Umweltschutz Auch der Bundesrat will den Finanzplatz grüner gestalten

Von Julia Käser

22.12.2020

Der Schweizer Finanzplatz soll nachhaltiger werden. Während der Bundesrat auf Eigenverantwortung setzt, fordern Umwelt-Aktivisten politische Rahmenbedingungen. 
Der Schweizer Finanzplatz soll nachhaltiger werden. Während der Bundesrat auf Eigenverantwortung setzt, fordern Umwelt-Aktivisten politische Rahmenbedingungen. 
Bild: Keystone

Darüber, dass der Schweizer Finanzplatz grüner werden soll, herrscht Einigkeit. Während der Bundesrat auf die Selbstregulierung vertraut, pochen andere auf einschneidende Massnahmen. 

Für einmal sind sich SVP-Bundesrat Ueli Maurer und die Schweizer Klimajugend einig: Unser Finanzsektor soll nachhaltiger werden. Wenig überraschend ist, dass die Meinungen jedoch bereits bei der Umsetzung meilenweit auseinander gehen. 

So will der Bundesrat in erster Linie auf Eigenverantwortung setzen und vertraut in die Innovationskraft der Branchen-Akteure. Die Politik soll nur dort eingreifen, wo der Markt nicht spielt.

Die Klimajugend hingegen pocht auf einschneidende Massnahmen durch die Politik. Bis 2030 sollen die Treibhausgas-Emissionen auf netto-null reduziert werden. Die Vision: Schweizer Finanzinstitute sollen nicht weiter in fossile Brennstoffe investieren, sondern erneuerbare Energien unterstützen.

Druck auf den Finanzmarkt wird grösser

Unter anderem fordert das Klimastreik-Komitee Zürich anlässlich der bis am Dienstagabend andauernden Aktionstage «Merry Crisis» deshalb einen sofortigen Stopp aller Geldflüsse von und in Projekte und Firmen, die Klima und Lebewesen schaden. Ausserdem sollen Schweizer Finanzinstitute alle getätigten Investitionen, Versicherungsdienstleistungen und Finanzierungen offenlegen müssen.

Bei der Transparenz will auch der Bundesrat ansetzen. Bereits im Sommer sprach er sich für «glaubwürdige Nachhaltigkeits- und Umweltlabels» aus, die in der Branche selbst entwickelt werden. Demnach sollen in Zukunft vergleichbare Umwelt- und Klimainformationen für Finanzprodukte und Unternehmen systematisch offengelegt werden.

Als die Landesregierung im Juni Leitlinien zur Nachhaltigkeit im Finanzsektor verabschiedete, zeigte sie sich überzeugt davon, dass sich der Markt von alleine Richtung Nachhaltigkeit entwickelt. Doch der Druck und die Forderungen nach nachhaltigen Finanzflüssen werden immer stärker – und dem hiesigen Finanzmarkt wurde zuletzt ein relativ schlechtes Zeugnis ausgestellt.

Erste Fortschritte – aber noch lange nicht genug

So zeigte eine freiwillige Überprüfung auf Initiative des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) kürzlich auf, dass der Schweizer Finanzmarkt weiterhin zu stark in die Erdöl- und Kohleförderung investiert. Viermal mehr Mittel werden in Firmen investiert, die Strom aus fossilen Quellen erzeugen als in Produzenten von erneuerbarem Strom. 

Das Fazit des Bafu: Zwar zeigten sich erste Fortschritte, mit den besagten Investitionen aber unterstütze der Schweizer Finanzplatz einen zusätzlichen Ausbau der internationalen Kohle- und Erdölförderung. Das liesse sich nicht mit dem Klimaziel vereinbaren. 

Wie die Klimajugend fordert man deshalb auch beim WWF klare politische Rahmenbedingungen. Der bisherige Fokus auf freiwillige Massnahmen und Selbstregulierung habe bis jetzt kaum Wirkung erzielt, sagt Sprecherin Corina Gysler zu «blue News». 

Die Erkenntnis, dass die Wirtschaft – und damit auch der Finanzmarkt – von intakten Lebensgrundlagen abhängig sei, setzte sich mehr und mehr durch. «Was allerdings häufig noch fehlt, ist das Bewusstsein, dass der Finanzsektor mit seinen Investitionen und Krediten einen grossen indirekten Einfluss auf unsere natürliche Umwelt hat.»

«Graben zwischen der Schweiz und der EU wird grösser»

Künftig müsse der Fokus deshalb darauf liegen, dass der Schweizer Finanzsektor nachweislich einen positiven Beitrag zu den globalen Umweltzielen leiste, sagt Gysler. Finanzplätze in anderen Staaten wie Frankreich und Grossbritannien gingen regulatorisch aktiv voran. «Der Graben zwischen der Schweiz und dem Gesetzesrahmen der EU, der mehr Transparenz und Harmonisierung auf dem Markt für nachhaltige Finanzen schaffen will, wird immer grösser.»

Dabei hat sich der Bundesrat zum Ziel gesetzt, die Schweiz als führenden Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen zu positionieren. Weil der WWF überzeugt ist, dass sich dieses mit den gegenwärtigen Leitlinien nicht erreichen lässt, hat er zusammen mit der Beratungsfirma PwC einen konkreten Aktionsplan vorgelegt. 

Insgesamt 40 Massnahmen sind vorgesehen, um die Geldflüsse zu nachhaltigen Aktivitäten umzulenken. Werden diese in den nächsten zehn Jahren umgesetzt, könnten alle Finanzflüsse bis spätestens 2050 zu Netto-Null-Treibhausgasemissionen und der Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen. 

Bundesrat hält vorerst an Selbstregulierung fest

In einer Stellungnahme vor dem Parlament äusserte sich der Bundesrat zum Aktionsplan. Während WWF und PwC vorschlagen, ab 2030 Finanzflüsse, die nicht emissionsneutral sind und sich auch nicht positiv auf die Biodiversität auswirken, zu verbieten, setzt der Bundesrat unter anderem auf die Sensibilisierung der Kundschaft. Nimmt diese zu, riskieren Finanzinstitute mit umweltschädigenden Geschäftsmodellen ihren guten Ruf – so das Argument. 

Das Ziel seien Rahmenbedingungen, die einem marktbasierten Ansatz folgen und einen effizienten Preisbildungsmechanismus ermöglichen. Und: «Finanzinstitute sollten aus wirtschaftlichen Erwägungen daran interessiert sein, ihre umweltbedingte Risikoexposition zu kennen und einzudämmen», hält der Bundesrat fest und macht deutlich, dass er weitgehend an der Eigenverantwortung festhält.

Diesen Weg geht er vorerst auch mit vier am 11. Dezember verabschiedeten Massnahmen weiter: Mit vermehrter Transparenz, einer stärkeren Risikoanalyse sowie mehr internationalem Engagement will er den Schweizer Finanzplatz grüner machen. Die Klimajugend und den WWF kann er damit kaum zufriedenstellen. 

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