Kremlchef reist nach Belarus Tritt Machthaber Lukaschenko auf Putins Befehl in den Ukraine-Krieg ein?

Von Philipp Fischer

19.12.2022

Der russische Präsident Wladimir Putin (r) und der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko stehen im Mai 2021 auf einem Boot während eines Treffens in Sotschi am Schwarzen Meer. 
Der russische Präsident Wladimir Putin (r) und der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko stehen im Mai 2021 auf einem Boot während eines Treffens in Sotschi am Schwarzen Meer. 
Archivbild: Sergei Ilyin/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Das russische Staatsfernsehen hat eine «wichtige Ankündigung» von Wladimir Putin in den kommenden Tagen mitgeteilt. Davor reist der Kremlchef noch nach Minsk, um den belarussischen Machthaber Lukaschenko zu treffen. Der Besuch nährt die Sorge, dass Belarus bald seine Armee zur Unterstützung des russischen Krieges einsetzen könnte.

Von Philipp Fischer

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine läuft alles andere als von Wladimir Putin erhofft. Die Ukraine wehrt sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Der Westen unterstützt die Ukraine mit schweren Waffen, inzwischen konnten die Ukrainer grosse Teile der bereits von Russland besetzten Gebiete wieder zurückerobern. Ein schnelles Kriegsende ist für Putin in weite Ferne gerückt.

Die Reise des russischen Präsidenten am Montag zu einem Staatsbesuch in Belarus wird angesichts der aktuellen Kriegslage besondere Bedeutung zukommen. Lukaschenko hat in den vergangenen Wochen erste Schritte zu einer Mobilmachung angeordnet. Landesweit werden derzeit Inspektionen für die Kampfbereitschaft der eigenen Truppen durchgeführt. 

Mehr als nur ein «Arbeitsbesuch»

Zuletzt hat Putin seinen Kollegen 2019 in Minsk besucht. Offiziell soll es bei dem Treffen am Montag um die strategische Partnerschaft beider Länder gehen. Ausserdem sollen die beiden Machthaber regionale und internationale Fragen besprechen, wie der Kreml am Freitag mitteilte. An der Reise sollen auch mehrere Mitglieder der russischen Regierung teilnehmen, die Visite wird als Arbeitsbesuch eingestuft. Die Ankündigung durch die russischen Staatsmedien, dass Kremlchef Wladimir Putin nach seinem Besuch in Minsk eine wichtige Ankündigung machen will, nährt jedoch die Spekulationen, dass Belarus in absehbarer Zeit einen Angriff auf die Ukraine planen könnte.

Belarus ist wirtschaftlich von Russland abhängig, Lukaschenko ist auf die Kredite aus Moskau angewiesen. Die Gründung einer gemeinsamen Militäreinheit Mitte Oktober bezeichnet der 68-Jährige bislang als rein «defensiven» Zweck. Zwar betont der belarussische Präsident Lukaschenko immer wieder, dass er keine Truppen in die Ukraine entsenden will, ob er sich jedoch einer möglichen Anweisung Putins widersetzen kann, ist mehr als fraglich.

Belarus beteiligt sich bereits am Kriegsgeschehen

Schon vor Beginn des russischen Einmarschs am 24. Februar in der Ukraine hielt Moskau in Belarus Militärübungen ab. Gleich zu Beginn des Krieges drangen russische Soldaten auch von belarussischem Gebiet aus in das Nachbarland ein. Für die Angriffe auf die Ukraine stellt Belarus seine Militärbasen zur Verfügung. Nach den fehlgeschlagenen Angriffen russischer Truppen auf die nur knapp 110 Kilometer von der belarussischen Grenze entfernten Hauptstadt Kiew, diente Belarus den zurückgeworfenen russischen Truppen als Rückzugsgebiet zur Neuordnung der verbliebenen Einheiten.

Im Oktober stationierte Russland für eine gemeinsame Truppe rund 9000 Soldaten in Belarus. Ausserdem sollen rund 170 Panzer, 200 gepanzerte Fahrzeuge und «bis zu 100 Waffen und Mörser mit einem Kaliber über 100 Millimeter» nach Belarus transportiert worden sein, wie der Leiter für internationale militärische Zusammenarbeit, Waleri Rewenko, am 17. Oktober auf Telegramm mitteilte. Kurz darauf schickte Putin zudem zwei MiG-31K-Jets hinterher. Die MiGs können ballistische Raketen mit einer Reichweite von bis zu 2000 Kilometern tragen.

Am Wochenende hat Russland nach Angaben des unabhängigen belarussischen Militärbeobachtungsmediums «Belaruski Hajun» weiteres militärisches Equipment auf das Staatsgebiet von Belarus verlegt. Zuletzt sollen dort 50 gepanzerte Militärfahrzeuge eingetroffen sein. Bereits am 11. Dezember sei ein Militärkonvoi mit 30 neuen Militärfahrzeugen in  angekommen, heisst es.

An Putins Tropf

Die russische Propaganda in Belarus läuft auf Hochtouren. Über die wahren Opferzahlen russischer Soldaten an der Front wird auch hier geschwiegen, der Krieg richtet sich ausschliesslich gegen «Nazis» in der Ukraine. Bereits nach der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl im Jahr 2020 und der missglückten Revolution im Land wurden zentrale Positionen in den belarussischen Medien von russischen Kräften neu besetzt. Dutzende Nichtregierungsmedien wurden entweder gesperrt oder unter Druck ganz verboten. Das belarussische Parlament segnete Gesetzte ab, die die Pressefreiheit noch weiter einschränkten. Hunderte regierungskritische Medienvertreter sitzen hinter Gittern.

Seit dem Kriegsausbruch fürchten viele Belarussen, Lukaschenko könnte eine Mobilmachung ausrufen, um an der Seite Russlands in den Krieg gegen den Nachbarstaat einzugreifen. Schon zu Beginn der russischen Militäroffensive in der Ukraine diente Belarus als Aufmarschgebiet für russische Truppen, belarussische Streitkräfte griffen aber bisher nicht in die Kämpfe ein.

Belarus teilt eine rund 1100 Kilometerlange Grenze mit der Ukraine. Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine hegten beide Länder noch enge Verbindungen. 2018 zählte die Ukraine als«slawisches Brudervolk» für Belarus noch zum wichtigsten Handelspartner. Die Ukraine stand beim Export an erster Stelle, beim Import an vierter. Lange Zeit verband Kiew und Minsk eine Städtepartnerschaft. Wegen der belarussischen Unterstützung des Angriffskrieges hat die Ukraine die Partnerschaft im Juni aufgekündigt.

Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP, SDA und dpa