Lagebild Ukraine «Das hier wird noch Jahre dauern»

Von Philipp Dahm

10.3.2023

Schweizer Waffen für Kiew: So erklären SVP und Grüne ihr kategorisches Nein

Schweizer Waffen für Kiew: So erklären SVP und Grüne ihr kategorisches Nein

SVP und Grüne verhindern bisher alle Anläufe, dass Schweizer Waffen an die Ukraine geliefert werden könnten. Zwei Parteiexponenten erläutern im Video ihre Haltung.

08.03.2023

Marineinfanteristen verweigern bei Wuhledar angeblich Befehle, während sich die russische Armee bei Bachmut nur langsam voranquält: Der Krieg wird wahrscheinlich noch deutlich länger als dieses Jahr dauern.

Von Philipp Dahm

Was für ein Hin und Her. Gerade noch kritisiert Jewgeni Prigoschin Sergei Schoigu, weil der Verteidigungsminister gesagt hat, Bachmut stehe vor dem Fall. Der Chef der Gruppe Wagner verstehe nicht, wie Schoigu zu so einem Schluss komme: «Ich kann Schoigus Worte in keiner Weise kommentieren. Ich habe ihn in Bachmut nicht getroffen», lautet sein bissiger Kommentar.

Die Ukrainer «sterben en masse für Bachmut und geben nur auf, wenn nichts mehr geht», wird der Söldner-Boss zitiert. 11'000 Verteidiger seien in den vergangenen Monaten gefallen, doch nun sei die ukrainische Armee im Vorteil, weil deren Nachschub besser funktioniere. «Hört auf, von ihnen als Feiglinge zu sprechen. Sie sind wie wir.»

Dann wiederum prescht der 61-Jährige vor, besucht Bachmut und lässt sich vor einem Denkmal für den Zweiten Weltkrieg fotografieren, während die ukrainischen Stellungen nur rund 600 Meter entfernt sind, wie «Bild» nachgemessen hat. Vom Respekt vor dem Gegner keine Spur mehr: Diesmal sagt Prigoschin, Kiew verteidige die Stadt mit «Kindern und alten Leuten».

Angebliche Befehlsverweigerung bei Wuhledar

Moskau wird es nicht gern gesehen haben, dass Prigoschin sich als Sieger von Bachmut inszeniert. Vielleicht erreicht der Wagner-Boss deshalb nun niemanden mehr im Kreml: Er sei kaltgestellt worden, beschwert sich der Mann zuletzt. Ein Ende des internen Kampfes unter den russischen Militärs ist nicht abzusehen.

Die Schlacht um Bachmut dauert nun schon seit Monaten und kommt nicht voran. Auch bei Wuhledar ist der Krieg praktisch zum Erliegen gekommen. Nachdem eine Elite-Einheit aufgerieben und 130 Fahrzeuge zerstört worden sind, von denen 36 Panzer waren, geht an diesem Frontabschnitt nichts mehr.

Berdjansk und Mariupol als Ziel: Russland bringt Verstärkungen ins Hinterland von Bachmut, um angeblich die dortigen Truppen zu verstärken und Meuterei zu verhindern.
Berdjansk und Mariupol als Ziel: Russland bringt Verstärkungen ins Hinterland von Bachmut, um angeblich die dortigen Truppen zu verstärken und Meuterei zu verhindern.
Screenshot: YouTube/Reporting from Ukraine

Die Folge: Russland kann nur noch Infanterie-Angriffe durchführen, doch die Soldaten verweigern angeblich den Befehl, erneut auf die Bergarbeiter-Siedlung vorzurücken. Die 155. und 40. Marineinfanterie, die wegen schwerer Verluste zusammengelegt worden sind, wollen Wuhledar nicht stürmen. Russland musste demnach Truppen ins Hinterland verlegen, um die Front zu stabilisieren, nachdem auch eine Kosaken-Einheit gemeutert haben soll.

«Das hier wird noch Jahre weitergehen»

Doch auch die Verteidiger haben Probleme: Es fehlt an Waffen, sagt ein britisches Mitglied der internationalen Legion zu Times Radio. Er gibt ein Beispiel: «Wir werden unter Feuer genommen. Die Position neben uns auch. Sie sind alle getötet worden. Als wir zur Basis zurückkehrten, haben wir gefragt: ‹Warum habt ihr nicht zurückgeschossen?›»

Die Antwort: «Wir haben nur sechs Panzergranaten für diese Woche.» Zwei bis drei Schüsse brauche man allein schon zum Ausrichten auf das Ziel, so der Legionär. «Im Grunde genommen haben wir keine Unterstützung. Hilfe wird benötigt, die Panzer werden benötigt. Jetzt gerade haben wir eine Pattsituation. Die Russen wollen nicht vorrücken, weil sie glauben, dass wir diese Feuerkraft haben. Aber in der Realität haben wir Probleme.»

Er habe so einen konventionellen Krieg noch nie erlebt, sagt der Veteran. Der Krieg werde nicht so schnell vorübergehen: «Das hier wird noch Jahre weitergehen – es ist buchstäblich das Einzige, dessen ich mir sicher bin. Es ist harte Arbeit. Wie gesagt: Es ist gerade eine Pattsituation. Bis es wieder Blätter an den Bäumen gibt, wird nicht viel passieren.»

Litauen rechnet mit maximal zwei Jahren Krieg

Der litauische Geheimdienst glaubt ebenfalls, dass ein Ende des Waffengangs nicht abzusehen ist. «Die Ressourcen, die Russland zur Verfügung stehen, reichen aus, um den Krieg in der derzeitigen Intensität zwei Jahre fortzuführen», schätzt der Chef der Organisation laut «Reuters».

«Wie lange Russland in der Lage sein wird, Krieg zu führen, hängt auch von der Unterstützung durch Staaten wie Nordkorea und dem Iran ab», ergänzt Elegijus Paulavicius. Wladimir Putins Kampagne untergrabe gleichzeitig «die politische und wirtschaftliche Grundlage des Regimes», das «zunehmend totalitär» agiere.

Wie Sky News aktuell berichtet, hat Teheran Moskau allein im Januar zwei Schiffe namens Bergey und Musa Dschalil voller Munition über das Kaspische Meer geschickt, die bar bezahlt worden seien. An Bord sollen 100 Millionen Patronen und 300'000 Artilleriegranaten gewesen sein. Überprüfen lassen sich die Angaben aus britischen Sicherheitskreisen nicht.