Verlierer der Wahlen«Eine Abwahl fühlt sich an wie eine fristlose Entlassung»
SDA/phi
21.10.2019
Sie sitzen zum Teil seit mehr als einem Jahrzehnt im Parlament – und müssen nun damit klarkommen, nicht mehr mitentscheiden zu können: Das Abwahl-Schicksal hat einige Politiker hart getroffen.
31 amtierende Nationalratsmitglieder haben von der Wählerschaft einen Korb bekommen. Das sind leicht mehr als bei den drei letzten Wahlen, als jeweils etwa zwei Dutzend abgewählt wurden.
Unter den Entlassenen sind so bekannte Namen wie der doppelte Bundesratskandidat Jean-François Rime und die beiden Dienstältesten Maximilian Reimann und Luzi Stamm. Die Nationalrätinnen haben ihre Sache in der vergangenen Legislatur offenbar gut gemacht: Nur vier wurden abgewählt. Das sind 13 Prozent, weit weniger als der (bisherige) Frauenanteil im Nationalrat von 32 Prozent.
Die Parteizugehörigkeit der Abgewählten verteilt sich ungefähr so wie die Verluste ihrer Parteien: Die SVP schwingt mit acht Abgewählten obenaus, gefolgt von der SP mit sechs und der FDP mit fünf. Bei der glücklosen BDP müssen drei Nationalräte und eine Nationalrätin ihren Sitz räumen, ebenso bei der CVP. Komplettiert wird die Streichliste von einem MCR-Nationalrat und einer Lega-Nationalrätin – plus den beiden «Übrigen» Reimann und Stamm.
Fettnäpfchen rechts des Weges
Das Ex-SVP-Duo gehört zu den bekanntesten Politikern des Landes: Reimann war schon 15 Jahre TV-Journalist, ehe er 1987 Nationalrat wurde. 1995 bis 2011 sass er in der kleinen Kammer, danach kehrte er in den Nationalrat zurück. Nachdem der 77-Jährige – wie der ebenfalls abgewählte Luzi Stamm – von der SVP nicht mehr aufgestellt worden war, tat er einen eigenen Laden auf, eine Liste 65+. Dieser hat es nun wie vermutet nicht gelangt.
Ähnlich sein zehn Jahre jüngerer Parteikollege Luzi Stamm, der seit 1991 im Nationalrat sass. Er stieg – ebenfalls im Aargau – mit einer «LS – Luzi Stamm» betitelten Liste 13 ins Rennen. Sie brachte ihm kein Glück. Letzteres hatte er im Vorfeld der Wahlen ohnehin etwas strapaziert, unter anderem mit einer vierseitigen Wahlbeilage, in der er die verstorbenen Hilfswerksgründer Beat Richner und Margrit Fuchs als seine Referenzen angab.
Eine Retourkutsche war es auch, welche den Waadtländer CVP-Nationalrat Claude Béglé aus der grossen Kammer herausgefahren hat: Seine verherrlichenden «Schönwetterberichte» aus den Ferien in Nordkorea hat die Wählerschaft offenbar nicht gut aufgenommen.
Grosse Kantone – viele Abgewählte
Mit dem Zürcher SVP-Nationalrat Claudio Zanetti muss ein weiterer leidenschaftlicher Twitterer den Hut nehmen. Er postulierte in dem sozialen Medium unter anderem: «Grün kann nur wählen, wer überzeugt ist, dass er zu einem selbstverantwortlichen (sic!) Leben nicht in der Lage ist.»
Zanetti ist mit seinem Schicksal im Kanton nicht allein: Sein Los teilen auch Gewerbeverbandspräsident Hans-Ulrich Bigler (FDP), der mit der «No Billag»-Initiative nationale Bekanntheit erlangte, sowie Rosmarie Quadranti von der BDP und die SP-Nationalräte Martin Naef und Thomas Hardegger. Das Aus kam auch für CVP-Politikerin Kathy Riklin, die auf der CSV-Liste antrat.
Wie in Zürich mussten auch in Bern zwei SP-Nationalräte über die Klinge springen: Corrado Pardini und Adrian Wüthrich. Auch der Bernjurassier Manfred Bühler (SVP) sowie Heinz Siegenthaler von der BDP haben von der Wählerschaft den Schuh bekommen.
Vermeintlich sattelfeste SVP-Räte
Während für die Kantone Zürich und Bern mit ihren 35 respektive 24 Nationalratssitzen vier bis sechs Abgewählte normal sind, traf den Kanton Graubünden schier der Schock: Gleich zwei Nationalräte wurden abgewählt, dabei hat der Kanton nur fünf Sitze. Heinz Brand, seit 2011 für die SVP im Nationalrat, hätte diesen übernächstes Jahr präsidieren sollen.
