Die komplette Evakuierung ist nicht mehr ausgeschlossen: Im Bündner Dorf Brienz leben die Menschen mit der ständigen Bedrohung eines Bergsturzes. Jetzt werden schweizweit einmalige Umsiedlungspläne konkret.
Es ist ein heimeliges Bergdorf, gelegen auf einer Sonnenterrasse im bündnerischen Albulatal. Doch über Brienz ziehen sich dunkle Wolken zusammen: Der Gemeinde droht eine unvorhersehbare Naturkatastrophe. Das Dorf rutscht seit dem Jahr 2000 etwa einen Meter pro Jahr talwärts, gleichzeitig verschiebt sich der Hang über der Nordseite um mehr als vier Meter pro Jahr – schon innerhalb der nächsten Jahre muss die Bevölkerung mit einem grossen Bergsturz rechnen.
Im schlimmsten Fall muss das ganze Dorf umziehen. Die Gemeinde hat nun erstmals konkrete Planungen vorgestellt, wie die Umsiedlung gelingen soll, berichtet SRF. Zwar sei der Berg zurzeit stabil, doch das könne sich jederzeit ändern. Regenfälle etwa könnten ihn jederzeit wieder ins Rutschen bringen, sagt Daniel Albertin.
Die Ruhe ist trügerisch
Der Präsident der Gemeinde Albula/Alvra, zu der Brienz gehört, weiss, dass die Bevölkerung trotz der trügerischen Ruhe verunsichert ist. Erst im vergangenen Jahr hatte sich ein 100-Tonnen-Felsbrocken gelöst und war ungebremst ins Tal gedonnert. Dass niemand verletzt wurde und es auch sonst keine grösseren Schäden gab, war Zufall.
«Bei den meisten herrscht vor allem die Ungewissheit. Ein Gefühl, das ihnen Sorgen bereitet», sagte er SRF. Den Berg stabilisieren und das Umsiedlungsprojekt damit «schubladisieren» zu können, sei zwar der grösste Wunsch der Brienzer. Aber man müsse vorbereitet sein, damit ihrem Dorf nicht dasselbe Schicksal ereilt wie dem 2017 verschütteten Ort Bondo.
Von der Sonne in den Schatten
Raumplanerische Abklärungen hätten ergeben, dass ausreichend Baulandreserven vorhanden sind – freilich im schattigen Tal. Dorthin ziehen zu müssen, das wollen die sonnenverwöhnten Brienzerinnen und Brienzer vermeiden. Zumal auch die Kosten für die Umsiedlung noch nicht beziffert werden können. Fest steht nur: Die schweizweit einmalige Aktion würde sehr teuer werden und ohne Unterstützung von Bund und Kanton nicht realisierbar.
Auch wenn die Gemeinde die Umsiedlungspläne weiter konkretisiert: Die Bemühungen, den Berg zu stabilisieren, laufen weiter. Denn nicht nur die Dorfbewohner wären von einem Bergrutsch betroffen. Unterhalb des Ortes liegen wichtige Infrastrukturen: Verkehrswege und Stromleitungen, die für das ganze Tal von Bedeutung sind.
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