Bernhard SchaubDer Berner «Hardcore-Nazi», der alle zu Deutschen machen will
Philipp Dahm
10.9.2018
Bernhard Schaub nimmt eine «führende Rolle» unter Deutschlands Rechten ein. Der Berner hat in der Schweiz braune Saat gesät, doch seine Propaganda blüht inzwischen im Norden auf. Nun hat er Ärger mit der Justiz.
Bei Tobias Schulz vom Parteivorstand der Nationalen Partei Deutschlands (NPD) ist Bernhard Schaub ein «gern gesehener Gast». Weil der Schweizer Schaub knapp bei Kasse ist, hilft «Baldur Landogart», wie Schulz sich auf Facebook nennt, wo er kann: «Wer etwas für einen guten Zweck spenden möchte, dem möchte ich ans Herz legen, Kamerad Schaub eine kleine Unterstützung zukommen zu lassen, da gegen ihn auch aktuell ein Strafbefehl – wegen einer in Dresden gehaltenen Rede – läuft», schreibt Schulz bei Facebook.
Schaub ist es gewohnt, dass ihn seine notorische Gesinnung um Lohn und Brot bringt. Der 64-Jährige hat einst als Lehrer für Deutsch und Geschichte an der Rudolf-Steiner-Schule in Adliswil ZH gearbeitet. «Das liegt jetzt lange zurück. Das sind jetzt 25 Jahre. Ich hab dann ein erstes Büchlein herausgebracht und da beiläufig ein paar Fragen gestellt zu dem was man gewöhnlich unter Holocaust versteht», sagt Schaub im Interview mit dem «Volkslehrer», wie sich Nikolai Nerling auf YouTube nennt.
Das wird man ja wohl noch mal leugnen dürfen
Der Deutsche Nerling arbeitet selbst bis zur Suspendierung im Januar 2018 als Lehrer in Berlin. Im Mai ist laut «Tagesspiegel» die fristlose Kündigung erfolgt – Nerling hat sie angefochten. Der Grund für die Entlassung: Verbreitung von Verschwörungstheorien und Leugnung des Holocausts. Ähnlich wie bei Schaub, dem sein Pamphlet «Adler und Rose» 1993 den Job gekostet hat. Dabei hätten ihm damals die «Kollegen und die anderen, die das gelesen haben», doch gesagt, dass der Inhalt zwar «scharf» sei, aber «dass man das doch eigentlich unbedingt aussprechen müsse».
Dass Schaub heute nicht Schweizer Schulkindern beibringt, es habe den Massenmord der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg nicht gegeben, ist dem «Brückenbauer» (das heutige «Migros Magazin») zu verdanken. Dessen Chefredaktor, laut Schaub «ein gewisser Jude», habe Druck auf die Schule ausgeübt und gemeinsam mit den Medien seine Demission erwirkt – es ist befremdlich, der Berner sieht sich ganz offensichtlich als Opfer.
Schaub tut sich nach seiner Entlassung mit dem Basler Jürgen Graf zusammen, der seine Lehrerstelle ebenfalls wegen Leugnung des Holocausts verloren hatte. Sie gründen einen Verein, der ihre Sicht auf die Geschichte unters Volk bringen soll: die «Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der Zeitgeschichte». Welches Volk das ist, sagt er im Gespräch mit dem «Volkslehrer» Nerling: «Dass die Deutschschweizer auch Deutsche sind, ist das bestgehütete Geheimnis der Schweiz.»
Schuld sind immer dieselben
Eine Ironie der Geschichte von Bernhard Schaub ist, dass er zunächst ausgerechnet in einer Migros-Institution wieder Arbeit findet: In der Klubschule in Frauenfeld TG wird er als «pädagogischer Mitarbeiter» angestellt, bis 1999 auch dort seine Umtriebe bekannt werden und zur Entlassung führen. Das gibt Schaub, der auch unter den Pseudonymen «Hans Herzog» oder «E. Wolff» auftritt, Gelegenheit, ab 2000 beim Aufbau der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) tatkräftig mitzuwirken. Für die rechtsextremen Schweizer schreibt er das Parteiprogramm.
