Badeunfälle, Schwäche, Ozon Die Gefahren der Hitzewelle – neue Sahara-Luft nähert sich

SDA

27.6.2019 - 18:14

Die Hitzewelle in der Schweiz hat auch viele Schattenseiten. Und: Bald rollt die nächste Welle heisser Sahara-Luft auf Europa zu.

Tragische Badeunfälle, hohe Ozonwerte und mehr Notfälle wegen Kreislaufproblemen: Die anhaltende Hitzewelle in der Schweiz hat neben der Sonnen- auch eine Schattenseite. Zum Durchatmen bleibt wenig Zeit. Bald rollt die nächste Welle heisser Sahara-Luft auf Europa zu.

Hoch «Ulla» bescherte am Donnerstag einigen weiteren Schweizer Stationen einen neuen Juni-Temperaturrekord. Gemäss SRF Meteo war es in Piotta TI 35,1 Grad (alter Rekord: 34 Grad), in Cimetta TI 29,7 Grad (26,2 Grad) und in Poschiavo GR 34,3 Grad (33,1 Grad) heiss.

Laut Meteoschweiz wurden am späten Donnerstagnachmittag in Koppigen BE und Cevio TI über 36 Grad registriert. In Sitten wurde mit 36,6 Grad der höchste in diesem Jahr in der Schweiz gemessene Wert erreicht.

Schon in der Nacht war es sehr warm gewesen. In Vevey VD sank das Thermometer nicht unter 25 Grad. Auf der Lägern an der Kantonsgrenze von Zürich und Aargau wurden über 24 Grad gemessen. Mehr als 23 Grad gab es zudem auf dem Pfannenstiel oberhalb des Zürichsees und dem Hörnli im Zürcher Oberland sowie in Lugano TI und in Locarno TI.

Hochwasser- und Waldbrandgefahr

Gemäss Naturgefahrenbulletin des Bundes herrscht in weiten Teilen des Wallis, des Tessins und im Gebiet um Basel auch in den kommenden Tagen die zweithöchste von fünf Hitze-Gefahrenstufen. Die Behörden rechnen erst ab Dienstag mit einer Entspannung.

Wegen der Hitze schmilzt in den Bergen auch der teilweise noch massig vorhandene Schnee. Das führt zu erhöhten Abflüssen in alpinen Gewässern. Am Bodensee und an der Rhone herrscht deshalb mässige Hochwassergefahr.

Das Risiko von Waldbränden ist aufgrund der Trockenheit ebenfalls gestiegen. In der Nordwestschweiz und im Tessin herrscht «erhebliche» Gefahr. Die betroffenen Kantone mahnen zu sorgfältigem Umgang mit Feuer im Freien.

Zu viel Ozon in der Luft

Verschiedene Kantone warnen in diesen Tagen zusätzlich vor den aktuell hohen Ozonwerten – insbesondere in der Nord- und der Südschweiz. Vor allem im Sottoceneri lagen die Ozonwerte deutlich über dem Grenzwert von 120 Mikrogramm pro Kubikmeter (μg/m3).

Den Spitzenwert erreichte am Mittwoch Chiasso TI mit 296 μg/m3. Auch in Mendrisio TI wurden über 260 μg/m3 gemessen. Dort und an weiteren Orten wurde der Schwellenwert von 240 μg/m3 (europäischer Alarmwert) während drei oder mehr aufeinanderfolgenden Stunden überschritten.

Deshalb gilt auf der A2 zwischen Chiasso und Taverne TI sowie auf der A394 zwischen Mendrisio und Gaggiolo TI ab sofort jeweils am Nachmittag Tempo 80. Vom Limit ausgenommen sind Fahrzeuge der Rettungsdienste. Neben der Geschwindigkeitsbegrenzung ordneten die Behörden im Südkanton an, dass auf Autobahnen ein Überholverbot für schwere Fahrzeuge gilt.

Appell an Bauherren

Die kantonalen Umweltschutzämter rufen die Bevölkerung wegen der schlechten Luftqualität auf, körperliche Anstrengungen anzupassen und einen Beitrag zu weniger Luftschadstoffen zu leisten. Der Bevölkerung wird etwa empfohlen, sich wenn immer möglich unmotorisiert fortzubewegen.

In mehreren Kantonen der Westschweiz, wo die Ozonwerte ebenfalls deutlich über dem Grenzwert liegen, wurde eine Werbeaktion zur Förderung des öffentlichen Verkehrs lanciert: Beispielsweise winkt für den Kauf eines Schnupper-Halbtaxabos eine Ermässigung.

Die Gewerkschaft Unia forderte die Bauherren auf, den Schutz der Gesundheit ihrer Angestellten zu gewährleisten. Baustellen seien zu schliessen und die Arbeitszeiten anzupassen. Insbesondere die öffentlichen Bauherren, wie das Astra, die SBB oder Kantone, Städte und Gemeinden, müssten nun ihre Abgabetermine verschieben.

Kreislauf gefordert

Dass die Gesundheit während der Hitzeperiode gefährdet sein kann, zeigt ein Blick in die Notfallstationen von Schweizer Spitälern. Diese haben in den vergangenen Tagen teilweise vermehrt mit Herz-Kreislauf-Patienten zu tun, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zeigt.

«Es gibt Patienten jeden Alters, die wegen der Hitze in den Notfall am Unispital Zürich kommen», sagte eine Sprecherin. Sie litten vor allem an Hitzeerschöpfung, also Schwäche, Schwindel oder Kreislaufkollapsen.

Auch das Universitätsspital Basel und das Kantonsspital Aarau berichten von einer Zunahme von Notfällen. Andernorts, wie beispielsweise im Berner Inselspital, rechnen die Verantwortlichen vorderhand nicht mit einem Ansturm von Patienten, die wegen der Hitze gesundheitliche Probleme haben.

16-Jährige ertrinkt in der Aare

Um einer Überhitzung entgegenzuwirken, hilft beispielsweise ein Bad. Laut dem Wetterdienst Meteonews liegen die Temperaturen aller grösseren Schweizer Seen derzeit über 20 Grad – die Ausnahme bildet der Brienzersee im Berner Oberland mit 19 Grad.

Weil sich bei den hohen Temperaturen mehr Menschen ins kühle Nass wagen, mehren sich auch die Badeunfälle. Beim Stauwehr Engehalde in Bern wurde am Mittwochnachmittag eine 16-jährige Schweizerin aus dem Kanton Bern tot aus der Aare geborgen.

Der fünfjährige Knabe, der am Mittwoch regungslos auf dem Grund des Schwimmbads in Rotkreuz ZG lag und von Badegästen geborgen wurde, ist dagegen wieder wohlauf. Er könne das Spital bald verlassen, hiess es am Donnerstag.

Keine siebenwöchige Periode

Weil das Wetter auch am Wochenende heiss und trocken bleibt, reagieren auch die Veranstalter von verschiedenen Outdoor-Veranstaltungen. Das Open Air St. Gallen stellt zusätzliche Schattenplätze zur Verfügung und lockert die Getränkeregeln.

Gemäss alter Bauernregel müssten sich weitere Festivalorganisatoren bald ähnliche Gedanken machen. Am Donnerstag war nämlich Siebenschläfertag. Dieser besagt: «So wie das Wetter am Siebenschläfertag, so es sieben Wochen bleiben mag!»

Doch die Meteorologen beruhigen. Ein Tag entscheide nicht über den weiteren Sommerverlauf. Laut den neusten Prognosen kommen in der kommenden Woche allmählich Gewitter auf, und die Temperaturen gehen zumindest etwas zurück.

Bilder aus der Schweiz
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