Corona global Wie ein Virus die Welt verändert

SDA/tpfi

23.5.2020

Die Corona-Pandemie hat die Welt fest im Griff. Inzwischen sind weltweit mehr als fünf Millionen Infektionen bestätigt — und die Pandemie macht vor keinen Grenzen halt. (Symbolbild)
Die Corona-Pandemie hat die Welt fest im Griff. Inzwischen sind weltweit mehr als fünf Millionen Infektionen bestätigt — und die Pandemie macht vor keinen Grenzen halt. (Symbolbild)
Bild: Keystone/EPA/Ritzau Scanpix

Das Coronavirus hinterlässt rund um die Welt grosse Unsicherheit und einschneidende Veränderungen. Welche Staaten sind besonders betroffen? Wer trifft welche Massnahmen? Und: Wo gibt es Hoffnung?

US-Präsident Donald Trump hat das Malaria-Mittel Hydroxychloroquin als «Geschenk Gottes» gepriesen und es nach eigenen Angaben in den vergangenen zwei Wochen selbst zum Schutz vor dem Coronavirus eingenommen. In Brasilien wird es nun ganz offiziell zur Behandlung von Covid-19 empfohlen — obwohl das hoch umstritten ist. Indessen droht in dem seit Jahren unter Krieg und Hunger leidenden Jemen nun auch noch eine Corona-Katastrophe.

BRASILIEN — Gesundheitsministerium empfiehlt Malaria-Mittel

Das brasilianische Gesundheitsministerium empfiehlt das umstrittene Malaria-Medikament Hydroxychloroquin zur Behandlung von mit dem neuartigen Coronavirus infizierten Patienten. Das Mittel könnte auch Menschen mit nur leichten Symptomen verabreicht werden, hiess es in einem am Donnerstag veröffentlichten aktualisierten Leitfaden für Ärzte.

Hydroxychloroquin wird zur Behandlung von Malaria und bestimmten Autoimmunkrankheiten eingesetzt. Ob sich das Medikament auch zur Behandlung der Lungenkrankheit Covid-19 eignet, ist noch nicht abschliessend geklärt. Experten warnen allerdings vor den Nebenwirkungen des Präparats: Unter anderem kann die Einnahme zu einem erhöhten Risiko für Herzrhythmus-Störungen führen. Im Streit mit dem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro über den Einsatz von Hydroxychloroquin war zuletzt der Gesundheitsminister zurückgetreten.

Brasilien entwickelt sich immer mehr zum neuen Zentrum der Corona-Pandemie. Bislang haben sich in dem grössten Land Lateinamerikas 310 087 Menschen nachweislich mit Sars-CoV-2 angesteckt. Mindestens 20'047 Patienten sind im Zusammenhang mit der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben.

JEMEN — Covid-19-Katastrophe bahnt sich an

Die Situation im bitterarmen Bürgerkriegsland Jemen spitzt sich zu. Alarmierend hohe Sterblichkeitsraten im Covid-19-Behandlungszentrum im Südjemen deuten nach Angaben der internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) auf eine grössere Katastrophe hin. Das Covid-19-Behandlungszentrum, das MSF in Aden betreibt, ist das einzige im gesamten Südjemen. Innerhalb weniger Tage wurden dort rund 170 Patienten aufgenommen, mindestens 68 von ihnen sind gestorben.

Der Jemen liegt im Süden der Arabischen Halbinsel und zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Dort tobt seit mehr als fünf Jahren ein Bürgerkrieg. Aden wird von südjemenitischen Separatisten kontrolliert. Ein Grossteil der 28 Millionen Einwohner des Landes leidet massiv unter dem Konflikt. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung sind nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen.

«Was wir in unserem Behandlungszentrum sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs, was die Zahl der Infizierten und Sterbenden in der Stadt angeht», sagte MSF-Projektleiterin Caroline Seguin. «Die Menschen kommen zu spät zu uns, um sie zu retten, und wir wissen, dass viel mehr Menschen überhaupt nicht mehr kommen: Sie sterben einfach zu Hause. Es ist eine herzzerreissende Situation.»

