er hat vor einigen Jahren die Fusion der Zürcher Spitäler Bauma, Wald und Rüti mit jenem in Wetzikon geleitet und kennt sich in der Schweizer Spitallandschaft aus.

Im Gespräch mit dem «Tages-Anzeiger» schlägt er vor, radikal auszudünnen. In zehn Jahren könne das Zürcher Gesundheitssystem neu aufgestellt sein, ist er überzeugt. Voraussetzung sei, dass der Kanton Zürich umgehend mit der Umgestaltung beginne.

Die Fusion der Spitäler Uster und Wetzikon wird seit Jahren diskutiert und mal vorangetrieben, dann wieder sistiert. Locher würde sie auf der Stelle vollziehen und dazu Druck machen: Gesundheitsdirektorin Nathalie Rickli könnte alle aktuellen Aufträge zurückhalten, bis die beiden Spitäler ihr verbindlich aufzeigten, wie sie ab 2025 zusammenarbeiten werden.

Null statt drei Spitäler im Zürcher Oberland

Längerfristig braucht es laut dem Gesundheitsökonomen auch dieses fusionierte Spital nicht. Seine These sei, dass zwischen Zürich und Rapperswil (SG) kein Spital mehr notwendig sei. 

Das würde auch das Spital Männedorf am Zürichsee von der Karte fegen. Von aktuell noch drei Häusern im Zürcher Oberland bliebe keines übrig. Locher empfiehlt, die aufgehobenen Spitäler in Gesundheitszentren umzuwandeln. In diesen gäbe es «Walk-in-Notfallstationen» und Arztpraxen – aber keine grossen Bettenstationen wie bisher. Es würden dort auch keine grossen Operationen mehr durchgeführt.

Dass damit das Zürcher Oberland keine schnell erreichbare Notaufnahme mehr hätte, lässt er nicht gelten. Entscheidend sei, dass der Rettungsdienst rasch bei den Menschen sei, die medizinische Hilfe brauchten. Die sehr gut ausgebildeten Sanitäter*innen würden die Person stabilisieren und entscheiden, wo sie hingebracht wird.

Notfallversorgung werde nicht leiden

Ob die nächste Notfallstation zehn Fahrminuten weiter entfernt sei, spiele für die Versorgung der Patienten keine Rolle. Wichtig sei hingegen, dass die verbleibenden Spitäler in Zürich und Rapperswil SG je ein grosses Ambulatorium hätten. Für Menschen im nördlichen Zürcher Oberland kann auch das Kantonsspital Winterthur das nächstgelegene sein. 

Auch ist es laut Heinz Locher zumutbar, für geplante Operationen zwanzig Minuten länger zu fahren als bisher. Der Vorteil sei, dass beispielsweise das künstliche Hüftgelenk von einem Team implantiert werde, das dies pro Jahr 300-mal mache und nicht bloss 25-mal. Die Konzentration der Gesundheitsversorgung auf weniger Standorte würde deren Qualität steigern, ist er überzeugt.

Für den Mangel an Hausärzten bietet Locher im Gespräch mit dem «Tages-Anzeiger» keine Lösung an. Er verweist auf bestehende Angebote wie Pflegefachleute, die in Apotheken gewisse Behandlungen anbieten und falls nötig am Bildschirm einen Arzt oder eine Ärztin beiziehen können.

Zudem hofft der Experte, dass mehr Eingriffe ambulant durchgeführt werden, wenn weniger Betten zur Verfügung stehen oder diese weiter entfernt sind. So entfielen auch Nachtdienste und der Pflegeberuf würde attraktiver.

Ökonom: Konzentration steigert Qualität 

Locher weiss auch, wie Nathalie Rickli der Bevölkerung die Aufhebung von Spitälern verkaufen kann: Die Regierungsrätin müsse sie überzeugen, dass die Notfallversorgung besser würde und kein Mangel an Spital-Kapazität entstünde.

Der Grund, weshalb viele Menschen am kleinen Spital in ihrer Nähe hängen, ist genau diese kleine Distanz und Überschaubarkeit. Dafür hat Locher keinen Ersatz. 

Für ihn steht fest, dass sich die vielen Regionalspitäler langfristig nicht finanzieren lassen. Spitalpolitik werde immer noch als Spitalbaupolitik betrieben. Die Verantwortlichen würden sich überlegen, wie sie ihre Krankenhäuser füllen können. Stattdessen müsste der Kanton klären, welche medizinische Dienstleistung er wo erbringen wolle.