Und der Pferdefreund vernetzt sich mit seinen Gesinnungsgenossen in Deutschland und hält Vorträge wie im Dezember 2001 beim NPD-Kreisvorstand Böblingen, beim Bündnis Rechts oder der Bewegung deutsche Volksgemeinschaft. 2003 zügelt er von Donach SO nach Kreuzlingen TG. Seinem Vermieter schreibt er, dass er wegzieht, weil er als «Neonazi» geoutet worden sei: «Die Juden, genauer: Samuel Althof von der Aktion Kinder des Holocaust, haben zur Treibjagd gegen mich aufgerufen», zitiert die «Basellandschaftliche Zeitung» aus dem Brief.
Sein Geld bekommt der Schweizer vom Staat, den er doch eigentlich abschaffen möchte. «Ich bin Sozialhilfeempfänger, ich bin ein staatlich bezahlter Rechtsextremer», provoziert Schaub laut «Kreuzlinger Zeitung». Seine Erfüllung findet Schaub dagegen auch in Deutschland, wo er 2003 den fünf Jahre später verbotenen Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten mitgründet. Die weiteren Namen der Initiatoren lesen sich wie das Who is Who der westdeutschen Neonazi-Szene: Horst Mahler, Manfred Roeder und Ernst Zünddel finden sich darunter. Und der Basler Jürgen Graf – der Schweizer tritt 2006 als Gastredner an einer Konferenz von Holocaustleugnern in Teheran auf.
Europäische Aktion – Neonazis International
Schaub ruft weitere Organisationen ins Leben, nachdem er 2004 angeblich freiwillig aus der PNOS austritt: In der Schweiz kann sich seine Nationale Ausserparlamentarische Opposition (NAPO) nicht etablieren, doch die Europäische Aktion (EA) kann ab 2010 am rechten Rand Erfolge erzielen. «Ihren organisatorischen Schwerpunkt hält die EA in der Schweiz. Dort betreibt sie ein so genanntes Zentralsekretariat und einen Verlag», schreibt der Verfassungsschutz des deutschen Bundeslands Thüringen 2016. Die Anhänger seien aber zumeist Deutsche.
Die hierarchisch geführte EA wird in «Stützpunkte» unterteilt und von «Gebietsleitern» geführt. Im Juni 2017 wird die Organisation, die eine «Europäische Eidgenossenschaft unter der Führung eines dominierenden Deutschen Reichs» fordert, in Deutschland verboten. Doch den rechtsextremen Berner kümmert das kaum. Er soll sich auf einem Hof nahe Demmin in Mecklenburg-Vorpommern eingerichtet haben. 2015 schickt er seinen Sohn in das Sommerlager «Sturmvogel – Deutscher Jugendbund».
Unter den Experten für die deutsche Nazi-Szene ist der umtriebige Schweizer dann auch beileibe kein Unbekannter. Er sei «in dieser Szene sehr gut vernetzt», sagt André Aden, Mitarbeiter des Projekts Recherche Nord, der «NZZ am Sonntag» (Artikel kostenpflichtig). Für Aden gehört «Bernhard Schaub zum harten Kern der Neonazis». Ein anonymer Kenner geht noch weiter: «Im Milieu der Rechtsextremen nimmt Bernhard Schaub eine führende Rolle als Redner ein.»
Neonazis und Islamisten: Kooperation des Grauens
Auch für den Journalisten Hans Stutz, der viel über die Szene schreibt, hat der Berner «innerhalb der intellektuellen Elite der Rechtsextremen eine führende Rolle inne. Schaub ist ein Hardcore-Neonazi», zitiert «20 Minuten» Stutz.
Doch nun holt Schaub seine braune Vergangenheit ein: Auf einer Veranstaltung anlässlich der Bombardierung Dresdens im Februar 2017 stösst seine Rede nicht auf taube Ohren. Er wird wegen Volksverhetzung zu einer Busse von umgerechnet 5400 Franken verurteilt. Schaub hat dagegen Einsprache erhoben.