Eine überdurchschnittlich hohe Sterblichkeitsrate und die hohe Zahl an infiziertem medizinischen Personal zeige, dass die Krankheit sich mittlerweile extrem ausgebreitet hat. Die Hilfsorganisation fordert dringend Hilfe, unter anderem von den Vereinten Nationen (UN). Das Land brauche mehr Geld, mehr medizinisches Personal — und dringend mehr Sauerstoffkonzentratoren, um Patienten beim Atmen zu helfen.

USA — Welten in einer Stadt

Vom Weissen Haus zur Stadtverwaltung Washingtons schafft man es zu Fuss in etwa zehn Minuten. Zwischen dem Sitz des US-Präsidenten und der Bürgermeisterin scheinen dieser Tage allerdings Welten zu liegen. Während fast alle Bundesstaaten Lockerungen der Corona-Beschränkungen auf den Weg gebracht haben, hielt Muriel Bowser bislang an den strengen Massnahmen zur Eindämmung des Virus fest. Frühestens kommende Woche könnte die Hauptstadt mit der langsamen Wiedereröffnung beginnen. Donald Trump nebenan ist schon viele Schritte weiter: Er scheint es ernst zu meinen mit seinem Ansinnen, die Staats- und Regierungschefs in die noch weit von Normalität entfernte Hauptstadt einzuladen.

Am Mittwoch hatte Trump völlig überraschend per Twitter mitgeteilt, dass er erwäge, den G7-Gipfel stattfinden zu lassen - nicht per Video, sondern als reales Treffen. Dies wäre ein grossartiges Signal der Normalisierung, schrieb er dazu. Gipfeltreffen wie der G7 sind ein gewaltiger logistischer Kraftakt, zu dem nicht nur grosse Delegationen aus verschiedenen Staaten, sondern dazu noch etliche Journalisten aus aller Welt anreisen. Der ursprüngliche Termin des Treffens — 10. bis 12. Juni — ist keine drei Wochen mehr entfernt.

Schwer vorstellbar, dass in Washington bis dahin wieder Normalität herrscht, geschweige denn ein landesweit geltender Einreisestopp für Europäer aufgehoben wird. Bürgermeisterin Bowser erinnerte am Donnerstag daran, dass die Rückkehr zur Normalität kein einfaches Ein- und Ausschalten sei. Dem «Wall Street Journal» zufolge soll das Weisse Haus dennoch bereits Einladungen an die «Gruppe der Sieben», zu der neben den USA auch Deutschland, Frankreich, Italien, Japan und Kanada gehören, geschickt haben.

RUSSLAND — Corona-Patienten werden per App überwacht

In der russischen Hauptstadt Moskau werden Corona-Patienten, die eine milde Form der Lungenkrankheit zu Hause auskurieren, über eine App überwacht. Doch Menschenrechtler haben Bauchschmerzen, was diese Form der Kontrolle angeht. «Die App ist aufdringlich, verletzt die Privatsphäre und andere Rechte», kritisierte die Organisation Human Rights Watch. So werden etwa Push-Nachrichten an die Patienten geschickt mit der Aufforderung, sofort ein Selfie zu machen. Damit sollen sie beweisen, die Wohnung nicht verlassen zu haben. Corona-Patienten dürfen 14 Tage nicht aus dem Haus gehen.

Sollten die Nutzer nicht umgehend auf diese Nachrichten reagieren, drohe eine Strafe von 4'000 Rubel (etwa 51 Euro). Human Rights Watch zufolge berichteten Nutzer, dass sie sogar im Schlaf von solchen Aufforderungen überrascht worden seien und beim Aufwachen die Geldbusse bemerkt hätten. Eine Frau habe berichtet, dass sie selbst in einem Rettungswagen auf dem Weg ins Krankenhaus mit der Strafe belegt worden sei, weil sie nicht auf diese Nachricht reagiert habe.

