USA Viel versprochen, wenig gehalten –Trumps konfuse Grenzpolitik

dpa

8.4.2019

Donald Trump an der Grenze zu Mexiko: Wohin steuert der US-Präsident?
Donald Trump an der Grenze zu Mexiko: Wohin steuert der US-Präsident?
Bild: Jacquelyn Martin/AP

Kaum ein Thema treibt US-Präsident Trump mehr um als illegale Einwanderung, symbolisch dafür stehen Trumps Pläne für eine Mauer an der Grenze zu Mexiko. Nun hat der Streit um Trumps Migrationspolitik die nächsten politischen Opfer gefordert.

Gemeinsam mit US-Präsident Donald Trump besuchte US-Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen noch am Freitag die Grenze zu Mexiko. Auf Twitter verbreitete Nielsen Fotos von sich und dem Präsidenten, auf einem der Bilder schüttelt sie ihm unter strahlend blauem Himmel die Hand. Zu dem Zeitpunkt dürfte die 46-Jährige noch nicht gewusst haben, dass das quasi ein Abschiedsgruss war.

Am Sonntag verkündete Trump in dürren Worten auf Twitter, Nielsen werde aus dem Amt ausscheiden. Montagabend wurde zudem bekannt, dass auch der ihr unterstellte Direktor des Secret Service, Randolph Alles, seinen Posten räumt. Es ist ein weiterer Höhepunkt von Trumps konfuser Grenzpolitik, bei der er viel versprochen und wenig gehalten hat.

Symbolisch für diese Politik steht die Mauer, die Trump an der Grenze zu Mexiko errichten lassen will. Gemeinsam mit Nielsen hatte er am Freitag im US-Grenzort Calexico – eine Wortschöpfung aus Kalifornien und Mexiko – den Abschnitt eines Grenzzauns besucht, den er als einen Teil seiner «neuen Mauer» bezeichnete. Das war – nicht untypisch für Trump – mindestens irreführend: Der Zaun ersetzt eine ältere Barriere, die Pläne für die Renovierung gingen US-Medienberichten zufolge bereits auf Trumps Vorgänger Barack Obama zurück.

Tatsächlich hat Trump bislang existierende Zäune an der Grenze austauschen und renovieren lassen, wie es auch seine Vorgänger taten. Die von ihm versprochene neue Mauer an der rund 3200 Kilometer langen Grenze zu Mexiko lässt auf sich warten. Dass der südliche Nachbarstaat den Bau des Bollwerks bezahlt – wie von Trump im Wahlkampf versprochen –, davon ist schon lange keine Rede mehr.

Warum ging Nielsen?

Stattdessen haben die Mauerpläne Trump empfindliche politische Niederlagen beschert. Im Streit um die Finanzierung des Bollwerks erzwang Trump kurz vor Weihnachten einen «Shutdown», fünf Wochen lang standen weite Teile der Regierung still. Trotzdem verweigerte ihm der Kongress – das US-Parlament – letztlich die von ihm gewünschte Finanzierung der Mauer. Der Präsident rief daraufhin einen Notstand an der Grenze aus, um sich aus anderen, nicht vom Kongress dafür vorgesehenen Geldtöpfen für den Mauerbau bedienen zu können.

Beide Kammern im Kongress – sowohl der von Trumps Republikanern dominierte Senat als auch das Abgeordnetenhaus mit seiner demokratischen Mehrheit – stimmten daraufhin dafür, den Notstand wieder aufzuheben. Trump sah sich gezwungen, das erste Veto seiner Amtszeit einzulegen. Das Ende vom Lied ist auch das nicht: Die Demokraten im Abgeordnetenhaus gehen vor Gericht gegen die Notstandserklärung vor, auch andere Gruppen klagen dagegen.

US-Medien berichten, Nielsen scheide nicht freiwillig aus dem Amt. Immer wieder hiess es in der Vergangenheit, Trump sei unzufrieden mit Nielsen, auch wenn sie sich öffentlich als Hardlinerin gab. Der Fraktionschef der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, schrieb auf Twitter: «Wenn sogar die radikalsten Stimmen in der Administration nicht mehr radikal genug für Präsident Trump sind, weiss man, dass er den Bezug zum amerikanischen Volk vollständig verloren hat.»