Wann sein Prozess im Dresden stattfinden wird, konnte die «NZZ am Sonntag» nicht in Erfahrung bringen. Vielleicht macht es Schaub ja wie sein Basler Gesinnungsgenosse Jürgen Graf. Als dieser in Frankreich, Deutschland und der Schweiz zu Geld- und Haftstrafen verurteilt worden war, setzte er sich kurzerhand nach Russland ab. Dort arbeitet er mit Ahmed Rami zusammen, der Neonazis und Islamisten vernetzen will.
Die Bildergallerie zum 75. Todestag von Sophie Scholl:
«Wir schweigen nicht» - zum 75. Todestag der Geschwister Scholl
Undatiertes Foto von Hans Scholl, Sophie Scholl und Christoph Probst (von links). Sie wurden als Mitglieder der Münchner Widerstandsbewegung «Weisse Rose» mit anderen Mitgliedern dieses Ringes vom NS-Regime 1943 hingerichtet, nachdem sie beim Verteilen von Flugblättern erwischt wurden, die sich gegen Hitler und die NS-Herrschaft richteten.
Bild: Keystone
Die Guillotine unter der die Geschwister Scholl und einige ihrer Mitstreiter den Tod fanden, lagerte Jahrzehnte lang im Bayerischen Nationalmuseum in München und wurde erst 2014 wieder entdeckt.
Bild: Keystone
Johann Reichhart (1893-1972) war der staatlich bestellte Scharfrichter, der die Geschwister Scholl im Gefängnis München Stadelheim hinrichtete. Reichhart, der aus einer Familie von Henkern stammte, tötete in 23 Jahren 3165 Menschen. Die allermeisten davon unter den Nazis. Nach dem Krieg richtete er auch 156 verurteilte NS-Verbrecher hin. Später erklärte der Henker, er habe noch nie jemanden so tapfer sterben sehen, wie Sophie Scholl.
Bild: dpa
Am 22. Februar 1943 wurden die Geschwister Scholl gemeinsam mit ihrem Mitstreiter Christoph Probst vom berüchtigten Präsidenten des NS-Volksgerichtshofs, Roland Freisler wegen «Wehrkraftzersetzung», «Feindbegünstigung» und «Vorbereitung zum Hochverrat» zum Tode durch die Guillotine verurteilt. Schon am Nachmittag wurde das Urteil vollstreckt.
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Später im Jahr töteten die Nazis auch die «Weisse Rose»-Mitglieder Alexander Schmorell, Willi Graf und den in Chur geborenen Professor Kurt Huber. Letzter war der Verfasser des schicksalhaften sechsten Flugblatts.
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Erst als Sophie Scholl vom Geständnis ihres Bruders Hans erfuhr, erklärte sie sich bereit, selbst eines abzulegen. «Ich bereue meine Handlungsweise nicht und will die Folgen auf mich nehmen», war ihr Schlusswort im Verhör.
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Das Geburtshaus von Sophie Scholl, das Rathaus von Forchtenberg in Baden-Württemberg. Hier war Robert Scholl, der Vater der Geschwister Scholl, Bürgermeister. Er und seine Frau Magdalena erzogen die Kinder nach liberalen und christlichen Werten.
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Hans Scholl war wie auch seine Geschwister gegen den erklärten Willen des Vaters zunächst Mitglied der Hitler-Jugend und Anhänger des Nationalsozialismus. Gegner des Nazi-Regimes wurde er, wie auch einige seiner Freunde, vor allem während des Einsatzes als Sanitätssoldat an der Ostfront. Hier wurde ihnen deutlich, wie der Krieg geführt wurde und wie etwa Polen und die Juden von den deutschen Besatzern behandelt wurden.
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Das Wohnhaus der Scholls in Ulm, in dem die Familie ab 1932 lebte. Die Alliierten ernannten Robert Scholl, den Vater von Hans und Sophie, nach dem Krieg zum Oberbürgermeister von Ulm - ein Amt, das er nur bis 1948 bekleidete. Ihre Schwester Inge heiratete den später bedeutenden Designer Otto «Otl» Aicher, der Gründungsmitglied der bekannten Ulmer Hochschule für Gestaltung (HfG) wurde.
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