Mehr als 60'000 Corona-Patienten nutzen diese App mittlerweile. Damit überwachen die Behörden seit Anfang April, ob sich Erkrankte an die Quarantäne-Auflagen halten. In russischen Medien wird immer wieder über Schwachstellen berichtet, viele beschweren sich. Die Stadt habe darüber umgerechnet mehr als zwei Millionen Euro Strafe kassiert.

«Die Moskauer Behörden haben zu Unrecht Hunderte, wenn nicht gar Tausende von Menschen wegen angeblicher Verletzung der Selbstisolierung bestraft», teilte die Organisation mit. Diese im April eingeführte App stecke voller technischer Mängel. Sie habe Zugriff zum Beispiel auf den Standort des Handys, die Anrufe, Kameras und Informationen über das Wlan. Unklar sei, warum diese App all diese Daten benötige, kritisierte Human Rights Watch.

FRANKREICH — Picknick im Radius von 100 Kilometern

Das Coronavirus verunsichert viele Französinnen und Franzosen — hinzu kommen zahlreiche Regelungen und Verbote der Regierung. Da kann man schon mal den Überblick verlieren. Die Zeitung «Le Parisien» zum Beispiel beantwortet daher jeden Tag Leserfragen zu Corona. Am Freitag fragte etwa ein Leser, ob er mit Menschen, mit denen er zusammenlebt, ein Picknick machen darf. Die Antwort: Ja, insgesamt dürfen sich sogar zehn Menschen im öffentlichen Raum verabreden — und sie müssen nicht mal zusammenleben. Allerdings: Wenn er sein Picknick mehr als 100 Kilometer entfernt von seinem Wohnhaus plant, ist das verboten.

Denn eine Regel, die mit den Lockerungen einhergeht, besagt, dass die Menschen sich nicht ohne triftigen Grund mehr als 100 Kilometer von ihrer Wohnung entfernen dürfen. Diese Bestimmung scheint viele zu verunsichern. So fragte Leser Patrick jüngst, ob die 100-Kilometer-Grenze bedeutet, dass man nur maximal 50 Kilometer für die Hinfahrt und 50 Kilometer für die Rückfahrt zurücklegen darf? Antwort: nein. Diese Entfernung, so «Le Parisien», sei als Radius zu verstehen, nicht als Durchmesser eines Kreises. Und innerhalb dieses Kreises mit einem Radius von 100 Kilometern darf Patrick so viele Kilometer zurücklegen, wie er will. Verstanden?

LITAUEN — Schaufensterpuppen im Restaurant

Litauen hat mit der Öffnung der Gastronomie einen weiteren Schritt in Richtung Normalität gewagt. Nach wochenlangen Beschränkungen in der Corona-Pandemie dürfen seit Wochenbeginn in Bars, Cafés und Restaurants unter strengen Auflagen wieder die Sitzbereiche genutzt werden. Damit sich die Gäste nicht so allein fühlen und an die Abstandsregeln halten, setzen in der Hauptstadt Vilnius mehrere Lokale auf ganz spezielle Dauergäste - und haben unbenutzte Tische, Sitzplätze und Barhocker mit modisch gekleideten Schaufensterpuppen besetzt.

Bis Ende Mai präsentieren in 14 Bars, Cafés und Restaurants in der Altstadt insgesamt rund 60 Puppen die Arbeiten und Entwürfe von litauischen Modedesignern. Passend dazu liegen an jedem Tisch Informationen zu den ausgestellten Outfits und Kollektionen aus. Mit der Aktion sollen die Gastronomen und heimische Modeschöpfer gleichermassen unterstützt werden, teilten die Veranstalter mit. Die Idee geht auf einen Restaurantbesitzer zurück, auf den die leeren Tische in seinem Lokal trostlos wirkten. Wegen der Abstands- und Hygieneregeln muss jeder zweite Tisch frei bleiben.

Litauen mit seinen knapp drei Million Einwohnern verzeichnete bislang rund 1'600 bestätigte Infektionen und über 60 Todesfälle in Verbindung mit dem Coronavirus. Die Regierung hat den Notstand ausgerufen und das baltische EU-Land bis 31. Mai unter Quarantäne gestellt.

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