Nielsen war das Gesicht von Trumps «Null-Toleranz-Politik» an der Grenze zu Mexiko, die im vergangenen Sommer für Empörung gesorgt hatte, weil Kinder von ihren Eltern getrennt wurden. Nielsen setzte auch um, dass bestimmte Asylbewerber nach Mexiko zurückgeschickt werden können, wo sie auf ihre Verfahren in den USA warten müssen. Die umstrittenen Massnahmen haben nicht verhindert, dass die Zahl der illegalen Grenzübertritte unter Nielsen deutlich zugenommen hat.

«Ron ist ein guter Mann»

Die US-Grenzpolizei nahm im Februar an der mexikanischen Grenze nach eigenen Angaben mehr als 76'000 Migranten bei der illegalen Einreise fest -–nach Nielsens Angaben der höchste Monatswert seit mehr als zehn Jahren. Die Ministerin rechnete für März damit, dass die Zahl sogar auf knapp 100 000 steigen werde.

Für die Festnahme illegaler Einwanderer ist die Polizeibehörde ICE zuständig, als deren Direktor war Ronald Vitiello vorgesehen – bis Donnerstag, als das Weisse Haus die Nominierung überraschend zurückzog. «Ron ist ein guter Mann», sagte Trump am Freitag zur Begründung. Man wolle aber «eine härtere Richtung» einschlagen.

Bislang ist die Richtung vor allem konfus. Für vergangene Woche hatte Trump mit einer Schliessung der Grenze gedroht, sollte Mexiko Migranten aus Mittelamerika auf ihrem Weg in die USA nicht stoppen. Dann drohte er dem Kongress mit derselben Massnahme, sollten die Demokraten sich nicht umgehend auf eine Reform der Migrationsgesetze einlassen. Trump nannte das geltende Regelwerk «das dümmste Einwanderungssystem der Welt», den Demokraten wirft er immer wieder wahrheitswidrig vor, sie wollten die Grenze ganz öffnen.

Am vergangenen Donnerstag setzte Trump Mexiko plötzlich eine Frist von einem Jahr, um Migranten aufzuhalten und den Drogenschmuggel in die USA zu stoppen – und er drohte nun mit Autozöllen statt mit baldiger Grenzschliessung. «Wenn das nicht funktioniert, werden wir die Grenze schliessen», sagte er. Zwar gab sich Trump hart – tatsächlich aber ruderte er mit der Jahresfrist aufgeregt zurück. Am Sonntag meinte er dann erneut, er werde die Südgrenze schliessen, wenn es notwendig sei. «Unser Land ist VOLL», schrieb er auf Twitter.

«Sicherheit ist mir wichtiger als Handel»

Der Grund für den Zickzackkurs: Trump weiss, dass eine Schliessung der Grenze schwere ökonomische Konsequenzen nach sich ziehen würde – und zwar für beide Länder. Die US-Handelskammer warnte kürzlich, eine Schliessung der Grenze könnte zu einer «wirtschaftlichen Katastrophe» führen. Trump sagt zwar: «Sicherheit ist mir wichtiger als Handel.» Dass die US-Wirtschaft brummt – wenngleich höchstens zu kleinen Teilen von ihm zu verantworten, ist eine der wenigen Entwicklungen, die er als Erfolgsgeschichte seiner Präsidentschaft verkaufen kann. Das wird er nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wollen.

Nielsen soll nun vom Leiter der Grenzschutzbehörde Customs and Border Protection (CBP), Kevin McAleenan (47), ersetzt werden, der das Ministerium kommissarisch führen wird. Trumps Personalkarussell dreht sich inzwischen so schnell, dass zahlreiche wichtige Posten nur noch kommissarisch besetzt sind: Der von Trumps Stabschef etwa, oder auch die Leitung des Verteidigungsministeriums.

Die «Washington Post» führte Nielsens Ausscheiden und die Abkehr von Vitiellos Nominierung auf den wachsenden Einfluss des Trump-Beraters Stephen Miller zurück. Die Zeitung berichtete, Trump habe dem Hardliner die Zuständigkeit für Migration übertragen. Millers Onkel David Glosser hatte seinen Neffen im vergangenen August in einem bitterbösen Beitrag für die Zeitung «Politico» daran erinnert, dass die gemeinsamen jüdischen Vorfahren Anfang vergangenen Jahrhunderts selber aus dem heutigen Weissrussland in die USA eingewandert waren – und dass sie sonst vermutlich von den Nazis ermordet worden wären.

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