Daraus wird jetzt nichts. Schluss auch für Duri Campell: Ohne ihn ist die Bündner BDP im Bundesparlament nicht mehr präsent. Einen weiteren Nationalrat verlor die BDP mit dem Aargauer Bernhard Guhl. Einen Schock, fast so heftig wie derjenige Graubündens, erlebte der Kanton Glarus: Der 35-jährige Grüne Mathias Zopfi verdrängte den SVP-Nationalrat Werner Hösli.
Schmerzlich war die Abwahl wohl auch für den Freiburger Jean-François Rime, 16 Jahre lang Nationalrat und SVP-Bundesratskandidat 2010 und 2011. Gleich lang war auch sein Luzerner Parteikollege Felix Müri in der grossen Kammer zu Hause. Enttäuscht ist auch Sebastian Frehner von der SVP Basel-Stadt: Er will sich nun aus der aktiven Politik zurückziehen.
Weitere Abgewählte sind aus St. Gallen Thomas Müller und Barbara Keller-Inhelder, beide SVP, und Thomas Ammann (CVP), aus dem Thurgau Hansjörg Brunner (FDP), aus Solothurn Philipp Hadorn (SP), aus der Waadt sein Parteikollege Nicolas Rochat Fernandez und der FDP-Nationalrat Laurent Wehrli, Peter Schilliger aus Luzern (FDP), Roberta Pantani von der Lega Tessin, Thomas Egger (CVP) aus dem Wallis, Philippe Bauer (FDP) aus Neuenburg sowie Roger Golay vom Mouvement citoyens genevois.
Sie ist die strahlende Siegerin der Wahlen: Grünen-Präsidentin Regula Rytz. Ihre Partei kann den Wähleranteil mit 13,2 Prozent verdoppeln, sie ist erstmals stärker als die CVP.
Bild: Keystone/Peter Schneider
Auch GLP-Chef Jürg Grossen gehört zu den grossen Gewinnern: Seine Partei gewinnt ebenfalls massiv Wähleranteile hinzu und voraussichtlich neu Sitze zusätzlich erhalten.
Bild: Keystone/Anthony Anex
SVP-Präsident Albert Rösti ist der grösste Verlierer der Wahlen vom Sonntag: Seine Partei büsst zwölf Sitze im Nationalrat ein. Und auch Petra Gössis FDP muss Verluste hinnehmen, wenn auch in geringerem Mass: minus vier Sitze im Nationalrat.
Bild: Keystone/Peter Klaunzer
Immerhin ein kleiner Trost für Rösti: Er wurde mit den meisten Stimmen in den Nationalrat gewählt. 128'252 Stimmen konnte der landesweite Stimmenkönig auf sich vereinen.
Bild: Keystone/Anthony Anex
Christian Levrat muss gleich zwei Niederlagen verkraften: Zum einen büsst seine SP Wähleranteile und damit vier Sitze im Nationalrat ein, zum anderen kann er seinen Ständeratssitz im Kanton Freiburg nicht im ersten Anlauf verteidigen.
Bild: Keystone/Cyril Zingaro
Zu den grossen Verlierern zählt die BDP – im Kanton Graubünden hat Duri Campell seinen Sitz verloren, und auch in anderen Kantonen büsste die Partei Sitze ein. Damit kommt die Partei, die sich einst von der SVP abgespaltet hat, künftig nicht mehr auf Fraktionsstärke.
Bild: Keystone/Gian Ehrenzeller
Eine eigentliche Sensation schaffte Mathias Zopfi im Kanton Glarus: Der 35-jährige Grüne gewinnt das Rennen um einen Sitz im Ständerat gegen den amtierenden SVP-Politiker Werner Hösli.
Bild: Keystone/Handout
Und gleich noch eine Überraschungssiegerin der Grünen: Céline Vara zieht für den Kanton Neuenburg in den Ständerat ein. Der Sitzgewinn der 35-Jährigen Politikerin geht zulasten der SP.
Bild: Keystone/Jean-Christophe Bott
Freuen kann sich auch Magdalena Martullo-Blocher: Die SVP-Frau kann ihren Bündner Nationalratssitz problemlos verteidigen. Ihr Parteikollege Heinz Brand dagegen verliert sein Mandat in der grossen Kammer.
Bild: Keystone/Gian Ehrenzeller
Monika Rüegger heisst die strahlende Siegerin der SVP im Kanton Obwalden: Sie holt für ihre Partei nach acht Jahren den Sitz im Nationalrat zurück, zudem ist sie die erste Frau, die der Innerschweizer Kanton nach Bern schickt.
Bild: Keystone/Urs Flüeler
Mit Hans-Ulrich Bigler, hier ein Archivbild, verpasst ein prominenter FDP-Vertreter die Wiederwahl: Der Präsident des Gewerbeverbands fällt nach vier Jahren wieder aus der grossen Kammer.
Bild: Keystone/Anthony Anex
Auch bei der SP hat der Sitzverlust bekannte Namen getroffen, allem voran Gewerkschafter Corrado Pardini. Der Nationalrat, auch hier auf einem Archivbild, hat die Wiederwahl verpasst.
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